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„Auch im B2B entscheidet letztlich das Bauchgefühl“
Dr. Andreas Bauer, Leiter Business Development der Xitaso GmbH und Vorstand des Bundesverband Industrie Kommunikation e.V. (bvik), weiß um die Bewegungen der Branche in puncto B2B-Kommunikation.
Seit über zehn Jahren ist er im Bereich Marketing und Unternehmenssteuerung unterwegs (u.a. als langjähriger Marketingleiter bei KUKA) und wirft im Interview mit DDW einen lokalen und globalen Blick auf die Bewegungen in der Marketinglandschaft.
Herr Dr. Bauer, angesichts der Pandemie haben sich die großen Lücken deutlicher denn je gezeigt, die im deutschen Mittelstand in puncto Digitalisierung bestehen. Als Experten für Software Engineering sind sie nun diejenigen, die diese Lücken schließen und B2B-Unternehmen bei einer zukunftsfähigen Infrastruktur unterstützen. Woran wird hier aktuell gearbeitet?
Im Bereich Produktion und Lieferketten (Stichworte IoT und Industrie 4.0) ist in den letzten Jahren schon viel passiert. Getrieben durch internationalen Wettbewerb wurde in die Effizienzsteigerung der Produktion durch Digitalisierung und damit einhergehender Automatisierung bereits einiges investiert. Hier wird weiter in der Vernetzung aller Assets in der Produktion und vor- und nachgelagerten Prozessen gearbeitet.
Die Einführung von 5G wird hier in Zukunft einen weiteren Schub geben und die Kosten der physischen Vernetzung und Datenübermittlung senken. Wir als IT-Dienstleister sehen, dass zurzeit immer noch daran gearbeitet wird die Daten zugänglich zu machen und zu sammeln, um erste Analysen zu fahren. Als nächster Schritt arbeiten wir bereits an der intelligenten Auswertung dieser Datensammlungen, um beispielsweise Vorhersagen zu treffen, Auslastungen von Maschinen zu optimieren, Ausfälle zu vermeiden und Tele-Dienste zu ermöglichen.
Die Pandemie hat hauptsächlich die Digitalisierungsdefizite für Home-Offices und im Unternehmensbereich Vertrieb und Marketing aufgezeigt. Die Defizite waren aber nicht nur in den Betrieben selbst, sondern eben auch in der oft zu geringen Datenübertragungsraten der deutschen Infrastruktur. Für viele Mitarbeiter, Kunden oder Geschäftspartnern war es ja das erste Mal, dass sie Berührung mit Video-Conferencing hatten. Hier wurde und wird weiterhin digitale Kompetenz aufgebaut.
Ich bin sicher, dass auch nach der Pandemie etliche neu eingeführte digitalen Lösungen beibehalten werden, und z.B. die ein oder andere Geschäftsreise durch online Meetings ersetzt wird, viele Unternehmen mehr Homeoffice als vorher anbieten oder Schulungen, Messen und Konferenzen hybrid durchgeführt werden.
„Es besteht immer noch der Irrglaube, dass erklärungsbedürftige Investitionsgüter schlecht über digitale Verkaufsplattformen vertrieben werden können.“
Der deutsche Mittelstand ist geprägt von Industrie und Technologie. Wie schlagen sich unsere lokalen Unternehmen mittlerweile in Bereichen wie etwa schlanker digitaler Geschäftsprozesse oder Plattformökonomie?
Nun, wenn man die Anbieterseite von digitalen Geschäftsprozess-Lösungen oder Plattformökonomie-Unternehmen in Deutschland betrachtet, gibt es nur wenige Big-Player (z.B. SAP, Check 24, Zalando). Fast alle anderen großen Anbieter für digitale Geschäftsprozesse oder Plattformen kommen aus Ländern, die keinen Mittelstand in unserer Form haben. Dies ist ein Grund, warum viele am Markt angebotenen Produkte oder Plattformen oft nicht ideal für mittelständische Unternehmen sind.
In diese Lücke sind aber in den letzten Jahren mittelständische und lokale IT-Engineering-Firmen gestoßen, die passgenaue individuelle Lösungen auch für B2B anbieten – vom CRM über Produktions-Plattformen bis zum digitalen Zwilling. Und es werden auch vermehrt von mittelständischen Unternehmen ergänzende digitale Leistungen angeboten z.B. Apps, online Service für Geräte, Optimierung von Maschinen Einstellungen oder Analysen via Cloud Anbindung.
