103 Milliarden Euro: Deutsche Rekordinvestitionen in China

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De-Risking ist das große Thema der Politik – vor allem in Bezug auf China. Doch: Deutsche Unternehmen investieren mehr als je zuvor in China.

2021 hatten sie nach neuen Zahlen der Deutschen Bundesbank schon einen Bestand an Direktinvestitionen von fast 103 Milliarden Euro dort aufgebaut und damit erstmals die 100-Milliarden-Schwelle überschritten. Dabei gibt es etliche geopolitische Risiken – analysiert das Institut der deutschen Wirtschaft (IW).

Die deutsche Wirtschaft ist stark in China verwurzelt, es gibt bisher kaum Bemühungen, sich unabhängiger zu machen. 2022 kamen weitere 11,5 Milliarden Euro Direktinvestitionen hinzu auf jetzt 103 Milliarden Euro. Und das, obwohl die Unsicherheiten wachsen: Der Taiwan-Konflikt droht zu eskalieren, und mit der zweiten Großmacht USA liefert sich China ein Kräftemessen. Selbst die EU mahnt eindringlich zum sogenannten De-Risking.

Ungleichgewicht im Handel mit China

Deutsche Unternehmen investieren seit Jahren Milliarden in China – im Jahr 2022 dürfte der Bestand an FDI (Foreign Direct Investment, Direktinvestitionen) auf schätzungsweise rund 114 Milliarden Euro angewachsen sein. Das entspricht rund 7,2 Prozent aller ausländischen Investitionen der deutschen Wirtschaft, der Wert ist seit 2020 konstant. Allerdings steigt der absolute Wert – ähnlich wie bei sonstigen ausländischen Direktinvestitionen. Die Investitionen in China werden zum weit überwiegenden Teil von Unternehmen aus der produzierenden deutschen Industrie getätigt: Im Jahr 2020 entfielen 69 Prozent der deutschen China-Investitionen auf die Industrie.

Nur rund drei Prozent der gesamten deutschen Arbeitsplätze sind direkt oder indirekt vom Export nach China abhängig, selbst in der Industrie sind es weniger als sechs Prozent. Auch auf der Importseite ist China nur ein Partner von vielen, nach wie vor handelt Deutschland mit zahlreichen Partnern. Und zudem spielt auch die deutsche Wirtschaft selbst als Abnehmer und Lieferant eine wichtige Rolle, was Chinas Relevanz auch mindert.

Doch auch diese Entwicklung ist schwierig: Im Handel mit China ist in den vergangenen Jahren ein Ungleichgewicht entstanden. Die Importe aus China sind stark gestiegen, die Exporte kaum – damit erhöht sich bei einzelnen Produkten die ohnehin schon bestehende große Abhängigkeit noch weiter. So kommen Seltene Erden und einige pharmazeutische und chemische Grundstoffe fast ausschließlich aus China. Das macht Deutschland im geopolitischen Konfliktfall erpressbar.

Wie verflochten sind die deutschen Firmen mit China bei Auslandsinvestitionen?

Was die Abhängigkeit der von Unternehmensgewinnen aus China angeht, so ist diese allerdings weit geringer als angenommen. Aus den Investitionen deutscher Unternehmen in China flossen zwischen 2017 und 2021 jährlich Gewinne in Höhe von sieben bis elf Milliarden Euro nach Deutschland zurück. Damit hat China im internationalen Vergleich eine relevante Größenordnung erreicht und liegt mit zwölf bis 16 Prozent der Gewinnrückflüsse aus dem gesamten Ausland in etwa gleichauf mit den USA. Der Anteil der EU ist mit durchschnittlich 56 Prozent im Betrachtungszeitraum allerdings deutlich höher. Das zeigt eine Studie von Bertelsmann Stiftung, IW, MERICS und BDI, die die Gewinnsituation deutscher Unternehmen in China mit Sonderauswertungen von Bundesbank-Daten zum ersten Mal untersucht hat.

