“Wir wollen etwas dagegensetzen”

Keine Kommentare Lesezeit:

Mittelstand gegen Konzerne, Provinz gegen Metropolen, Handwerk gegen “hippe Berufe”: Ist damit ausgemacht, wer zu den Verlierern im Kampf um Fachkräfte zählt? Ein weithin beachtetes Gegenbeispiel findet sich in Lübeck. Das Unternehmergespräch mit Gülten Bockholdt von der Bockholdt KG.

 

Frau Bockholdt, Ihr Unternehmen findet sich in unserem Ranking der größten Familienunternehmen. Was überwiegt, wenn man mit seinem Familiennamen für ein großes Unternehmen steht: Der Stolz oder die Last der Verantwortung?

Man kann viel bewegen – daher überwiegt definitiv die positive Seite. Aber natürlich hat man – wie wir als fünftgrößter Arbeitgeber in Schleswig-Holstein – auch eine große soziale Verantwortung für viele tausend direkt und indirekt betroffene Menschen. Daher ist man als Familienunternehmer jederzeit in einer Doppelfunktion unterwegs und muß einer gewissen Vorbildfunktion gerecht werden. Ich würde also sagen: Stolz und Verantwortung ergänzen sich.

Was bedeutet „soziale Verantwortung“ für Sie ganz konkret?

Soziale Verantwortung sind auf der einen Seite die vielfältigen Engagements, die so viele Familienunternehmen, manchmal unbemerkt von der Öffentlichkeit, leisten – und auch leisten sollten, wie ich meine. Bei uns ist das die aktive Mitgestaltung gesellschaftlicher Projekte aus den Bereichen Bildung, Sport und Kultur, insbesondere mit dem Ziel, Kinder und Jugendliche zu fördern. Aber die größte soziale Verantwortung ist die für die Mitarbeiter. Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.

 

“Alle wollen die Reinigung ihrer Büros, aber kaum einer will es sehen”

 

Das sagen alle und müssen es auch, da der Kampf um die besten Fachkräfte in vollem Gange ist.

Natürlich verbinden sich in der konsequenten Qualifizierung und Weiterentwicklung die unternehmerischen als auch die persönlichen Mitarbeiter-Ziele. Aber gerade unsere Branche bietet auch Geringqualifizierten und Geringverdienern eine Perspektive, und hier sind wir ganz besonders aktiv. Dieser Gesellschaftsschicht bieten wir mit umfangreichen Qualifizierungsprogrammen echte Karrierechancen. Um es einmal allgemein auszudrücken: Das ist eine gesamtgesellschaftliche Leistung von vielen Familienunternehmen, die gar nicht hoch genug einzuschätzen ist.

 

Gülten Bockholdt und ihr Mann Jan haben das Familienunternehmen 2008 durch Kauf erworben. Das Unternehmen ist mit rund 6.000 Mitarbeitern an 16 Standorten in Norddeutschland aktiv.
Gülten Bockholdt und ihr Mann Jan haben das Familienunternehmen 2008 durch Kauf erworben. Das Unternehmen ist mit rund 6.000 Mitarbeitern an 16 Standorten in Norddeutschland aktiv.

 

Haben Sie darüber hinaus als Gebäudedienstleister Schwierigkeiten, sich im „Kampf“ um die Talente und Berufseinsteiger durchzusetzen?

Es stimmt schon: Alle wollen die Reinigung ihrer Büros, Gebäude und Anlagen, aber kaum einer will es sehen. Völlig zu Unrecht ermangelt die tägliche Leistung unserer Mitarbeitenden einer positiven Reputation. Wir wollen etwas dagegensetzen und unser Handwerk – denn dies ist es – wieder in den Fokus rücken. Denn die klassische Gebäudereinigung ist ja nur ein kleiner Ausschnitt unseres Tuns. Hauptsächlich sind wir mittlerweile mit hochspezialisierten Aufgaben betreut, wie beispielsweise unserem Kletterteam, der Industriereinigung oder im Klinikbereich. Das sind Spezialleistungen, die nur von Spezialisten qualitativ hochwertig ausgeführt werden können. Diese abwechslungsreichen und spannenden Facetten und die damit einhergehenden echten Karrierechancen immer wieder in das Sichtfeld zu rücken ist ganz klar unser Ziel.

Was tun Sie konkret, um dies bekannt zu machen?

Wir beginnen ganz früh, uns mit unseren Vorteilen bemerkbar zu machen, beispielsweise mit Schulaktionen, Roadshows oder Schnuppertagen. Dass der Beruf des Gebäudereinigers ein Ausbildungsberuf im Handwerk mit attraktiven Karrieremöglichkeiten ist, wissen nämlich im Grunde nur die Wenigsten. Ein gutes Beispiel dafür ist unser Technischer Leiter: Als ehemaliger Gebäudereiniger-Azubi wurde er erst Vorarbeiter, dann Objektleiter und machte seinen Meister. Nach sechs Jahren als Niederlassungsleiter wurde er Technischer Leiter und ist nun seit 2015 Mitglied der Geschäftsleitung unseres Unternehmens. Karrierechancen sind keine Einzelschicksale, sondern bei uns überall anzutreffen, und diese kommunizieren wir auf allen Wegen.

 

“Die Wertschätzung der Mitarbeiter und ihre Lebensqualität verbessern”

 

Wie gestalten Sie bei Bockholdt diesen Qualifizierungsprozess?

