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Das Nützliche trennen … vom Schädlichen
Mann+Hummel hat das nicht mehr zur nachhaltigen Strategie passende Kunststoffgeschäft an den Turnaround-Investor Mutares verkauft, für den es wiederum die perfekte Ergänzung für ein Portfoliounternehmen ist. Eine Blaupause für Konzerne und ihre Geschäftsbereiche mit schlechtem Nachhaltigkeits-Score?
von Philipp Habdank
Für die einen passt es nicht mehr zur nachhaltigen Unternehmensstrategie, für die anderen ist es der perfekte Fit: das Kunststoffgeschäft von Mann+Hummel. Das rund vier Milliarden Euro Umsatz schwere Technologieunternehmen mit Hauptsitz in Ludwigsburg will sich künftig ausschließlich auf Filtrations- und Separationslösungen konzentrieren, um „das Nützliche vom Schädlichen zu trennen“, wie es der Konzern formuliert. Nützlich ist in diesem Fall die Herstellung von Technologien, die saubere Mobilität, saubere Luft und sauberes Wasser ermöglichen.
In die Kategorie „schädlich“ fällt die Herstellung vieler kleiner Plastikteile für die Automobilindustrie, zum Beispiel Luftansaugkrümmer, Hochdruckluftleitungen und Flüssigkeitsbehälter. Dieses Nichtfilter-Geschäft mit rund 500 Millionen Euro Umsatz hatte für den Konzern ein Ablaufdatum: „Unser Auftragsvolumen in diesem Geschäftsbereich hätte über die nächsten zehn Jahre voraussichtlich um 50 Prozent abgenommen“, sagt Felix Tanneberger, Strategie- und M&A-Chef bei Mann+Hummel.
„Den Nichtfilterteil vom Filterteil zu trennen und eine Produktionslinie auseinanderzuziehen ist schwer“
Darum wurden drei strategische Optionen diskutiert: das Geschäft schnell herunterfahren, langsam herunterfahren oder es aus dem Konzern herausschälen und verkaufen. Das Familienunternehmen entschied sich für den Carve-out und Verkauf. Das war kein Notverkauf, um eine finanzielle Schieflage zu vermeiden, sondern eine Maßnahme, um den betroffenen Mitarbeitern durch den Verkauf langfristig eine bessere Perspektive am Standort zu bieten.
Die perfekte Transaktion für Mutares
Der Käufer schaut komplett anders auf dieses Geschäft: Für Mutares – ein börsennotierter Turnaround-Investor, der typischerweise marode Firmen oder ungeliebte Konzerntöchter übernimmt, diese flottmacht und durch strategische Zukäufe wieder wachsen lässt – ist es die perfekte Transaktion, wie Investmentchef Johannes Laumann im Podcast „What’s up, Corporate Finance“ verriet. Die Transaktion mit Mann+Hummel ist so ein strategischer Zukauf für das restrukturierte Portfoliounternehmen LMS – ebenfalls ein Automobilzulieferer, der allerdings drei Probleme hatte. LMS konnte die von Mann+Hummel produzierten Teile bislang nicht selbst herstellen und musste sie zukaufen. LMS hatte ausschließlich Werke in Deutschland und musste sich für internationale Ausschreibungen der großen Autobauer Partner an Bord holen. Und LMS wollte die Wertschöpfung pro Fahrzeug erhöhen, um seine Verhandlungsposition gegenüber den Autobauern zu verbessern.
„Rechtlich war das ein sehr komplexes Thema“
Die Transaktion mit Mann+Hummel löst Laumann zufolge all diese Probleme und schmiedet einen Tier-1-Automobilzulieferer mit 1,3 Milliarden Euro Umsatz. Dafür war Mutares wohl bereit, bis an die finanzielle Schmerzgrenze zu gehen und einen zweistelligen Millionenbetrag zu bezahlen – Geld, das Mann+Hummel wiederum gut für die Transformation des eigenen Geschäfts gebrauchen kann. Investitionen und Forschung will der Automobilzulieferer stärker auf Nachhaltigkeit und alternative Antriebskonzepte ausrichten.
