Agilität als Überlebensstrategie: Wie Unternehmen in der Wirtschaftskrise bestehen

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Die aktuelle wirtschaftliche Unsicherheit – geprägt durch globale Konflikte, Handelshürden und sinkende Investitionsbereitschaft – zwingt Unternehmen zu mehr Anpassungsfähigkeit. Agile Methoden heute nicht nur Innovationsmotor, sondern Überlebensgarant.

Von Malte Foegen

Der Duden definiert „Agilität“ als „von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“. Auf Organisationen übertragen, bezeichnet der Begriff die Fähigkeit, schnell und kontrolliert auf veränderte Marktbedingungen oder neue Kundenanforderungen zu reagieren. Sie basiert auf den Prinzipien des Lean Thinking und integriert damit Wirtschaftlichkeit als zentrales Element. Agilität bedeutet also nicht planloses Handeln, sondern die bewusste Balance aus Beweglichkeit und zielgerichtetem Vorgehen.

Der Begriff hat seinen Ursprung im Artikel The New New Product Development Game, der 1986 im Harvard Business Review erschien und erstmals agile Ansätze in der Entwicklung physischer Produkte beschrieb. Das Verständnis von Agilität wurde maßgeblich durch das Agile Manifest geprägt, das Agilität im Software-Kontext formuliert.

Agilität ist Organisationale Resilienz

„Organisationale Resilienz ist die Fähigkeit einer Organisation, ein sich wandelndes Umfeld zu absorbieren und sich anzupassen, um ihre Ziele zu erreichen, zu überleben und zu gedeihen“. In Zeiten multipler Krisen – etwa durch gestörte Lieferketten, veränderte Zölle, wechselnde Kundenbedürfnisse oder neue Erwartungen von Mitarbeitenden – wird diese Fähigkeit zur Überlebensfrage. Organisationen müssen Bedrohungen und Chancen, die sich aus internen und externen Veränderungen ergeben, frühzeitig erkennen und gezielt darauf reagieren.

Agilität stellt hierfür den methodischen und kulturellen Rahmen bereit: So machen unter anderem Ergebnisorientierung, kurze Entscheidungszyklen und ein kontinuierlicher Lernprozess Organisationen widerstandsfähig gegenüber Unsicherheit.

Agilität baut Change Management Kompetenz in eine Organisation ein

Reaktionsfähigkeit bedeutet, dass Change-Management-Kompetenz in der Organisation verankert ist. Unternehmen, die sich regelmäßig und strukturiert mit veränderten Rahmenbedingungen – etwa in Bezug auf strategische Pläne oder Geschäftsmodelle – auseinandersetzen, stärken gezielt ihre Fähigkeit zur Anpassung. Durch kleine, iterative Veränderungen entlang systematischer Feedback- Schleifen entwickeln sie sich konsequent weiter.

Agile Techniken sorgen dafür, dass kontinuierliche Weiterentwicklung nicht „Nice to have“, sondern integraler Teil des Arbeitsalltags ist. Morgenrunden, Retrospektiven, Service- oder Produkt-Reviews sorgen dafür, dass Verbesserung planbar bleibt – auch im stressigen Alltag. Organisationen, die ihre Weiterentwicklung nicht aktiv priorisieren, laufen Gefahr, in alten Mustern zu verharren.

In einer Wirtschaftskrise ermöglicht diese gelebte Veränderungskompetenz ein schnelles und koordiniertes Handeln – statt hektischem Reagieren.

Erfolgsfaktoren für Krisenmanagement und Innovation

Ein zentrales Element von Agilität sind Fokussierung und Geschwindigkeit, die sich beide aus dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit ableiten.

In Krisen- oder Engpasssituationen ist es entscheidend, Prioritäten klar zu setzen und das Wesentliche zügig umzusetzen. Beispiele hierfür sind die Umsetzung von Sanierungs- oder Turnaround-Maßnahmen oder der Aufbau eines Start-ups mit begrenztem Kapital. In diesen Fällen sind konsequente Priorisierung, Fokussierung und eine schnelle Bearbeitung besonders wichtig.

Auch in Innovationsprozessen zeigt sich der Wert agiler Prinzipien. Ideen werden früh validiert, in kleinen Schritten getestet und nur bei positivem Feedback weiterentwickelt. Agile Techniken liefern das nötige Handwerkszeug für diese Herausforderungen. Gerade in Krisenzeiten sind sie unverzichtbar.

