Wie man innovative Mitarbeiter erkennt und auswählt

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Dass Unternehmen, die Innovationen generieren möchten, innovative Mitarbeiter beschäftigen sollten, ist trivial. Doch wie lassen sich innovative Mitarbeiter erkennen und rekrutieren? Eine innovationsorientierte Personalauswahl macht dies möglich. Von Professor Dr. Martin Kaschny.

Die innovationsorientierte Personalauswahl wählt Mitarbeiter mit spezifischen Persönlichkeitsmerkmalen, kognitiven Fähigkeiten sowie arbeitsbezogenen Kompetenzen und Fähigkeiten aus. Für die Auswahl stehen verschiedene eignungsdiagnostische Instrumente zur Verfügung.

Der Mensch als Innovationsträger

Die große Bedeutung von Innovationen für die Sicherung von Wettbewerbsvorteilen und den Unternehmenserfolg ist unbestritten. Die sich kontinuierlich veränderndenpolitischen, ökonomischen, technologischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen drücken sich für Unternehmen u.a. in steigendem Konkurrenzdruck,der Erfordernis kürzerer Amortisationszeiten oder größerer Flexibilität aus. Derartige Herausforderungen können Unternehmen nur annehmen, wenn sie innovativ sind, neue Ideen entwickeln und umsetzen. Dies wiederum ist nur mit Hilfe menschlicher Fähigkeiten möglich. Der Mensch steht somit im Mittelpunkt von Innovationen und nimmt in jeder Phase des Innovationsprozesses eine bedeutende Rolle ein: Er generiert Ideen, treibt diese voran und setzt sie schließlich um. Dabei ist Kreativität, also die Erzeugung von Ideen, insbesondere beim Entstehen einer Innovation erforderlich; sie ist hier ein unverzichtbarer Teil des Innovationsprozesses. Die Integration menschlicher Fähigkeiten, wie beispielsweise dieVorstellungskraft bezüglich künftiger Entwicklungen, Engagement, Entscheidungsfähigkeit sowie die Steuerung komplexer Prozesse, ist für die tatsächliche Implementierung von Innovationen essenziell. Die Innovationskraft eines Unternehmens ist dementsprechend abhängig von der Ausstattung mit kreativen und innovativen Mitarbeitern.

So sehen kreative und innovative Mitarbeiter aus

Um den innovativsten Bewerber aus einer Masse von Stellensuchenden auswählen zu können, muss zunächst ein Bewusstsein darüber bestehen, was einen innovativen Mitarbeiter von einem nicht-innovativen Mitarbeiter unterscheidet.Eine Vielzahl verschiedener Merkmale werden in der Wissenschaft einerinnovativen Person zugeschrieben. Diese können im Rahmen der Personalauswahl als Prädiktoren für innovatives Verhalten eingesetzt werden.  Nachfolgend werden drei Gruppen von Merkmalen aufgezeigt, die auf kreative und innovative Mitarbeiter hinweisen.

1.: Persönlichkeitsmerkmale und Motivation

Seit mehreren Jahrzehnten beschäftigt sich die Kreativitäts- und Innovationsforschung damit, den Zusammenhang zwischen bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und kreativem bzw. innovativem Verhalten zu bestimmen. Die Wissenschaft ist sich jedoch nicht völlig einig, welche Merkmale zu innovativem Verhalten gerhören und wie sie zu gewichten sind.Nachfolgend einigewichtige Merkmale:

  • Kreative Persönlichkeit: Diese wird unter anderem durch die Persönlichkeitsmerkmale ambitioniert, zuversichtlich, unkoventionell, ausdrucksvoll, dominant, flexibel, erfinderisch, originell, vielseitig interessiert und selbstsicher beschrieben.
  • Offenheit für Neues
  • Extraversion
  • Positive Selbstevaluation: Diese beinhaltet die kreative Selbwirksamkeitserwartung (Ausmaß, zu dem Arbeitnehmer daran glauben, kreative Lösungen entwickeln zu können) und die kreative Rollenidentität (Ausmaß der Identifikation als kreative Person)
  • Proaktive Persönlichkeit
  • Intrinsische Motivation