Wir haben eine unternehmenseigene Akademie aufgebaut, in der seit 2008 rund 5.000 Mitarbeitende in über 100.000 Stunden in 60 verschiedenen Schulungsmodulen weitergebildet wurden. Dabei gehen wir so vor, dass wir die bisherige Qualifizierung und Weiterentwicklungsbereitschaft unserer angelernten Reinigungskräfte ermitteln, um so passgenaue Schulungen anzubieten. Diese Fachkräftesicherung aus den eigenen Reihen fördern wir nachhaltig durch unseren Talentpool und haben auch ein eigenes Programm “bestechancen@bockholdt” aufgelegt.

Neben dem Finden gehört auch das Halten der dann gut weitergebildeten Mitarbeiter zu den Schwierigkeiten, die viele Unternehmen kennen. Was tun Sie gegen Fluktuation? 

In erster Linie erhöhen wir aktiv die Wertschätzung für die Arbeit unserer Mitarbeiter und ihre Lebensqualität mit ganz konkreten Maßnahmen. Da schließt sich quasi innerbetrieblich die Herausforderung, der wir uns auch in der Außendarstellung des Berufsbildes verschrieben haben.

Wichtig ist hierbei, dass auch diese Maßnahmen nicht “von oben herab”  bestimmt, sondern nur initiiert werden. Unsere “Bockholdt-Familie” – wie wir unser Unternehmen nennen – ist schließlich wirklich groß: Wir beschäftigen rund 6.000 Mitarbeiter. Das Umsetzen dieser Unternehmenskultur ist hierarchisch nur möglich, wenn wir die Betroffenen zu Beteiligten machen und sie in die verschiedenen Fragestellungen und Prozesse einbinden. Dieser Umbruch in der Unternehmenskultur hat bei unseren Mitarbeitenden einen Verhaltenswandel von Befehlsempfängern zu aktiv Mitgestaltenden bewirkt. So ist z. B. unser Wertesystem eine rein von den Mitarbeitenden erarbeitete Leitlinie.

 

“Letztlich einen klaren Mehrwert für alle Beteiligten”

 

Wertschätzung ist schön, aber was bedeutet das konkret im Geschäftsalltag?

Ein Beispiel: Derzeit wird unsere Dienstleistung beispielsweise überwiegend in den Früh- und Abendstunden außerhalb des Betriebsablaufes unserer Kunden erbracht. Wir streben die Umstellung auf eine Tagesreinigung an, da sie für alle Seiten Vorteile bietet. Für unsere Mitarbeitenden bedeutet die Umstellung eine wesentliche Steigerung der Lebensqualität: Die Arbeitszeiten verlagern sich in die Tagesstunden und damit in ein Zeitfenster, dass die uneingeschränkte Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ermöglicht. Ein größeres Zeitfenster ermöglicht uns zudem den Einsatz von mehr sozialversicherungspflichtigen Mitarbeitenden.

Indem ihre Arbeit direkt von den Kunden wahrgenommen wird, erfahren sie darüber hinaus auch ganz spürbar mehr Anerkennung – Kundenwünsche können einfach kurz besprochen werden und es kann auch mal gelobt werden. Da die Dienstleistung dann nicht mehr anonym bleibt, sondern in das Gesichtsfeld der Kunden rückt, wird die Reinigung an sich und damit die gesamte Vielfalt des Berufes sichtbar. Auf diesem Weg wird das Image des Berufsstandes Gebäudereiniger, das derzeit in der Gesellschaft nur eine geringe Akzeptanz erfährt, positiv besetzt und als anerkannter Beruf wahrgenommen.

 Würden Sie sagen, dass es für die Mitarbeiter, aber auch für die Kunden, einen Unterschied macht, mit Ihnen als Familienunternehmen zusammen zu arbeiten? Und wenn ja – worin besteht er?

Ganz gewiß. Familienunternehmen sind gelebte Kundennähe, persönlicher Kontakt, flache Hierarchien und schnelle Entscheidungen – und die starke Verwurzelung in unserer Heimat. Bei Familienunternehmen bekommt das Geschäft „ein Gesicht“. Man weiß, mit wem man es zu tun hat und kann sich daher auf fairen Umgang – übrigens beiderseits – verlassen. Gerade bei uns im Norden gilt dieser Zusammenhalt und das Wertegerüst der Kaufleute noch viel.

Langfristigkeit ist dabei auch ein wichtiges Thema: Wir denken nicht in Abschlussquartalen, sondern in Generationen. Wir sind überzeugt, dass sich Ökologie, Ökonomie und Instrumente zur sozialen Sicherung unserer Mitarbeitenden und der Gesellschaft hervorragend in unserer Unternehmenskultur kombinieren lassen und letztlich einen klaren Mehrwert für alle Beteiligten mit sich bringen.

 

Die Bockholdt KG ist mit rund 6.000 Mitarbeitenden an 16 Standorten in Norddeutschland aktiv. Zu den Leistungen gehören innovative Spezialreinigungen für Gebäude, Industrie und Kliniken und damit individuelle Branchenlösungen für Handel, Verwaltung, Produktion, Gesundheitswirtschaft, Tourismus und Logistik. Bockholdt konzentriert sich seit Generationen auf Sauberkeit im Norden.
Bockholdt KG
Gutenbergstraße 10, 23566 Lübeck
Tel: (0451) 6000 60
info@bockholdt.de

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Language