Es gibt einen breiten Werkzeugkasten

Die gute Nachricht: Agilität ist ein erlernbares Handwerk. Ein breiter Werkzeugkasten an agilen Techniken unterstützt Organisationen dabei, gezielt Wirtschaftlichkeit, Kundenorientierung und Reaktionsfähigkeit aufzubauen:

  • Kanban als Methode hilft, Arbeitsabläufe – insbesondere in der Wissensarbeit– sichtbar zu machen und zu beschleunigen.
  • OKR als Framework (Objectives und Key Results) unterstützt bei der Formulierung, Fokussierung und Messung von Zielen auf allen Ebenen.
  • Scrum als Framework beschleunigt Entwicklungsprozesse durch klare Rollen, feste Feedbackschleifen und iterative Entwicklung.
  • Design Thinking bietet zahlreiche Techniken, um Kundenorientierung praktisch umzusetzen.
  • SAFe (Scaled Agile Framework) zeigt, wie agile Arbeitsweisen auf größere Organisationseinheiten übertragen und verschiedene Frameworks wirksam kombiniert werden können – mit dem Ziel, organisationale Resilienz und Reaktionsfähigkeit zu fördern.

Agile Techniken erfordern Übung

Als Handwerk erfordert Agilität Übung. Ein Kanban-System muss verstanden und eingeübt werden. OKRs wirkungsvoll zu formulieren, ist anspruchsvoller, als es zunächst scheint. Die Disziplin, regelmäßig zu planen, umzusetzen, zu inspizieren und anzupassen, entwickelt sich erst durch konsequente Praxis. Auch Priorisierung klingt einfach, bis ungeplante Anforderungen plötzlich hereingesteuert werden.

Deshalb gilt: Agilität beginnt nicht erst in der Krise, sondern idealerweise vorher. Und am besten mit jemandem, der Meister im Handwerk ist und mehr als nur eine Methode beherrscht.

Donald Reinertsen hat die den Ansätzen Lean und Agile zugrunde liegende Grundhaltung in mehreren Prinzipien prägnant zusammengefasst. Sie bilden einen Denkrahmen für wirtschaftliches und reaktionsfähiges Handeln, der auch dann Orientierung gibt, wenn keine konkreten agilen Techniken greifen. Die zentrale Frage dabei lautet: „Was würden wir jetzt im Sinne dieser Prinzipien tun?“ Das Scaled Agile Framework (SAFe) formuliert dazu zehn konkrete Entscheidungsprinzipien.

Agilität ist disziplinierte Reaktionsfähigkeit und kein planloses ad-hoc Vorgehen.

Agilität wird häufig missverstanden – etwa wenn Aussagen fallen wie: „Ich habe mich heute spontan umentschieden, ich bin eben agil.“ Doch das hat mit Agilität nichts zu tun. Reines Ad-hoc-Handeln oder planloses Vorgehen ist kein Ausdruck von Agilität, sondern von Chaos.

Agilität bedeutet, auf Veränderungen strukturiert und reflektiert zu reagieren – basierend auf klaren Zielen, Feedbackschleifen und Entscheidungsprinzipien. Unkoordiniertes Vorgehen führt zu Verzögerungen, höheren Kosten und unklaren Ergebnissen. Genau das Gegenteil von dem, was mit Agilität erreicht wird.

Fazit: Agilität als Zukunftskompetenz

Agilität ist eine strategische Fähigkeit. Organisationen, die lernen, sich strukturiert, diszipliniert und datenbasiert an veränderte Bedingungen anzupassen, sichern ihre Zukunft. Gerade in unsicheren Zeiten ist Agilität nicht nur ein Überlebensvorteil – sie ist eine Voraussetzung für wirtschaftlichen Erfolg.

Malte Foegen studierte in Darmstadt Wirtschaftsinformatik. Seit über 30 Jahren begleitet er Unternehmen bei der Gestaltung lieferfähiger Organisationen. Er ist Guide-Level-zertifiziert in Scrum, Kanban, OKR und Scaled Agile und hat mehrere Bücher veröffentlicht, darunter „Organisation in einer digitalen Zeit“. Gemeinsam mit Claudia Raak und Jörg Battenfeld gehört Malte Foegen zur Geschäftsführung von wibas – einer Unternehmensberatung für Lieferfähigkeit, Change Management und Turnaround.

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