Bundesregierung bremst sich bei Bürokratiebremse selbst aus
In diesem Sommer wollte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel so richtig auf die Bürokratiebremse treten: Weg mit überflüssigen Vorschriften, vor allem der Mittelstand sollte spürbar entlastet werden. Dazu hatte er im vergangenen Jahr mehr als zwanzig Punkte für eine effektive bürokratische Schlankheitskur formuliert. Sie sollte auch – und gerade – für Gründer und junge Unternehmer Erleichterungen bringen und Hemmschwellen abbauen. Ein schönes Versprechen. Übrig geblieben ist kaum mehr als heiße Sommerluft. Das aktuell vom Bundestag verabschiedete Bürokratieentlastungsgesetz trägt unterm Strich den Stempel „mutlos“. Insbesondere für Gründer floppt das neue Bürokratieentlastungsgesetz. Nur drei von Gabriels Vorschlägen fanden letztlich Eingang in das Gesetz, bei dem die Bundesregierung nicht couragiert genug war, an den richtigen Stellschrauben zu drehen.
10 Milliarden Euro kostet die Bürokratie in deutschen Unternehmen
Zwar gilt das „one in – one out“ Prinzip, wonach in gleichem Maße bürokratische Belastungen abgebaut werden sollen, wie sie durch neue Gesetzesvorhaben entstehen. Diese Regelung entpuppt sich aber schnell als zahnloser Tiger: Denn das Prinzip schließt alle europäischen Verordnungen aus, ebenso wie Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag, die der Gesetzgeber in den letzten Monaten bereits auf den Weg gebracht hat oder noch bringen möchte. Ein Beispiel: Allein durch das Mindestlohngesetz sind für die Unternehmen in Deutschland bürokratische Mehrkosten von knapp 10 Milliarden Euro pro Jahr entstanden. Dagegen betragen die Einsparungen durch das Bürokratieentlastungsgesetz jährlich nur rund 750 Millionen Euro.
Was kommt bei also bei vielen Ausnahmen von der Regel am Ende raus? Im Zweifel: mehr Bürokratie! Zu einer erfolgreichen Schlankheitskur gehört deshalb eben nicht nur der gute Wille, sondern Disziplin und dass man auch mal einen Schritt weiter geht. Heißt im Klartext: Die Politik hätte eigentlich eine „one in – two out“-Regel schaffen müssen, bei der für jede neue Vorschrift gleich zwei alte wegfallen müssen. Nur so funktioniert ein echter, nachhaltiger Bürokratieabbau.
67 Prozent der befragten Gründer verbringen bis zu 15 Stunden für unproduktive, staatliche Pflichtaufgaben
Vor diesem Hintergrund brauchen sich die Politiker nicht zu wundern, dass Deutschland bei Unternehmensgründungen im internationalen Vergleich deutlich hinterherhinkt. Diesen Trend müssen wir stoppen! Bürokratie ist und bleibt die größte Hemmschwelle für Menschen, ihre innovativen Ideen zu verwirklichen und damit für sich und andere eine Lebensgrundlage zu schaffen. In einer Gründer-Umfrage unseres Verbands DIE JUNGEN UNTERNEHMER gaben 67 Prozent aller Befragten an, pro Woche mindestens 5 bis 15 Stunden mit staatlichen Pflichtaufgaben zu verbringen. Bei elf Prozent sind es sogar mehr als 15 Wochenstunden. Das ist viel zu viel Energie für unproduktive Tätigkeiten. Diese Wachstumsbarriere müssen wir aus dem Weg räumen, denn Fakt ist: Gründer sind für unsere Volkswirtschaft unverzichtbar. All die großen Familienunternehmen, auf die unser Land so stolz ist, wurden ursprünglich als kleine Betriebe gegründet – oder andersrum: die Start-ups von heute sind die Hidden Champions von morgen. Damit das gelingt, müssen wir sie unterstützen, sich auf ihr Geschäft konzentrieren zu können, anstatt sie mit ausufernden Informations- und Berichtspflichten zu lähmen. Dazu brauchen wir dringend einen umfassenden Schutzschild für Gründer, der sie in der Startphase von sämtlichen Berichtspflichten befreit. Die nüchterne Realität ist aber: Gerade einmal für acht von 11.000 Informationspflichten das Gesetz Befreiungsmöglichkeiten für Gründer vor. Ziel eindeutig verfehlt Herr Minister!
Was nun, nach Gabriels Flopp beim Bürokratieabbau im Bund? Ich appelliere eindrücklich an unsere Landesregierung, sich stärker für Gründer und junge Unternehmer in Nordrhein-Westfalen einzusetzen! Auch auf Landesebene können noch zahlreiche Verwaltungserleichterungen für Entlastung sorgen und dazu beitragen, dass sich die Gründerszene positiv entwickeln kann. Gründer stehen für Innovationskraft, Wirtschaftswachstum und neue Arbeitsplätze. Sorgen wir dafür, dass sie diese Potentiale auch entfalten können und nicht wegen meterhoher Papierberge schnell die Lust am Unternehmertum verlieren.
Christian Tscharke
Er ist Regionalvorsitzender des Verbandes DIE JUNGEN UNTERNEHMER – BJU und Inhaber der Tscharke & Tscharke GbR aus Wuppertal
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