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Durch stürmische See zu neuen Zielen
Ein Jahr reise ich um die Welt. Mein bislang größtes Abenteuer soll eine Atlantiküberquerung mit dem Segelboot bei der Atlantic Rally for Cruisers sein. Auf diese aberwitzige Idee hat mich ein Skipper gebracht, dem ich bei einer Bootsüberführung geholfen habe.
Moderne Kommunikationstechnologien und flexible Arbeitsmodelle machen heutzutage vieles möglich. Wie zum Beispiel eine einjährige Weltreise per Fahrrad und Segelboot und Arbeiten von dort, wo es ein Internetzugang ermöglicht. Laura Vaida, unsere Mitarbeiterin in der Researchredaktion, macht genau dies. Zuletzt überquerte sie bei der Atlantic Rally for Cruisers den Atlantik im Segelboot. Ihr Reisebericht nimmt uns mit auf diesen Törn – und ist zugleich eine inspirierende Analogie dafür, worauf es auch bei Unternehmen ankommt: mit Teamgeist, Ausdauer, Plan und guter Technik allen Winden zu trotzen und diese bestmöglich für seine Zielerreichung einzusetzen.
Eine Reisebericht von Laura Vaida
Mein bislang größtes Abenteuer soll eine Atlantiküberquerung in Form der ARC+ (Atlantic Rally for Cruisers) sein. Diese Rally, die seit 1986 veranstaltet wird, startet von Las Palmas auf Gran Canaria und geht über die Kap Verden nach Grenada in die Karibik. Auf diese aberwitzige Idee hat mich ein Skipper gebracht, dem ich bei einer Bootsüberführung geholfen habe. Also suche ich auf Crew-Portalen nach geeigneten Angeboten. Da die Rally Anfang November startet, sind viele Skipper im Herbst noch auf der Suche nach helfenden Händen für die Reise. Allerdings ist es auch gar nicht so einfach, das passende Boot zu finden: Zusammensetzung, Ambitionen, Kostenaufteilung und Zeitraum müssen für alle Beteiligten auch passen. Nach relativ kurzer Suche finde ich aber eine Anzeige von einem englischen Skipper, der nach Crew für die ARC+ sucht.
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Ich treffe mich mit dem Skipper Paul und der restlichen Crew Ende Oktober zunächst in Lanzarote zur Vorbereitung und zum Kennenlernen. Mit dabei ist noch Becky, die auf gleichem Wege wie ich zu dem Törn gekommen ist. Da Paul und Becky aus England kommen, ist unsere Bootssprache Englisch. Für mich manchmal eine Herausforderung, vor allem wenn es um Fachbegriffe auf dem Boot oder spezifische Themen wie Lebensmittel geht, aber ich versuche mich wacker zu schlagen.
Nach kurzer Besichtigung von Lanzarote legen wir abends ab Richtung Las Palmas und werden direkt die erste Nachtfahrt bestreiten, um uns auf die vielen weiteren bevorstehenden vorzubereiten. Dabei sieht der Schichtplan für unsere 3er-Crew eigentlich sehr simpel aus: 3 Stunden Wache und 6 Stunden „frei“, in denen man schläft, isst, liest oder auch kocht. Am nächsten Tag kommen wir schon im Hafen von Las Palmas an. Da alle Boote der Rally von diesem Hafen starten, hat genug Möglichkeiten, die anderen Teilnehmer kennenzulernen. Wir müssen aber feststellen, dass unser Liegeplatz eher ungünstig gelegen ist und sich alle Einrichtungen, inklusive Toiletten, Restaurants und Shops, fast einen Kilometer weit weg befinden. Ich komme in diesen zwei Wochen in Las Palmas daher auf einen Durchschnitt von locker 12.000 Schritten am Tag. Ich frage mich, ob die Veranstalter ihre Teilnehmer und Teilnehmerinnen absichtlich fit halten möchten.
