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Wie eine wirkungsvolle Wachstumsstrategie entsteht
Eine wirkungsvolle Wachstumsstrategie stellt zweifellos eine deutlich fundiertere Basis für das profitable Wachstum eines Unternehmens dar als ein Weg, der ausschließlich aus dem Bauch heraus erfolgt. Die Frage, die sich stellt, ist, warum sich viele Unternehmen ohne eine Strategie auf den Weg machen und warum so viele Wachstumsstrategien scheitern.
Um den Mustern erfolgreicher Wachstumsstrategien auf den Grund zu gehen, ist es erforderlich, sich mit den Details des Prozesses auseinanderzusetzen, den es zu gehen gilt, will ein Unternehmen, genauer: will eine Unternehmensführung eine wirksame Wachstumsstrategie erarbeiten.
Folgende Punkte werden im Folgenden vertieft:
1. Der Strategie-Zweck
2. Die aktuelle Wachstumsphase
3. Die Rolle der Vision
4. Die Strategie-Variante
5. Die Elemente der Marktsegment-Strategie
6. Die erfolgreiche Realisierung
1. Der Strategie-Zweck
Die Frage nach dem Zweck sollte sich immer stellen, denn ohne einen Zweck macht ein komplexes Projekt, ein komplexes Vorhaben – und zu diesen gehört die Erarbeitung einer Wachstumsstrategie zweifellos – keinen Sinn. Der Zweck liefert die Antwort auf die Frage nach dem «Warum». Warum also soll überhaupt eine Wachstumsstrategie erarbeitet werden? Drängt der Unternehmer darauf? Haben die Anteilseigner, gegebenenfalls vertreten durch den Beirat oder den Verwaltungsrat, eine nachvollziehbare Wachstumsgrundlage eingefordert? Hat die Unternehmensführung erkannt, dass entweder die vorhandene Strategie justiert oder der Zustand einer nicht vorhandenen Strategie beendet werden muss?
2. Die aktuelle Wachstumsphase
Was ist die sachliche Grundlage für eine (neue) Wachstumsstrategie? Drei Phasen kennzeichnen den Wachstumszyklus:
In der Aufschwungphase fliegt einem Unternehmen das Wachstum förmlich zu. Es kommen täglich neue Kunden, neue Aufträge hinzu, interne Stimmen werden lauter, dass das Wachstum mit der vorhandenen Organisation kaum noch zu stemmen sei. In der Tat ist es für stark wachsende Unternehmen enorm wichtig, in die strategischen Überlegungen auch den Aufbau eines geeigneten organisatorischen und systemischen Fundaments einzubeziehen, damit das Wachstum nicht auf Treibsand gebaut wird. Überdies gilt es, in der Phase des stärksten Wachstums bereits wieder Innovationen zu starten, denn schließlich wirken diese erst nach einer gewissen Zeit. Die argumentative Kraft, derer es bedarf, um Mitarbeiter und Führung dazu zu bewegen, während starken Wachstums auch noch strategische Arbeit zu leisten, ist nicht zu unterschätzen. In der Abschwungphase bedarf es nahezu keiner Erläuterung, denn Marktanteile, Profitabilität und die Anzahl kaufender Kunden sind sichtbar auf dem beschleunigten Weg bergab. Handlungsbedarf ist objektiv und unmittelbar geboten. Der Vorteil: Die Mitarbeiter erkennen die Notwendigkeit sofort, vorausgesetzt, es wird mit offenen Karten gespielt. Es bedarf eines Turnarounds. Wichtig dabei ist, dass dieser Turnaround tatsächlich als Bestandteil des langfristigen Unternehmenswachstums gesehen wird und dass dazu ein klares positives Zielbild erarbeitet wird.Die schwierigste Zeit für eine neue Wachstumsstrategie ist die Zeit des geringen Wachstums. Viele Unternehmen plätschern förmlich so dahin, Gehälter werden gezahlt, Lieferanten werden bezahlt, das Unternehmen wächst ein wenig, mal mehr, mal weniger. Kunden kaufen und «stören» gelegentlich in der trauten Gemütlichkeit des Mit-sich-selbst-Beschäftigens. Warum sollte man sich nun aufmachen, um die Gemütlichkeit zu verlassen? Das Unternehmen funktioniert doch.
Richtig: Noch funktioniert das Unternehmen. Aber wie lange mag dies noch gut gehen? Im Rahmen unserer Beratungspraxis sind Strategieprojekte in Unternehmen, die sich mit ihrem Zustand arrangiert haben, die größten Herausforderungen. Wir nennen sie «Reaktivierungsprojekte». Vor allem bedarf es hier einer Unternehmensführung mit einem sehr starken Rückgrat.
