Bereit machen für das chinesische Jahrhundert
Er gilt als „Papst der Hidden Champions“: Professor Dr. Dr. Hermann Simon ist weltweit gefragt, wenn es um Spitzenpositionen von Unternehmen oder Volkswirtschaften in speziellen Branchen geht. Er sieht die deutsche Wirtschaft vor einem „chinesischen Jahrhundert“ und sagt, worauf es ankommt.
Deutschland sei nach wie vor Weltmeister bei den Weltmarktführern: Knapp die Hälfte der rd. 3.500 Weltmarktführer seien deutsch. Professor Simon nennt zwei Gründe: Zum einen sei Deutschland spät zu einem Nationalstaat geworden. Wer vor einhundert Jahren wachsen wollte, musste „internationalisieren“, nämlich über die Grenzen des jeweiligen Kleinstaates hinaus, beispielsweise von München nach Dresden oder Frankfurt. Zudem sei es der ausgeprägte Anspruch deutscher Unternehmer, der Beste in seinem Segment zu sein.
In Zukunftstechnologien hätten deutsche Unternehmen nach wie vor gute Chancen, meint der Inhaber der internationalen Beratungsgesellschaft Simon Kucher & Partners: „Wir haben viele zukunftsorientierte Mittelständler. Beispielsweise beim Thema Nachhaltigkeit sind wir führend in der Welt. Kein Land hat dort Kompetenzen wie Deutschland. Auch im Business-to-Business-Bereich der Digitalisierung sind wir absolute Spitze“, so Hermann Simon. Hingegen hätten wir keine Chancen in den digitalen Konsumgütermärkten, die seien zwischen USA und China längst aufgeteilt. Zudem sei die deutsche Automobilindustrie als die wichtigste Branche eine „Sunset-Industrie“: „Ob die die Kurve kriegen, ist eine große Frage“.
„Ein chinesisches Jahrhundert“

Die deutsche Wirtschaft müsse sich auf ein chinesisches Jahrhundert einstellen. Unternehmen müssten darauf reagieren. Chinesische Unternehmen werden verstärkt Wettbewerber werden. Vor allem ginge es darum, dort zu sein, wo die besten Markt- und Standortvoraussetzungen seien: „Wir müssen Chinesen werden“, so Simon. Viele Unternehmen hätten daher längst in den wichtigsten Märkten eigene unabhängige Headquarter gegründet und würden es künftig vermehrt tun.
Auf der anderen Seite erwartet Professor Simon, dass auch seitens der Ansiedlung von chinesischen Unternehmen in Deutschland eine massive Investitionswelle zu erwarten sei: „Die wollen alle nach Deutschland kommen, um dort die Nähe zu den Herstellern zu haben“.
Natürlich bestünde die Gefahr, reiner Lieferant von Brückentechnologie zu werden: „Da darf man nicht naiv sein“. Unternehmen müssten ihr Know-how schützen. Vor allem aber müsse man selbst die Vorteile des chinesischen Standorts nutzen, wo es sie gäbe, beispielsweise beim Thema Künstliche Intelligenz.
Insgesamt sei aus seiner Erfahrung das geschäftliche Miteinander mit Chinesen problemlos, wenngleich es lange dauere, bis man Vertrauen gewonnen hätte. Deutschlands Ruf insgesamt sei in China legendär.
Scharfe Kritik äußert der renommierte Experte zur deutschen Industrie- und Wirtschaftspolitik. In Spitze der Politik herrschten „falsche Einstellungen“. Vor allem die Industriepolitik von Wirtschaftsminister Altmaier sei „der völlig falsche Weg“. Wo wir etwas machen, würden wir viel zu klein denken. Aber aus bestehenden Märkten solle sich die Politik bitte heraushalten. „Lassen Sie uns einfach in Ruhe, Herr Minister. Bitte tun Sie nichts für uns“.
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Hermann Simon ist international gefragter Managementvordenker, erfolgreicher Unternehmer und Pricing-Spezialist. Als Entdecker der „Hidden Champions“, der unbekannten Weltmarktführer, hat er in wenigen Jahrzehnten selbst die international erfolgreichste deutsche Beratung aufgebaut: Simon-Kucher & Partners mit Sitz in Bonn ist heute der Weltmarktführer für Preismanagement.
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