Gut vorbereitete Atlantik-Überquerung
Auf Las Palmas steht in zwei Wochen viel auf dem Programm, wie Sicherheits-Checks und Vorbereitungsseminare, aber auch tägliche Sundowner-Drinks, Crew-Dinner und eine Motto-Party. Ziel des ganzen Programms ist es einerseits, die Crews von anderen Booten kennenzulernen und sich zu vernetzen, aber andererseits auch, eine sichere und gut vorbereitete Atlantik-Überquerung zu ermöglichen. Zwei Wochen Vorbereitungszeit erscheinen erstmal viel für mich – da könnte zeitlich ein ganzer Urlaub reinpassen. Zum Glück haben wir auch keine Probleme auf dem Boot und dementsprechend genug Zeit, um alles für den Trip einzukaufen, ein bisschen die Stadt anzusehen und natürlich am ARC+ Programm teilzunehmen.
Andere Crews haben zum Teil aber leider technische Probleme und benötigen die Zeit, um ihr Boot fit zu machen. Zum Beispiel treffen wir direkt bei unserer Ankunft auf ein kanadisches Boot, das auf dem Weg nach Las Palmas leider den Autopiloten und Windanzeiger verloren hat und die nächsten Tage mit diesem Problem beschäftigt ist. Um aus dem Marina-Kosmos auch manchmal etwas auszubrechen, spaziere ich auf die andere Seite von Las Palmas, an dem die Surfer sich täglich treffen. Las Palmas ist ein beliebter Spot für Surfer, bei dem sich der Beachbreak in direkter Nähe zum Stadtzentrum befindet und auch viele Einheimische am Wochenende oder nach der Arbeit unterwegs sind.
Großschot gegen Oberarm: Großschot gewinnt
Schließlich ist es endlich so weit: Wir starten unser Atlantik-Abenteuer. Start ist punktgenau am 06.11.2022 um 13 Uhr. Der Wetterbericht hatte bereits eher laue Winde angesagt und es ist tatsächlich ein sehr träger Start. Die ersten Stunden scheinen wir und das ganze Feld nicht sehr viel voranzukommen. Gott sei Dank ändert sich das aber zur Nacht hin, als wir aus dem Windschatten der Insel herauskommen, und wir nehmen Fahrt auf.
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Die ersten Nächte haben wir vollen Mondschein und super Bedingungen. Unsere Taktik ist natürlich aufgrund der Windvorhersagen den bestmöglichen Kurs zu fahren, um möglichst flott unterwegs zu sein. Da der Wind von hinten kommt, müssen wir immer wieder mal halsen (das Boot mit dem Heck durch den Wind drehen). Aufgrund unseres gut durchdachten, aber nicht einfachen Segelplans ist das eine langwierige Angelegenheit, die viel Konzentration erfordert. Ich erspare Nicht-Seglern Details, aber kann verraten, dass mehr als zehn Leinen am Boot bedient werden müssen – mit nur zwei oder drei Leuten eine Herausforderung. Das erste Mal halsen wir in der Nacht und aufgrund einer kleinen Fahrlässigkeit meinerseits löst sich eine Leine und der Baum des Bootes schwingt zurück und dabei prallt die Großschot volle Kanne gegen meinen Oberarm. Ich bekomme einen riesigen blauen Fleck und auch noch ein bisschen mehr Respekt vor dem Ganzen. Glücklicherweise bleibt das aber die einzige nennenswerte Blessur.
Für die nächsten fünf Tage haben wir außer dem Meer nur unsere AIS-Anzeige (Automatic Identification System) im Blick, auf der wir noch ein paar weitere Boote unserer Rally tracken können. Dabei ist für uns natürlich immer interessant wo diese sich gerade befinden und mit welcher Geschwindigkeit sie fahren. Vielleicht haben sie ja ein bisschen stärkeren Wind als wir? Ein unausgesprochenes Rennen liefern wir uns mit einem befreundeten Boot, das in Typ und Länge genau unserem entspricht. Wie könnte es anders sein. Dementsprechend stolz sind wir, als wir am 11.11. abends kurz vor besagter Konkurrenz die Marina Mindelo auf São Vicente erreichen.
