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Aufsichtsrat und Lagerfeuer-Strategie
Die sogenannte „Lagerfeuer-Strategie“ ist eine subtile Taktik, die von Vorständen oder Führungskräften angewendet wird, um die Mitglieder eines Aufsichtsrats oder einer anderen Kontrollinstanz in einer angenehmen, fast schon berauschenden Atmosphäre zu beeinflussen.
Von Rudolf X. Ruter
Ziel ist es, durch eine entspannte, wohlwollende Stimmung die Teilnehmer dazu zu bringen, Entscheidungen im Sinne des Vorstands zu treffen, ohne sie allzu kritisch zu hinterfragen.
In der Praxis sorgt der Vorstand für ein heimeliches, wärmendes Lagerfeuer (meist in einem 2 oder 3 Sternelokal) mit einem kleinen Spanferkel am offenen Feuer (notfalls reichen auch Austern und Kaviar) und einem zünftigen Bierfass (oder für Gourmands ein Petrus oder Sassicaia).
Dieses Lagerfeuer erzeugt ein berauschende Atmosphäre mit dem Gefühl eines jeden, er sei der größte Jäger und Eroberer. Somit bekommt der Vorstand alle Beschlüsse schnellstens in der Gremiumssitzung in seinem Sinne beschlossen.
Wie durchschaut der ehrbare Aufsichtsrat die Lagerfeuer-Strategie?
- Bewusstsein schaffen: Der erste Schritt besteht darin, sich der Strategie bewusst zu sein. Wenn Sie als Aufsichtsrat erkennen, dass ein Vorstand versucht, Sie durch eine besonders angenehme Umgebung oder exklusive Bewirtung zu beeinflussen, solltest Sie auf der Hut sein.
- Distanz wahren: Emotionales Distanzieren von der Situation hilft, die Objektivität zu wahren. Während andere möglicherweise von der Atmosphäre eingenommen sind, sollten Sie sich bewusst machen, dass solche Umstände gezielt geschaffen wurden, um Ihre Urteilskraft zu trüben.
- Rationale Bewertung: Fokussieren Sie sich auf die Fakten und die Substanz der Beschlüsse, die zur Diskussion stehen. Fragen Sie sich: Würde ich diesen Entscheidungen auch in einem nüchternen, neutralen Umfeld zustimmen?
- Erinnerung an die Verantwortung: Jeder Aufsichtsrat hat eine treuhänderische Verantwortung gegenüber dem Unternehmen und den Aktionären. Erinnern Sie sich daran, dass Ihre Aufgabe darin besteht, den Vorstand zu überwachen und kritisch zu hinterfragen, nicht seine Positionen blind zu unterstützen.
Was kann ich als Aufsichtsrat gegen die Lagerfeuer-Strategie des Vorstands unternehmen?
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- Strategisches Verhalten: Vermeiden Sie es, sich zu stark in die gemütliche Atmosphäre hineinziehen zu lassen. Sie können höflich, aber bestimmt, darauf hinweisen, dass Sie die Entscheidungen auf einer sachlichen Ebene treffen möchten und sich nicht von der Umgebung ablenken lassen.
- Faktenfokus: Fordern Sie während der Sitzung eine sachliche Diskussion. Stellen Sie sicher, dass Entscheidungen auf fundierten Informationen und gründlichen Analysen basieren, nicht auf dem Bauchgefühl, das durch die angenehme Umgebung erzeugt wird.
- Kollegen sensibilisieren: Wenn Sie bemerken, dass andere Aufsichtsratsmitglieder von der Strategie beeinflusst werden, müssen Sie subtil darauf hinweisen, dass die Situation vielleicht zu „gemütlich“ ist und dass es wichtig ist, den Fokus auf die wesentlichen Fragen und Probleme zu lenken.
- Unabhängigkeit betonen: Schlagen Sie vor, wichtige Entscheidungen in einem formelleren Rahmen oder zu einem späteren Zeitpunkt zu treffen, wenn die Mitglieder nicht durch äußere Umstände beeinflusst werden.
Indem Sie sich dieser Strategie bewusst sind und entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen, stellen Sie sicher, dass die Entscheidungen des Aufsichtsrats auf einer fundierten und unabhängigen Basis getroffen werden.
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Rudolf X. Ruter ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater. Er ist ein Experte für Aufsichtsräte und Beiräte, mit einem besonderen Schwerpunkt auf Themen wie Nachhaltigkeit und Corporate Governance. Sein „Podcast für den Aufsichtsrat“ erzielt regelmäßig hohe Reichweiten. Nach seiner Tätigkeit als Gesellschafter und Geschäftsführer bei Arthur Andersen baute er als Partner bei Ernst & Young den Geschäftsbereich Nachhaltigkeit in Deutschland auf und leitete diesen bis 2010. Ruter war von 2008 bis 2013 Leiter des Arbeitskreises ‚Nachhaltige Unternehmensführung‘ in der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. und Mitglied der Expertenkommission des Deutschen Public Corporate Governance – Musterkodex, der Deutschen Digitalen Beiräte und Beiräte Baden-Württemberg. Webpräsenz
Dieser Text beleuchtet mit scharfem Blick und klarem Verständnis die subtile Manipulationstaktik, die in der „Lagerfeuer-Strategie“ steckt.
Rudolf X. Ruter beschreibt anschaulich, wie sich eine scheinbar gemütliche und wohlwollende Atmosphäre als strategisches Werkzeug missbrauchen lässt, um kritische Entscheidungen zu beeinflussen.
Der Hinweis, wie sich Aufsichtsratsmitglieder vor dieser emotionalen Täuschung schützen können, ist nicht nur wertvoll, sondern auch ein Aufruf zu integrer Unabhängigkeit und Verantwortungsbewusstsein.
Ein sehr präzises und praxisnahes Plädoyer für eine objektive und sachliche Entscheidungsfindung –
eine echte Bereicherung für verantwortungsbewusste Führungskräfte!