Da hinten anstellen wo die Schlange ist

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Venedig, Jeddah, Kuala Lumpur, Singapur – und dann Wien. Ausgerechnet in der Heimat wird Fliegen zur Farce: hilflose Prozesse, absurde Kontrollen und Papiertüten mit der Aufschrift your welcome moment. Ist das noch Service – oder schon Kabarett? Ein Zwischenruf aus dem Alltag eines Vielfliegers und die Frage: Warum überlassen wir die Freundlichkeit nicht gleich der Maschine?

Ich habe in dieser Woche eine kleine Runde gemacht: Venedig, Jeddah, Kuala Lumpur, Singapur und zurück über Jeddah nach Wien. Heute geht es von Wien nach Florenz, und damit ist die Woche geschafft. Das unverständlichste Reiseerlebnis hatte ich gerade eben in Wien.

Da steht nämlich heute – wo ohnehin bei allen die Nerven blank liegen: Sommerferien, Flugverspätungen, 30 Grad, Touristengruppen mit Führer und Fähnchen aus dem Ausland – die Gepäckpolizei von Austrian Airlines und versperrt den Weg zu den Gates. Jeder, und zwar ausnahmslos jeder Passagier wird gezwungen, sein Gepäck in die Schablone zu stecken und nachzuweisen, daß alles den Gepäckbestimmungen entspricht. Vier Mitarbeiter wachen darüber und produzieren eine beachtliche Schlange.

Generalverdacht statt Gastfreundschaft

Scharfe Handgepäckskontrolle bei Austrian: Erinnert an frühkindliche Erziehung mit Fisher-Price ( Bild: Austrian )

Liebe Austrian – fair enough, hier sollen ein paar Extra-Euros verdient werden an den ungezogenen Kunden, die sich nicht an die Regeln halten. Aber kann ich von Euch Reiseprofis nicht erwarten, daß Ihr seht, wer einen Cabin-Trolley hat, bei dem alles paßt? Habe ich nicht ein herzlich willkommen verdient statt des Generalverdachts, daß ich – als Vielflieger – die Prozesse störe oder die Gepäckregeln nicht verstehe, die spätestens mit Vielfliegerstatus so unübersichtlich werden, daß man ein Jurastudium braucht, um die T&C’s zu verstehen?

Der Kundendienst und das Prinzip Verantwortungslosigkeit

Am deutschen Wesen soll die Welt genesen – ich habe also den Austrian-Kundendienst am Flughafen auf die Situation und die völlig vermeidbare Schlange aufmerksam gemacht. Die Antwort: „Wir machen nur unseren Job.“ Wirklich? Ist der Job nicht, ein möglichst unkompliziertes und angenehmes Reiseerlebnis für Kunden zu schaffen?

Die Unzufriedenheit in der Lufthansa-Gruppe ist groß. Bei meinem letzten Flug nach Asien vor zwei Monaten – in einem Lufthansa-Airbus A350 mit der völlig veralteten Business Class – konnte man das hautnah erleben. Wir wurden als Fluggäste überhäuft mit Schokoladentäfelchen, Matratzenauflage, Nüsschen und einer kleinen Pralinenschachtel zum Abschied. Trostpflaster? Damit wir über die völlig verkorkste Flottenpolitik und die verstiegenen Pläne zur weltbesten, nie dagewesenen Allegris Business Class hinwegsehen, die schon veraltet ist, bevor sie überhaupt eingeführt wurde.

Tütenweise Willkommensgrüße

An dieser Stelle auch die Frage, was folgendes bedeuten soll: Nun gibt es zur Begrüßung eine Papiertüte mit Nüsschen und der Aufschrift „your welcome moment“. Soll ich mich zurücklehnen und mir vorstellen, es hätte mich jemand herzlich willkommen geheißen? – Ist das überhaupt Englisch? Klare Antwort: Nein, „your welcome moment“ ist kein korrektes Englisch. Es klingt zwar irgendwie vertraut, ist aber grammatikalisch und semantisch unsauber – ein typischer Fall von schlecht übersetztem Marketingsprech.

“Your welcome moment” – Was soll das heißen? – und wer hat sich das ausgedacht? (Bild: Facebook/ Lee Kline)

Im Englischen gibt es zwei Wörter:
– welcome (Begrüßung) – Substantiv oder Adjektiv: a warm welcome
– you’re welcome (gern geschehen) – Redewendung

„Your welcome moment“ wirkt daher wie eine Verwechslung mit you’re welcome oder wie ein schlecht zusammengesetzter Werbeslogan. Warum ist es trotzdem auf der Tüte? Hier wollte die LH Marketing Abteilung wohl besonders Englisch klingen. Für einen Muttersprachler klingt es irritierend bis unfreiwillig komisch. Also: Nein, lieber nicht zurücklehnen und sich willkommen fühlen – eher eine Tüte Humor öffnen.

Wir sind trotzdem froh. Denn eine Verbesserung ist sie allemal, die Allegris. Und auf vielen Strecken ist der Kranich nun mal alternativlos. Mein Nationalstolz macht meine Sympathie überdies nahezu unerschütterlich.

Singapur zeigt, wie es besser geht

Zum Schluß noch ein Loblied auf den Flughafen Singapur: eine Größe, die der heutigen Realität entspricht und nicht der von vor 20 Jahren. Vollautomatisierte Einreise mit Passkontrollen, bei denen man nicht einmal mehr den Paß scannen muß. Gesicht in die Kamera – und durch ist man. Und das gilt für alle Einreisenden, auch solche die zum ersten Mal in Singapore sind.

Biometrische Einreise ohne Reisepass. Die Dinger funktionieren nicht nur sondern sind auch in ausreichender Menge vorhanden. (Bild: Changi Airport Singapore )

Nun ist die Herzlichkeit den Singaporeans nicht in die Wiege gelegt, und Service gepaart mit Freundlichkeit auf amerikanischem Niveau ist in diesem südostasiatischen Land ein kultureller Spagat, den man kaum leisten kann. Also springt die Maschine ein – und die Einreiseschleuse (Passkontrolle ist es ja keine mehr) begrüßt mich sogar auf Deutsch. In meinem Fall mit „Willkommen zu Hause“ im Display.

Ganz ehrlich – alles Gerede von fehlender persönlicher Ansprache und Menschlichkeit: Wo keine Facharbeiter mehr zu bekommen sind, ist meine Hoffnung die Maschine.

Die Zukunft heißt Technik – nicht Tüte

Liebe Lufthansa-Gruppe – wenn Ihr es nicht lassen könnt: laßt bitte die Kamera-KI mit Augenmaß entscheiden, welches Handgepäck zu groß ist. Und nicht Hilfssheriffs, die Fluggäste kirre machen.

(Titelbild: Austrian Airlines)

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