Ein etwas fragwürdiger Haarschnitt auf São Vicente – immerhin kostete er nur zwei Euro
Die Marina Mindelo hat zum Glück Schwimmstege, die auf dem Wasser aufliegen, wodurch sich die Landkrankheit einigermaßen in Grenzen hält. Die Marina ist nicht sehr groß und beheimatet in dieser Woche auch nur die Boote unserer Rally, sodass wir von lauter bekannten Gesichtern umgeben sind und man ständig Leute trifft, die nach und nach mit ihren Booten eintreffen. Die „Floating Bar“ ist dabei ein Hot-Spot, an dem man nicht vorbeikommt, ohne einen kurzen Plausch mit einer befreundeten Crew geführt zu haben. Daher wundert es auch nicht, dass die Woche recht schnell vorbeigeht. Trotzdem nutzen wir natürlich die Zeit für ein paar Entdeckungen und sehen uns die Insel São Vicente und auch die Nachbarinsel Santo Antão an. Die verschiedenen Inseln der Kap Verden sind landschaftlich sehr unterschiedlich: São Vicente wirkt eher wie eine hügelige Staub-Wüste und Santo Antão ist überraschend grün und hat sehr steile Berge. Wir verbringen dort einen wirklich eindrucksvollen Tag mit atemraubenden Aussichten. Ich nutze den Aufenthalt auf den Kap Verden zudem noch, um einen Frisör aufzusuchen, der etwas überfordert ist mit Art und Form meiner Haare und mir einen etwas fragwürdigen Haarschnitt verpasst. Für 2 Euro kann man das schon mal machen, immerhin sind sie jetzt etwas kürzer.
Ab jetzt liegen mehr als 2.000 Seemeilen vor uns
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Nichtsdestotrotz geht unsere Reise am 18.11. weiter und diesmal wird es länger dauern, bis wir wieder festen Boden unter den Füßen haben, immerhin liegen mehr als 2000 Seemeilen vor uns. Der Start ist jetzt auch alles andere als gemächlich – bis zu 35 Knoten Wind erwarten uns in den ersten Tagen. Die ersten Stunden scheint unser Boot nur so zu fliegen, abgesehen von einer kurzen Phase, in der wir in der Windabdeckung einer Insel sind. Leider verbringe ich diesen ersten Tag eher unter Deck, da mir das Essen in der Marina Mindelo etwas zugesetzt hat.
Apropos Essen – zum Glück haben wir für die ersten Tage etwas vorgekocht, denn kochenerscheint unter diesen Bedingungen fast unmöglich. Jeder Gegenstand, der nicht irgendwie fixiert ist, droht wegzurutschen oder umzufallen. Es ist schon eine Leistung, den Kühlschrank aufzumachen, ohne dass der gesamte Inhalt dessen herausfällt. Wir führen unser Wachsystem im 3-Stunden-Rhythmus fort. Meistens vergehen diese 3 Stunden auch recht schnell, da man gar nicht merkt wie die Zeit vergeht, wenn man auf das offene Meer schaut.
Die Wellen sind bis zu 3 Meter hoch und man an muss sich selbst im Sitzen abstützen, um nicht einfach umzufallen. Da die Wellen genau von hinten und nicht von der Seite kommen, schwankt das Boot einmal komplett von der einen Seite auf die andere Seite. Auch wenn ich nicht leicht seekrank werde, habe ich ab und zu mit einem flauen Gefühl im Magen zu kämpfen. Da wir meist alleine bei der Wache sind, können die Nachtwachen manchmal besonderes zäh sein. Hier gibt es kaum Ablenkung und außen rum ist alles nur schwarz. Trotz alledem darf man die Instrumente nicht aus den Augen lassen, muss stets Kurs und Windrichtung im Auge behalten und sichergehen, dass die Segel frühzeitig angepasst werden. Zum Beispiel, wenn unerwartet der Wind zunimmt oder ein tropischer Regen, ein sogenannter „Squall“ hinter uns auftaucht. Einmal passiert auch genau das während meiner Nachtwache und ich muss unseren Skipper Paul aufwecken, damit wir die Segel einholen können. Alleine ist das nämlich gar nicht möglich.