2.. Kognitive Fähigkeiten

Auch bezüglich des Zusammenhangs zwischen Kreativität und Intelligenz gibt es bis heute kein eindeutiges Ergebnis. Guilford (1950) war der erste Wissenschaftler, der kreatives Denken als separaten Teil intellektueller Fähigkeiten untersuchte und Kreativität als Teilkonstrukut der Intelligenz bezeichnete. Er kam zum Ergebnis, dass kreative Personen Fähigkeiten des divergenten Denkens besitzen. Divergentes Denken zielt darauf ab, vielfältige Lösungen hervorzubringen, wohingegen  konvergentes Denken die Fähigkeit beschreibt, die eine korrekte Lösung möglichst schnell zu identifizieren.“ Die Fähigkeit divergenten Denkens kann mit den Parametern„Flüssigkeit“, „Flexibilität“ und „Originalität“ operationalisiert werden. „Flüssigkeit“ bewertet die Anzahl der „richtigen“ Lösungen, „Flexibilität“ beschreibt die Bezugnahme auf unterschiedliche Inhaltskategorien und „Orginalität“ bezieht sich auf die Seltenheit der genannten Lösungen. Durch den Einsatz kognitiverKreativitätstests (z.B. Torrance Test of Creative Thinking)kann diese Fähigkeit gemessen werden.

Inzwischen haben sich zahlreiche weitere Wissenschaftler mit dem Zusammenhang von Kreativität und Intelligenz beschäftigt und unterschiedliche Theorien entwickelt. Einige dieser Studienkonstatieren nur einegeringe Korrelationzwischen Kreativität und Intelligenz, andere weisen dagegen Zusammenhänge zwischen bestimmten Bereichen der Intelligenz (etwa verbalem Schlussfolgern) und Kreativität bzw. divergentem Denken aus. Auch wenn der genaue Zusammenhang zwischen Kreativität und Intelligenz umstritten bleibt,besteht mehrheitlich die Auffassung, dass eine positive Beziehungzwischen beiden Konstruktenvorliegt. Intelligenz kann als notwendige, nicht aber als hinreichende Bedingung für kreative und innovative Leistungen beschrieben werden.

3:. Arbeitsbezogenes Wissen, Kompetenzen und Fähigkeiten

Korrelationen konnten darüber hinaus zwischen Wissen und innovativen Leistungen festgestellt werden.  Innovative Mitarbeiter weisen insbesondere domänenspezifisches und breit gefächertes Wissen auf. Bemerkenswert ist, dass zwischen Innovation und Wissen ein umgekehrter U-förmiger Zusammenhangbesteht:nicht nur zu geringes, auchzu viel Wissen wirkt kreativitätshemmend. Wie Intelligenzist Wissen für die Generierung einer Innovation notwendig, allein jedoch nicht ausreichend. Schließlich sind auch Sozial- und Führungskompetenzen grundlegend, insbesondere für die Implementierung von Innovationen.

Erforderliche Qualifikationen und Kompetenzen im Innovationsprozesses

Eine Innovation entsteht in mehreren Schritten. Thom (1980) untergliedert den Innovationsprozess in die drei Teilprozesse Ideengenerierung, Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung. Im Verlauf des Innovationsprozesses werden von den Mitarbeitern verschiedene Qualifikationen verlangt. Während für die Ideengenerierung Kreativität die entscheidende Komponente ist, nehmen bei der Ideenakzeptierung und Ideenrealisierung Wissen sowie Sozial- und Führungskompetenzen eine bedeutendere Rolle ein. Soziale Kompetenzen werden vor allem im Rahmen der Ideenakzeptierung benötigt, da in dieser Phase ein Interessenausgleich zwischen Ideenträger und Ideenumsetzer geschaffen werden muss. Für die Implementierung der entwickelten Ideen sind neben Sozialkompetenzen wie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit auch Führungskompetenzen wie Monitoring-Fähigkeiten unabdingbar.

Instrumente zur Auswahl innovativer Mitarbeiter

Innovative Mitarbeiter zeichnen sich unter anderem dadurch unvorhergesehene und neue Verhaltensweisen aus. Eine Personalauswahl, die auf spezifische Verhaltensmerkmalen abstellt, ist deshalb problematisch. Der Fokus sollte stattdessen auf Persönlichkeitsmerkmalen, kognitiven Fähigkeiten sowie arbeitsbezogenen Kompetenzen liegen, die einen innovativen Mitarbeiter ausmachen. Hier können verschiedene eignungsdiagnostische Instrumente zum Einsatz kommen. Die Abbildung zeigt, welche Auswahlinstrumente für die Überprüfung welcher Eigenschaft, Fähigkeit oder Kompetenz geeignet sind.