Die Autoren schlussfolgern, dass China im Vergleich zur EU damit für die deutsche Wirtschaft bei Direktinvestitionen im Ausland (foreign direct investment, FDI) und den Gewinnrückflüssen weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt. Wie beim Handel ist auch in dieser Hinsicht die deutsche Verflechtung mit dem europäischen Binnenmarkt am wichtigsten.

China-Investitionen sind besonders lukrativ

Allerdings sind die die Investitionen in China Im Vergleich zu anderen Märkten besonders lukrativ, angesichts der sieben Prozent der deutschen FDI-Bestände und der zwölf bis 16 Prozent der Gewinnrückflüsse aus FDI aus China. Für den BDI ist die Studie ein Signal der Entwarnung in der Diskussion um eine zu große China-Abhängigkeit: „Die Investitionen der Industrie in den vergangenen vier Jahren in China finanzieren sich in der Summe aus den dort erzielten Gewinnen. Kapital fließt also nicht im großen Stil von Deutschland nach China“, so Friedolin Strack, Leiter der Abteilung Internationale Märkte im BDI.

Die Gewinnrückflüsse aus China erzeugen nach Ansicht der Autoren in gesamtwirtschaftlicher Sicht keine kritische Abhängigkeit. Bei einzelnen Großunternehmen ist das anders, wobei die Autoren kritisieren, dass die Informationslage über solche firmenspezifischen geopolitischen Klumpenrisiken zu dünn ist. „Hier braucht es mehr Transparenz, auch auf der Ebene besonders in China exponierter deutscher Firmen. Investoren und Anleger sollten ein Interesse haben, mehr über solche Klumpenrisiken zu erfahren. Das Gleiche gilt für die Politik, um die tatsächliche Bedeutung deutscher Investitionen in China für den Standort Deutschland einschätzen zu können“, sagt Jürgen Matthes, Leiter der Abteilung Globale und regionale Märkte am IW.

Deutsche Exportperspektiven könnten geschwächt werden

Auch die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage unter rund drei Dutzend großen deutschen Firmen mit einem relevanten China-Engagement lassen mehr Transparenz im China-Geschäft sinnvoll erscheinen. Eine deutliche Mehrheit der befragten Firmen will bis 2030 Exporte aus Deutschland durch Produktion vor Ort ersetzen. Auch soll China zunehmend als Forschungsstandort und für den Export in Nachbarländer genutzt werden.

Daher warnt Max Zenglein, Chefökonom beim europäischen China-Thinktank MERICS: „Diese Vorhaben drohen die zukünftigen deutschen Exportperspektiven zu schwächen. Mittelfristig könnte das zulasten des Standorts Deutschland und der am Export nach China und Asien hängenden Arbeitsplätze gehen. Noch vor einigen Jahren war die gängige These, dass Investitionen in China automatisch auch dem Standort Deutschland nutzen. Heute müssen wir feststellen, dass der Trend zur Lokalisierung von Produktion nicht nur in China, sondern auch in anderen Weltregionen, mittel- und langfristig zulasten des Exports aus Deutschland heraus gehen wird.“

De-Risking ist unvermeidlich

Für die Wirtschaftspolitik in Deutschland und für die China-Strategie der Bundesregierung ergeben sich daher wichtige Ableitungen. „Die neue deutsche China-Politik sollte unabhängig von einzelnen Unternehmens- und Brancheninteressen ausgerichtet werden. Die Wohlstandssicherung für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland sollte im Vordergrund stehen“, sagt Cora Jungbluth, China-Expertin der Bertelsmann Stiftung.

De-Risking sei unvermeidlich, schließt das IW. Gerade bei besonders betroffenen Lieferketten müsse die Abhängigkeit reduziert werden. Die Wirtschaft muss sich nach alternativen Quellen umschauen. Studien belegen, dass sich Deutschland es durchaus leisten könnte, den Handel mit China allmählich und über ein paar Jahre zu reduzieren. Das erscheint alternativlos: Nur mit deutlich mehr Diversifizierung kann das Abhängigkeitsrisiko ausreichend verringert werden.

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