Carve-out-Spezialisten im Vorteil
So hungrig auf nicht nachhaltige Assets wie Mutares sind nicht alle Käufer. An den potenziellen Abnehmerkreis für das Kunststoffgeschäft wurden spezifische Anforderungskriterien gestellt. Strategen kommen dann nicht infrage, wenn sie zum einen vor dem gleichen Problem stehen wie Mann+Hummel und Geschäfte dieser Art ebenfalls loswerden müssen. Zum anderen war der Carve-out sehr komplex. „Es war eine Transaktion, die eine sehr partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordert hat, weil es viele Unsicherheiten gab“, sagt Michael Wabnitz, Managing Director von AlixPartners, der als M&A-Berater von Mann+Hummel mit dem Verkauf der Sparte beauftragt wurde.
Aufgrund der gewählten M&A-Strategie wurde der Carve-out nicht komplett vorab vollzogen, sodass kein fertig geschnürtes Paket auf den M&A-Markt geworfen wurde. Mit Beratern und Anwälten wurden zwar Leitplanken gesetzt und Vorarbeit geleistet, doch die genaue Struktur des Carve-outs wurde zusammen mit Mutares erarbeitet, sodass der Carve-out zum Zeitpunkt der Vertragsunterschrift noch nicht vollzogen war.
„Es war eine Transaktion, die eine sehr partnerschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit erfordert hat.“
Für M&A-Chef Tanneberger war das Hauptproblem, dass Mann+Hummel im Kunststoff- und im Filtergeschäft eine ähnliche Produktionstechnologie nutzt. Beide Produkte werden in einem Werk produziert. „Den Nichtfilterteil vom Filterteil zu trennen und eine Produktionslinie auseinanderzuziehen ist schwer“, sagt Tanneberger. Zumal die Kunden beider Produkte dieselben seien. Große Autobauer kaufen sowohl Filter als auch Nichtfilterteile. Ein Teil der Lösung ist, dass Mutares und Mann+Hummel auch nach der Transaktion zusammenarbeiten werden. Juristen hatten bei der Transaktion eine Menge Arbeit. „Rechtlich war das ein sehr komplexes Thema“, sagt Karsten Kühnle von Norton Rose Fulbright, der das Geschäft als Anwalt begleitet hat. „Share Deals, Asset Deals, Einzelrechtsübertragungen, Gründungen neuer Gesellschaften, Grundstückskäufe: All das waren Bestandteile der Transaktion.“ Zudem musste genau geplant werden, welche Schritte in welchem Land, in welcher Gesellschaft, in welchem Werk umgesetzt werden müssen.
Private Equity zögert
Diese Deal-Komplexität schränkte auf der Käuferseite aber auch die Auswahl bei den Finanzinvestoren ein – im Wesentlichen auf Turnaround-Investoren. Für klassische Private-Equity-Investoren war das Geschäft nichts, weil sie eine solche Komplexität nicht mögen, unter vergleichbarem ESG-Druck stehen wie Strategen und zudem lieber in Wachstumsunternehmen aus dem Software-, Healthcare- oder Business-Services-Sektor investieren. Unter den Turnaround-Investoren war das Interesse jedoch groß.
Die Automobilbranche ist nicht die einzige, die sich für diese Art von Transaktionen eignet. Zwar ist sie von dem ESG-Problem besonders hart und strukturell getroffen, der Umstieg vom Verbrennungs- auf den Elektromotor bedeutet das Ende für viele etablierte Geschäftsmodelle. Laut M&A-Berater Wabnitz steht aber zum Beispiel auch die Chemiebranche vor vergleichbaren Nachhaltigkeitsherausforderungen. „Börsennotierte Unternehmen entscheiden sich dann häufig für den Verkauf“, sagt Wabnitz. Darum sind die Chancen gut, dass Mann+Hummel eher ein Auftakt als eine Ausnahme war.
Dieser Beitrag von Philipp Habdank ist zuerst unter results. FinanzWissen für Unternehmen erschienen. Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Deutschen Bank.
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