3. Die Rolle der Vision
Immer noch geistert, insbesondere im Mittelstand, ein eher esoterisch geprägtes Bild einer unternehmerischen Vision durch die Lande. «Vision» – dies klingt nicht anfassbar, nicht greifbar, nicht messbar. Es klingt nach Zeitverschwendung, nach Dingen, mit denen man sich in esoterisch geprägten Gesprächsrunden auseinandersetzen kann, aber doch, bitte, nicht im unternehmerischen Umfeld. Dem ist mitnichten so, zumindest nicht, wenn man eine Vision als ein Vehikel ansieht, das Wachstum zu fördern. Eine Vision beschreibt unserer Auffassung zufolge ein möglichst konkretes Bild einer erstrebenswerten Zukunft, die möglicherweise nie erreicht werden wird. An dieser Stelle ist die Unternehmensführung, in inhabergeführten oder Familienunternehmen auch gern die Eigentümerschaft, gefragt, dieses Bild zu zeichnen. Es handelt sich dabei auch keineswegs um einen basisdemokratischen Prozess. Die Vision ist durch die Eigentümer und/oder durch die Führung zu erarbeiten. Auch das Horrorszenario, dass es zur Erarbeitung einer Vision mehrere Wochen oder gar Monate und Hunderte von Beratertagen bedarf, ist zu entkräften. Es geht schlicht darum, ein Bild zu erarbeiten, das konkret genug ist, um das interne Handeln im Hinblick auf seine strategische Zukunftsfähigkeit abzuprüfen. Nebenbei zieht eine magnetische Vision auch die richtigen Mitarbeiter an.Ausgesprochen werden muss auch, dass eine Vision keine notwendige Voraussetzung für eine Wachstumsstrategie ist, dass sie aber die Erarbeitung einer solchen Wachstumsstrategie deutlich erleichtert.
4. Die Strategie-Variante
Der Begriff der «Strategie» wird inflationär verwendet. Um welche Art von «Strategie» handelt es sich im konkreten Fall? Ist die Unternehmerstrategie schon klar und bekannt? Gerade in mittelständischen Unternehmen prägt die Strategie des Eigentümers oder der Eigentümerfamilie(n) wesentlich die Geschicke des Unternehmens am Markt. Möchte ein Eigentümer einen möglichst baldigen Exit, wird er sich nicht so rasch für langfristige strategische Maßnahmen, die ja auch immer etwas mit Sach-, Personal-, System- und Beratungsinvestitionen zu tun haben, begeistern können wie derjenige Eigentümer, der sein Unternehmen gern an weitere Generationen weitergeben möchte. Wenn ein Unternehmen in mehreren Marktsegmenten tätig ist oder es sich um eine Unternehmensgruppe mit mehreren Divisionen, Tochter- oder Schwestergesellschaften handelt, ist eine Unternehmensstrategie für das Gesamtunternehmen vonnöten. Wofür möchte die Gruppe stehen? Macht die Gruppe überhaupt einen Sinn? Schafft sie Mehrwert? Oder ist sie auf Holdingfunktionen fokussiert? Erst wenn diese Frage beantwortet wird, ist es zweckmäßig, sich mit den einzelnen Marktsegmenten auseinanderzusetzen, denn schließlich kann die Arbeit an der Unternehmensstrategie auch dazu führen, dass ein Marktsegment gar nicht mehr in das Leistungsportfolio passt.
5. Die Elemente der Marktsegment-Strategie
Die wirkliche Wachstumsbasis wird erst in der konkreten Marktsegment-Strategie gelegt, denn erst hier kommen die Kunden ins Spiel, doch der Reihe nach, gilt es doch, zahlreiche Fragen fundiert zu beantworten. Die erste und wichtigste Frage, die es zu beantworten gilt, ist diejenige nach dem zu schaffenden Wert: «Welchen Wert schaffen wir?» Die Antwort auf diese Frage schuldig zu bleiben, bedeutet, dass das Marktsegment direkt eingestellt werden kann, denn welche Existenzberechtigung hat ein Unternehmen in einem Marktsegment, in dem es keinen Wert schafft, in dem es seinen Kunden keine Vorteile zu generieren in der Lage wäre? Auch die Aussage, die dem Markt als Orientierungshilfe gegeben wird, darf und soll an dieser Stelle in Form einer Wertaussage bereits besprochen werden.
Auch die Positionierung ist eine wichtige Festlegung: «Sind wir Kostenführer, Leistungsführer oder Innovationsführer?» Die schlechteste Antwort lautet hier, man sei von allem ein wenig, denn dies fördert die Differenzierung nicht. Obwohl es fast immer darauf hinausläuft, dass ein Unternehmen keine eindeutige Positionierung aufweist, muss doch eine der drei Dimensionen die Oberhand gewinnen, will man Ressourcen nicht unnötig verschwenden. Es muss überdies klar beschrieben sein, von welchem Marktsegment tatsächlich die Rede ist. Es ist immer wieder erlebbar, dass sich hitzige strategische Diskussionen an der Bezeichnung und Einordnung des Marktsegmentes anzünden, was für den außenstehenden Betrachter mitunter eine Überraschung ist. Innerhalb des Marktsegmentes muss zunächst die Kundschaft betrachtet werden: Wer sind die Kunden? Wer sollen künftige Kunden sein? Hier sind demografische Faktoren nachrangig zu betrachten, denn in erster Linie geht es um gemeinsame Bedürfnisse der Kunden. Schließlich sind Zielgruppen nichts anderes als Menschen mit ähnlichen Bedürfnissen. Dringend unterschieden werden muss bei der Erörterung der Zielgruppenbedürfnisse zwischen angenommenen und tatsächlichen Bedürfnissen. Zu häufig meint insbesondere der Vertrieb, die Bedürfnisse der Kunden zu «kennen» und ebenso häufig ist zu erleben, dass dieses vermeintliche Kennen keineswegs über eine Grundlage verfügt, es vielmehr den Annahmen des Vertriebs entspringt.
