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Die zwei Gesichter des Lean Management
Lean Management, meist im Sinn von Lean Production gebraucht, gilt als typischer innovativer Erfolgsbringer in den Unternehmen. Wenn man mit kaufmännischen Augen auf die Parameter „schneller, sicherer, günstiger in den schwarzen Zahlen“ schaut, zeigen die meisten Beispiele oft beispielhafte Erfolge – zum betrieblich innovativen Nachahmen geeignet. Doch es gibt auch das andere Gesicht.
Die Herkunft von Lean Management aus der Automobil-Industrie zeigt die im Vordergrund stehenden Ingenieur-Qualitäten des Lean Management: Prozesse sind zu gestalten und zu optimieren. Dazu sind Kosten möglichst exakt zu erfassen und zu minimieren. So treffen sich Ingenieure und Betriebswirte, um – heute stark mit dazu meist nötigem hochwertigem IT-Einsatz – die schwarzen Zahlen hochzutreiben.
Kein Beitrag für innovative Ideen
Im Bereich der Automobilzulieferung kann dieses Vorgehen schnell den kostensparenden Rettungsanker für erzwungen niedrige Erlöse sein. Oder im Unternehmen als die „technisch erzwingbare“ Gewinngarantie gesehen werden, denn ordentliche Lean Production-Lösungen lassen sich nun einmal überzeugend rechnen. Das ist das lächelnde Gesicht des Lean Management und der Lean Production.
Das andere Gesicht: das in der sehr üblichen „Ingenieurs-orientierten Version“ häufige Übersehen bzw. hintan stellen der Bedeutung einer ganzen Reihe von weiteren unternehmerischen Erfolgsfaktoren. Dies kann Einführungsprozesse verlangsamen, spätere Leistungen mindern, und Folgeprobleme zeigen, z.B. dass das Unternehmen aus den Augen verliert, das eine erfolgreiche Lean Production selber in einem dynamischen und innovativen Markt läuft. Gute Lean Production kann wunderbar für KVPs helfen – aber für das Schaffen von Strategien für innovative Produkte leistet es keine Beiträge.
Eine Checkliste
Die Literatur weist auf viel umfänglichere unternehmerische Erfolgsfaktoren und Möglichkeiten des Lean Management hin, als sie das üblicherweise eingesetzte technische-BWL-Lean Management umsetzt. Die Fülle der – meist zu Gunsten „einfacherer“ stärker technisch-kaufmännischer Vorgehensweisen vernachlässigten – Potentiale des Lean Managements zeigt eine Liste von Graf-Götz, Glatz: aus dem Buch „Organisation gestalten“ (2003):
- Ausrichtung aller Tätigkeiten auf den Kunden (Kundenorientierung)
- Konzentration auf die eigenen Stärken
- Optimierung von Geschäftsprozessen
- Ständige Verbesserung der Qualität (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, KVP)
- Interne Kundenorientierung als Unternehmensleitbild
- Eigenverantwortung, Empowerment und Teamarbeit
- Dezentrale, kundenorientierte Strukturen
- Führen ist Service am Mitarbeiter
- Offene Informations- und Feedback-Prozesse
- Einstellungs- und Kulturwandel im Unternehmen (Kaikaku)
Aus dieser Sicht enthält „Lean Management“ auch die Schaffung von technisch-betriebswirtschaftlicher Hochleistung mittels „Lean Production“. Aber das Zentrum liegt in den aufgestellten 10 Punkten der vorstehenden Liste. Viele Unternehmen nehmen in ihrer Management Praxis nicht wahr, wieweit ein toll gemachtes Lean Production Management von den ganzheitlichen Wertschöpfungen eines echten Lean Management entfernt sein kann.
Probleme im Bereich der Arbeitskulturen
Der Blick auf die Prozesse verstellt z.B. schnell die Wahrnehmung der vielen menschlichen Faktoren, ohne die manche Erfolge nicht zu erreichen sind. So ist es z.B. typisch, dass bei der Umstellung eines Produktionsbereichs auf „Lean“, große Probleme im Bereich der Mitarbeiter-Einstellungen und Arbeitskulturen entstehen (Sh. Punkt 10 oben), die im Regelfall in den Unternehmen kaum berücksichtigt werden, nach dem Motto: „das Neue wird in einem Kurs gelehrt – mehr braucht es nicht“. Da oft das technisch-BWL-orientierte Management in den Umstellungen keinen Sinn für diese Mitarbeiter Probleme hat, wird meistens dann nur darüber geklagt, dass die Mitarbeiter nicht so funktionieren wie sie sollten.
So werden oft betriebliche Führungskräfte und Mitarbeiter, die aus einem traditionellen Verständnis von Arbeitsabläufen und Qualität kommen, in eine neue IT „eingewiesen“ – wobei sie mit ihrem alten Ablauf-Verständnis allein gelassen werden. Dann entstehen z.B. Belegschaften, die nur 30% der Funktionen kennen und verstehen – mit all den Risiken für Sonderfälle und unerwartete Betriebsstörungen. Das Einführen neuer technischer Verfahren ohne dabei die für den Betrieb zuständigen Führungskräfte und Mitarbeiter „mit zu nehmen“ – eine Schlüssel Voraussetzung für reibungslosen Betrieb bei guter Laune – erweist sich oft Minderung des Innovationserfolgs.
Eine technische Sicht, die technische Innovationen verstellt
Der Punkt 1 der Liste, „Ausrichtung aller Tätigkeiten auf den Kunden (Kundenorientierung)“ ist ein Beispiel dafür, wie das “Hochwertige Lean Production schaffen“ selber an den eigentlichen zu lösenden Aufgaben vorbeigehen kann. In einem großen Unternehmen voller technisch leistungsfähiger Prozesse, hörte ich die dogmatische Aussage der Leitung:“Unsere Vertriebsleute sollen Einheiten schreiben, nicht mit den Kunden über Probleme reden. Über Produkte reden unsere Techniker mit den Technikern“. Das ist technische Sicht, die technische Innovationen verstellt. In solchen Fällen kann hochwertiges Lean Production Management im selben Unternehmen neben einem Verbot von gezielter und speziell zu schulendem „Lean Kunden Management“ stehen. Hier ist Raum für innovative Gestaltung.
Wenn Sie solche Fragen zu Ihrem Unternehmen stellen wollen: benutzen Sie einfach mit ein wenig Fantasie die obigen 10 Punkte als eine erste kleine Checkliste. Mein Anliegen: da „Lean Management“ so viele Potentiale für die innovative Unternehmensentwicklung in sich trägt … inspirieren Sie sich über Möglichkeiten und typische Verhinderungen.
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