Die ersten Tage vergehen und nach und nach verschwindet ein Boot nach dem anderen von unserer Anzeige, bis wir schließlich gar keines mehr sehen. Über Satellitenempfang bzw. SSB-Antenne bekommen wir aber trotzdem täglich Infos mit der Position von einigen Booten und unserem Rang. Bisher sieht es auf jeden Fall gut aus, wir sind die ersten in unserer Division! Das versuchen wir die nächsten Tage zu halten. Die Bedingungen sind konstant gut, der Wind flacht zum Glück etwas ab und es gibt keine nennenswerten Regenschauer. Das geht aber leider nicht jedem Boot so, wir bekommen von anderen Booten mit, dass sie in kleinere Unwetter geraten sind.
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An einem Tag herrscht helle Aufregung auf unserem Boot, als wir endlich einen Fisch fangen. Aber nicht nur einen, sondern gleich zwei auf einmal! An die Angel gegangen sind zwei Wahoos von nicht geringem Ausmaß. Unser Skipper hat alle Hände voll damit zu tun, sie an Deck zu bringen. Zum Glück gelingt es ihm und wir hätten nun genug Fisch, um davon jeden restlichen Tag zu essen. Einiges frieren wir aber ein, zu viel ist schließlich auch nicht gut.
Endlich Grenada in Sicht
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Nach einigen weiteren Halsen, vielen fliegenden Fischen, die auf dem Deck landen und mehr oder minder spektakulären Sonnenauf- und untergängen, kommt Grenada endlich in Sicht. Kaum zu glauben, dass da tatsächlich wieder Land ist, nachdem man die letzten Tage nur das große Blau gesehen hat. Wir umrunden die Südspitze der Insel, passieren die Ziellinie und kommen schließlich am Morgen des 30.11. an. Das Begrüßungskomitee der ARC+ und einige Marina Mitarbeiter sind bereits am Steg, um uns mit Rum Punch willkommen zu heißen, so wie es sich auf der Insel eben gehört. Auch ein paar Crews der umliegenden Boote sind vor Ort und wir freuen uns so sehr darüber, bekannte Gesichter zu sehen! An diesem Tag wird natürlich erstmal ausgiebig gefeiert um sich von den Strapazen zu erholen.
Die nächsten Tage sind wir damit beschäftigt, das Boot aufzuräumen und zu putzen. Das ganze Salzwasser muss aus den Leinen und vom Deck bestmöglich entfernt werden. Außerdem beobachten wir natürlich gespannt, welche Boote nach uns in dem Hafen ankommen und begrüßen die Crews. Alle sind heilfroh, angekommen zu sein. Wir hören uns gespannt an, was die anderen von ihrer Überfahrt berichten. Dabei sind wiederkehrende Themen die Anzahl gefangener Fische, die besten an Bord gekochten Gerichte, die Sichtung von Walen oder Delfinen, die Wahl der Segel und die schönsten Sonnenuntergänge. Abschluss ist die Siegerehrung, und tatsächlich: Wir haben in unserer Division gewonnen!
Laura Vaida ist Consultant Data Analytics in der Researchredaktion von DDW. Die gebürtige Münchnerin studierte an der Paris-Lodron-University Salzburg Media Economics and Political Communication und machte den 2019 den Master of Science in Survey-Statistics an der Otto-Friedrich-University Bamberg. Berufliche Erfahrungen sammelte sie als Data Analyst bei einem großen Versicherungsunternehmen sowie beim Aufbau einer Data Analytics Abteilung bei einem Münchner Sportartikelhersteller.
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