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In der ersten Spalte werden verschiedene Personalauswahlinstrumente aufgelistet. Die Reihenfolge der Instrumente gibt Aufschluss über ihre Validität hinsichtlich der Auswahl innovativer Mitarbeiter. Schuler et al. (1995) kamen im Rahmen einer empirischen Studie im Bereich Forschung und Entwicklung zum Ergebnis, dass biografische Fragebögen, Rollenspiele, Interviews sowie allgemeine Persönlichkeitstests die größte Voraussagekraft haben.  Für die Instrumente „Probearbeiten“, sowie „Analyse der Unterlagen“, wurden keine Validitäten ausgewiesen.

In der Kopfzeile der Abbildung werden die analysierten Persönlichkeitsmerkmale, kognitiven Fähigkeiten sowie arbeitsbezogenen Kompetenzen eines innovativen Mitarbeiters genannt. Ob ein Instrument für die Überprüfung einer bestimmten Komponente geeignet, bedingt geeignet oder nicht geeignet sein dürfte wird in der Tabelle nach Plausibilitätsprüfung unterschieden. So ist beispielsweise ein Persönlichkeitstest geeignet, um die grundlegenden Persönlichkeitseigenschaften eines innovativen Mitarbeiters sowie Sozial- und Führungskompetenzen zu überprüfen, jedoch nicht geeignet für die Analyse kognitiver Fähigkeiten. Intelligenz kann beispielsweise mithilfe einschlägiger Fragen im Rahmen eines Interviews bewertet werden, es ersetzt jedoch nicht die Messung des Intelligenzquotienten. Ein Instrument gilt in der Tabelle auch dann als bedingt geeignet, wenn die Überprüfung eines Merkmals nur bei bestimmten Aufgabenstellungen möglich ist. Wird beispielsweise im Rahmen einer Präsentationsaufgabe eine Selbstpräsentation verlangt, so kann diese neben der Überprüfung arbeitsbezogener Faktoren auch Aufschluss über Persönlichkeitsmerkmale geben.Die Auswahlinstrumente sind nach steigender Validität aufgelistet.

Die Abbildung macht deutlich, dass es kein Instrument gibt, mit dem alle Aspekte überprüft werden können, die einen innovativen Mitarbeiter ausmachen. Aus Kosten- und Akzeptanzgründen ist es sinnvoll, nicht alle aufgeführten Instrumente einzusetzen, sondern einzelne sinnvoll zu kombinieren. Nach Auffassung der Autoren empfiehlt es sich vor allem, einen biografischen Fragebogen und einen Persönlichkeitstest einzusetzen, der innovationsbeeinflussende Persönlichkeitsmerkmale abdeckt. An dieser Stelle sei angemerkt, dass es inzwischen biografische Fragebögen (z.B. denCreative Achievement Questionnaire), sowie Persönlichkeitstests (z.B. den Innovation Potential Indicator) gibt, die in Hinblick auf die Innovationsfähigkeit eine hohe Validität und Reliabilität haben. Aufgrund der hohen Validität und der Möglichkeit, Persönlichkeitsmerkmale, Wissen sowie Sozial- und Führungskompetenzen abzufragen, sollte weiterhin ein Einstellungsinterview durchgeführt werden. Die Fachliteratur nennt hier bestimmte Fragestellungen, die Aufschluss über das Kreativitätspotenzial sowie die Fach- und Führungskompetenzen des Bewerbers geben können. Es liegt die Vermutung nahe, dass spezifische Denkfähigkeiten, etwa divergentes Denken, eine hohe Vorhersagekraft für kreative und innovative Leistungen haben.Dementsprechend könnte zur Überprüfung kognitiver Fähigkeiten ein Kreativitätstest (divergentes Denken) einem allgemeinen Intelligenztest vorgezogen werden. Schon bei der Analyse der Bewerbungsunterlagen lassen sich Hinweise auf Innovationsfähigkeit finden: Forschungsarbeiten und Publikationenhaben eine Aussagekraft für wissenschaftliche Kreativität und auch die Anzahl eingereichter und erhaltener Patente korreliert mit Kreativität.