Schwächen gibt es nach wie vor im B2B Handel – ich denke hier besteht bei vielen noch der Irrglaube, dass erklärungsbedürftige Investitionsgüter schlecht über digitale Verkaufsplattformen vertrieben werden können. Deshalb besteht hier die Gefahr, dass sich ausländische Plattformen ähnlich Amazon zwischen den Mittelstand und dessen Kunden schieben, und dadurch Marktmacht zum Nachteil der unvorbereiteten deutschen Produzenten erlangen. Fakt ist aber, dass bereits heute B2B ca. 80% des weltweiten online Handels ausmacht.
Als Marketer mit globaler Erfahrung wissen Sie um die unterschiedlichen „Sprachen“ der B2B-Kommunikation. Welche Besonderheiten ergeben sich in der Industriekommunikation in Deutschland? Zählen nur Fakten, oder auch Emotionen?
Natürlich gibt es kulturelle und nationale Unterschiede in der B2B Kommunikation. Insbesondere in den Kommunikationskanälen gibt es national große Unterschiede. Deutschland beispielsweise ist geprägt von einer differenzierten, hochqualitativen und großen Fachpresse- und Messelandschaft.
Um auf die Frage zurückzukommen, ob im B2B nur Fakten oder Emotionen zählen: ja, auch im angeblich faktengetriebenen B2B sind Emotionen in der Kommunikation viel wichtiger als die meisten zugeben. Denn kein Einkäufer oder Entscheidungsgremium für Investitionsgüter wird eingestehen, auch aus emotionalen Gründen eine Kaufentscheidung getroffen zu haben. Auch die Produktmanager und Entwickler des Produkts wollen mit Leistungsdaten und Fakten überzeugen, und nicht mit „coolem“ Produktdesign oder emotionaler Werbung.
Aber überall auf der Welt entscheiden letztendlich Menschen. Wir Menschen sind soziale Wesen und empfänglich für Emotionen. Inhalte, die nicht mit Emotionen verbunden sind, verankern sich nicht bei uns. Emotionen sind auch die Basis von Vertrauen. Es ist inzwischen unbestritten, dass bei uns Menschen das „Bauchgefühl“ jede Entscheidung maßgeblich einleitet, und erst in einem zweiten Schritt rationale Argumente und Fakten zur Begründung der Entscheidung herangezogen werden.
Viele Marketingkanäle haben auch nur sehr wenig Zeit, um die Aufmerksamkeit des potenziellen Kunden zu gewinnen. Etwa Anzeigen in Social Media oder Zeitschriften sind daher erfolgreicher mit emotionalen Inhalten. Daher sind sofort wirkende emotionale Bilder in der B2B Kommunikation wichtig, um dann im zweiten Schritt die Chance zu haben auch fachliche Inhalte zu übermitteln. Anders ausgedrückt: Jeder B2B Vertriebsprofi weiß, dass die emotionale Bindung zum Kunden entscheidend ist. Warum sollte das in der B2B Marketingkommunikation anders sein?
„Emotionen im B2B sind wichtiger, als die meisten zugeben wollen.“
Das B2B-Marketing erlebt einen starken, auch technologischen Wandel. Zu erleben sind diese Trends im September beim Tag der Industriekommunikation des bvik, in dessen Vorstand Sie seit der Gründung 2010 tätig sind. Was sind die „heißen Themen“, die die Industriekommunikation aktuell bewegen?
Klar sind wir Marketers gefordert die technologischen Möglichkeiten optimal zum Nutzen unserer Unternehmen einzusetzen und hierzu notwendige Kompetenzen aufzubauen. Die Digitalisierung wird im Marketing heiß diskutiert. Ein Beispiel ist die Marketingautomation, die sehr effizient eine individuelle und personalisierte Ansprache der Kunden jeweils passend zu Ihrem Status auf der Customer-Journey ermöglicht.
Im September auf dem Tag der Industriekommunikation wird unter den Schlagwörtern „PURPOSE“ und „PERFORMANCE“ durchleuchtet, zu welchem Zweck und auf welche Art die Digitalisierung in der B2B-Branche gewinnbringend neue Wege erschließen kann. Vom Account Based Marketing bis zu smarten Events und Messen eröffnen sich hier neue Chancen für den Mittelstand.
Aber auch zu einem wichtigen dritten Schlagwort werden Impulse gegeben: „PEOPLE“. Unter dem Leitgedanken „Haltung zeigen“ klären verschiedene Experten im Zukunftsdiskurs, wie sich die gesamte Veranstaltungsbranche nach der Krise neu aufstellen muss. Denn wichtig bleibt im Marketing, dass die einsetzbaren Technologien „nur“ Werkzeuge sind. Sie ersetzten keine menschliche Kreativität und keine strategische Konzeption – aber richtig eingesetzt potenzieren diese Werkzeuge die Wirkung des B2B Marketings.
Herr Dr. Bauer, vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg weiterhin!
Das Interview führte Anna Schäfer
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