Erst jetzt ergibt es einen Sinn, über das Leistungsangebot zu sprechen. Eine wirksame Wachstumsstrategie beginnt also nicht mit der Frage «Wir haben folgendes Angebot, wie können wir es in den Markt drücken?», sondern sie beginnt mit der Frage nach den Zielgruppen und ihren Bedürfnissen. Das Angebot schließt sich an. Basierend auf den Kernkompetenzen stellt sich die Frage, welche Produkte und Leistungen geschmiedet werden können, um die tatsächlichen Bedürfnisse der Zielgruppe zu treffen. Das Ergebnis der Erörterung ist idealerweise eine perfekte Passung. Zwischen dem Leistungsangebot und der Zielgruppe gibt es vermutlich einige Barrieren, die es zu diskutieren und zu überwinden gilt. Auch die Frage nach dem Wettbewerb, der voraussichtlich nicht tatenlos zuschauen wird, wie das Unternehmen den Markt erobert, ist zu stellen. Wer also ist theoretischer Wettbewerb, wer ist relevanter Wettbewerb? Zwischen Angebot und Zielgruppe gilt es auch, die preisliche Positionierung für das Leistungsangebot festzulegen. Dabei kommt es nicht auf genaue Beträge an, sondern es geht darum, im Einklang mit der Grundstrategie (Kostenführer, Leistungsführer, Innovationsführer) einen kompatiblen Preiskorridor zu definieren. Auch der Vertriebsweg ist Bestandteil der strategischen Erörterung. Soll ein Direktvertrieb erfolgen? Wird ein Außendienst eingesetzt? Wird es Filialen oder Niederlassungen geben, wenn ja, sind diese gleichberechtigt oder weisen sie ein unterschiedliches Leistungsspektrum auf? Wie werden die elektronischen Medien genutzt, wenn überhaupt? All dies sind Fragen, deren richtige Beantwortung nur über die Betrachtung der Zielgruppe erfolgen kann. Erst jetzt – und das unterscheidet eine wirkungsvolle Wachstumsstrategie von einer weniger wirkungsvollen – wird die interne Welt betrachtet. Die Fragen, die es zu stellen gilt, sind: Welches sind die zielführenden Prozesse, um das strategisch Beschlossene effektiv an den Markt zu bringen? Welche Organisation benötigen wir dazu? Welche Systeme helfen der Organisation? Weniger wirkungsvolle Wachstumsstrategien starten mit diesen Fragen und sind damit egozentriert. Wirkungsvolle Wachstumsstrategien ordnen die interne Welt der externen Welt unter und sind damit zielgruppenzentriert.
6. Die erfolgreiche Realisierung
Man darf valide davon ausgehen, dass die Erarbeitung einer Wachstumsstrategie Veränderungen mit sich bringt und nicht nur selbstgefällig Bestehendes bestätigt. Daher werden Veränderungsprojekte erforderlich, bei denen es einerseits wichtig ist, dass sie realisiert werden und bei denen andererseits zu betrachten ist, dass sie mit dem limitierenden Faktor «Zeit» in Wettbewerb stehen, schließlich ist davon auszugehen, dass die Mitarbeiter, die in den Projekten wirken sollen und wollen, bereits zuvor nicht über Langeweile geklagt haben. Auch hier ergibt sich ein wesentliches Differenzierungsmerkmal zu unwirksamen Wachstumsstrategien, die bei der Konzeption enden. Wirksame Wachstumsstrategien zeichnen sich durch ein Realisierungsprojekt aus, das erstens durch die Unternehmensführung mit einer hohen Priorität ausgestattet ist, so dass bei Ressourcenengpässen die Antwort auf die Frage, was Priorität hat, schnell gegeben werden kann, und das zweitens durch die Unternehmensführung hautnah begleitet wird. Mag dies auch Zusatzaufwand für die Unternehmensführung sein, ist festzuhalten, dass «Strategie» schließlich hoheitliche Aufgabe eben jener Unternehmensführung ist. Ein Zaudern an dieser Stelle ist also keine Option. «Zupacken» lautet die Parole, denn das ist es, was Mitarbeiter begeistert.
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