Umsetzung in der Praxis

In der Praxis sollte berücksichtigt werden, dass es bei keiner Tätigkeit nur um Kreativität und Innovationskraft geht. Für jede Stelle sind weitere Faktoren wichtig, die von der Position in der Hierarchie, der Branche und dem Charakter des Unternehmens abhängig sind. Die skizzierte Vorgehensweise bei der Auswahl von innovativen Mitarbeitern sollte deshalb vor allem als Orientierung dienen und der genaue Auswahlprozess auf die zu besetzende Stelle unddie Art der dort zu erbringenden Innovationsleistungausgerichtet werden.Bei der Kombination der Instrumente sollte der trimodale Ansatz der Eignungsdiagnostik von Schuler berücksichtigt werden. Er gehtdavon aus, dass durch die Verbindung einer eigenschafts-, simulations- und biografieorientierten Vorgehensweise die Validität von Eignungsdiagnosen verbessert werden kann.Der Eigenschaftsansatz bezieht sich auf den Einsatz von Testverfahren, der Simulationsansatz erfasst das für den Arbeitsplatz typische Verhalten und der biografische Ansatz zieht durch die Abfrage bisheriger Leistungen Rückschlüsse auf zukünftige Leistungen. In einer explorativen Befragung von Experten stellten die Autoren fest, dass bei Personalfachleuten das Wissen über dieMerkmale innovativer Mitarbeiter sowie über geeignete Auswahlverfahrennicht immer ausreichend ist. Der Auswahl innovativer Mitarbeiter werde insbesondere bei Entwicklungsingenieuren zu wenig Bedeutung beigemessen. Es sollte deshalb ein größeres Bewusstsein für die Bedeutung einer innovationsorientierten Personalauswahl geschaffen werden. Neben Personalfachleuten sollten sich auch die Führungskräfte von Fachabteilungen über das genaue Anforderungsprofil für einen innovativen Mitarbeiter sowie über die Eignung bzw. Nicht-Eignung bestimmter Auswahlinstrumente bewusst sein.

 Grenzen eines innovationsorientierten Auswahlverfahrens

Der Einsatz einer innovationsorienten Personalauswahl muss in der Praxis gut geplant und durchdacht sein. Es werden nicht immer die gleichen Anforderungen an Kreativität und Innovationskraft gestellt und es müssen in jedem Fall weitere stellenabhängige Faktoren berücksichtigt werden. Daherkann es kein allgemeingültiges Modell zur Auswahl innovativer Mitarbeiter geben. Zu beachten ist darüber hinaus, dass eine innovationsorientierte Personalauswahl durch den Einsatz von verschiedenen Instrumenten einen erheblichenzeitlichen und finanziellenAufwand verursacht. Fernen gilt es zu vergegenwärtigen, dass die Innovationskraft eines Unternehmens nicht allein durch die Auswahl innovativer Mitarbeiter beeinflusst werden kann. Empirische Untersuchungen belegen, dass kreative Leistungen von Mitarbeitern auch von der Zusammensetzung des Teams sowie von organisationsbedingten Faktoren wie der Unternehmenskultur und dem Vorgesetzten abhängig sind. Die Steigerung der Innovationskraft durch den Einsatz des Instruments ‚Auswahl innovativer Mitarbeiter‘ stößt hier naturgemäß an ihre Grenzen. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass der Einsatz spezifischer Instrumente zur Messung von Kreativität und Innovationsfähigkeit durchaus umstritten ist. So wird kritisiert, dass Kreativitätstests „richtige“ und „falsche“ Antwortenkennen und es schwierig sei zu beurteilen, ob eine Lösung angemessen ist.Auch die Messung der Originalität und die Festlegung eines Grenzwertes sei problematisch. Neben Kreativitätstests sind Persönlichkeitstests ein bedeutendes Instrument für die Auswahl innovativer Mitarbeiter. Auch hier ist Vorsicht geboten: Wissenschaftliche Studien haben keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen bestimmten  Persönlichkeitsdimensionen und kreativen und innovativen Leistungen belegen können. So besteht die Gefahr, dass nicht aussagekräftige Persönlichkeitsmerkmale zur Grundlage der Mitarbeiterauswahl gemacht werden.

Fazit

Eine innovationsorientierte Personalauswahl kann die innovativen Leistungen der Mitarbeiter steigern und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass für den Unternehmenserfolg wichtige Innovationen generiert werden.Die innovationsorientierte Personalauswahl darf deshalb als ein Mittel zur Steigerung des Unternehmenserfolgs und zur Verbesserung der Wettbewerbssituation gelten. Aufgrund des vergleichsweise hohen planerischen und finanziellen Aufwands, der mit der Auswahl innovativer Mitarbeiter einhergeht, sollte ein bedarfsgerechter Einsatz vorgenommen werden und das Auswahlverfahren primär bei Stellenbesetzungen zum Einsatz kommen, die ein hohes Maß an Kreativität und Innovativität fordern.

Prof. Dr. Martin Kaschny, Faculty of Business & Management, Entrepreneurship an der HOCHSCHULE KOBLENZ, University of Applied Sciences.

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