Der Abschied von Motivation und Incentives

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Wenn es um das Entwickeln von Mitarbeitern oder das Stärken des Wachstums allgemein geht, herrscht fast immer Einigkeit: Ein Schlüssel dazu sind die Mitarbeitenden und die angemessene Führung. Damit endet die Übereinkunft.

Tatsächlich, das ist auch an der immer noch ständig wachsenden Anzahl an Büchern, Fachartikeln, Vorträgen zum Thema «Führung» zu erkennen, besteht noch ein hoher Informationsbedarf, ein Weiterentwicklungsbedarf, ja, ein Neuigkeitsbedarf seitens der Inhaber und Lenker von Unternehmen, was das Thema «Führung» anbelangt. Generation «Y» («Why»?), Motivationsprogramme, Ansporn-, Verzeihung – Anreizsysteme, die zehn Faktoren erfolgreicher Wachstumsführung, alles das sind Themen, die vom Markt nachgefragt werden und in denen die Leser der entsprechenden Literatur sehnsüchtig nach neu-en Formeln, Verfahren, Methoden suchen. Sie suchen vergebens. Die meisten Menschen ändern sich nicht so radikal, wie man uns glauben machen mag. Langsam kommen sogar die ersten Zweifel – aus durchaus ernst zu nehmenden Quellen – auf, ob die Generation «Y» tatsächlich so deutlich anders ist als die Generationen vor ihr, oder ob es nicht etwa nur Facetten seien, die den Unterschied ausmachen. Über «die» Menschen, «die» Rentner, «die» Generation XY zu sprechen, halte ich ohnehin für fahrlässig. Genug der Kritik, was sind vielversprechende Ansätze, was funktioniert regelhaft, worauf sollte getrost verzichtet werden?
Eine gute Führungskraft verzichtet auf extrinsische Mitarbeitermotivation

Der Titel dieses Abschnitts lässt es schon vermuten, beginnen wir also damit, was nicht funktioniert: Motivationsprogramme gehören zum Beispiel dazu. Ich möchte noch weiter gehen und den grundsätzlichen Denkansatz, dass es der äußeren Motivation der Mitarbeiter bedürfe, infrage stellen. Mitarbeiter sind hoch motiviert, wenn sie in einem Unternehmen einen Arbeitsvertrag unterschreiben, sonst würden sie das in der Regel nicht tun. Mag es auch aus verschiedenen Gründen Ausnahmen von der Regel geben, kann erst einmal unterstellt werden, dass Mitarbeiter an  ihrem ersten Arbeitstag hoch motiviert zur Arbeit kommen. Warum sollte das nicht so bleiben? Warum müssen Mitarbeiter irgendwann motiviert werden? Warum hört man regelhaft Wir müssen die Mitarbeiter motivieren?
Extrinsische Motivation, also der Antrieb von außen, ist sehr begrenzt. Er ist wie eine Droge, muss immer öfter und immer stärker erfolgen, will er weiter wirken. Eine gute Führungskraft weiß das und verzichtet darauf. Sie schafft vielmehr einen Rahmen, innerhalb dessen ein Mitarbeiter seine intrinsische Motivation, die er oder sie mitbringt, weiter ausbauen kann. Das geschieht in Unternehmen noch zu selten, aber wachstumsstarke Unternehmen setzen genau auf diesen Faktor: Innerhalb von definierten Leitplanken und Regeln können Mitarbeiter ihre Verantwortung wahrnehmen. Dazu gehört natürlich auch, dass man über Verantwortung spricht. Die Frage Wofür, meinen Sie, sind Sie bei uns verantwortlich? ist eine sehr kraftvolle Frage, die einen spannenden Führungsdialog eröffnet, der weit mehr zur Erhaltung und zum Ausbau der Motivation eines Mitarbeiters beiträgt als eine «Motivationsveranstaltung» mit den Kollegen auf einer einsamen Insel. Führung bedeutet, einen Rahmen geben und dafür zu sorgen, dass dieser Rahmen wahrgenommen wird. Führung bedeutet nicht, Mitarbeiter zu bespaßen. Der nächste Aspekt, der regelhaft nicht funktioniert, ist eng mit Motivationsbestrebungen verbunden und recht häufig anzutreffen. Es handelt sich um den Irrtum, der von Incentivierungsprogrammen ausgeht. Der Gedanke – und Fehler – dahinter, ist die Annahme, dass Mitarbeiter schneller, höher, weiter springen, wenn man ihnen eine Möhre vor die Nase hält. Nach Zusammenarbeit mit annähernd 200 Unternehmen und Organisationen weiß ich, dass das viel kostet und in der Regel nichts bringt.

Prämien sorgen nicht für ein höheres Engagement

Gute Führung sieht anders aus, als ein behavioristisches Bild von Mitarbeitern zu haben. Insbesondere dem Vertrieb wird nachgesagt, dass er monetär incentiviert werden müsste, damit er noch mehr leistet. Wer solche Programme in Aktion erlebt hat und ehrlich ist, wird feststellen, dass monetäre Anreizsysteme dafür sorgen, dass die mögliche Prämie bereits durch den Mitarbeiter «eingepreist» wird, dass die Prämie also gedanklich bereits auf «Haben» gestellt wird. Es entsteht eine hohe Enttäuschung, wenn die Prämie nicht oder nicht in voller Höhe folgt. In manchen Unternehmen geht dies so weit, dass die Ziele unterjährig noch verändert werden, weil die Prämie zu hoch würde, oder die Gesamtlage des Unternehmens keine Prämienauszahlung erlaubt, oder ein Dissens über die Messgrößen besteht. Besonders wachstumshemmend wird dies, wenn das Grundgehalt, das ja eine gewisse Funktion der Unternehmenshygiene darstellt, zu gering ist. Prämien sorgen jedenfalls nicht dafür, dass Mitarbeiter sich mehr einsetzen, das ist meine Beobachtung. In einem Beratungsprojekt bei einem mittelständischen Unternehmen, das der Vertriebsaktivierung diente, haben wir neben vielen anderen Maßnahmen auch das Grundgehalt der Vertriebsmitarbeiter angehoben, den variablen Anteil gesenkt. Nun bin ich nicht dafür bekannt, das Geld meiner Klienten zu verschenken, aber da das Grundgehalt der Mitarbeiter so niedrig war, dass sie auf die Prämie, deren Höhe immer wieder diskutiert wurde, angewiesen waren, war das Unternehmen gehaltskulturell in einer desaströsen Situation. Das Vertriebsaktivierungsprojekt war ein großer Erfolg für das Unternehmen, auch dadurch gestützt, dass die Mitarbeiter im Außendienst nun das Gefühl hatten, sie wurden fair vergütet. Der Marktanteil, das Preisniveau, die Kundenanzahl stieg und den Mitarbeitern machte das Ausbauen des Marktes wieder Freude. Wohlgemerkt: Das Vergütungsniveau war nicht die einzige Schlüsselmaßnahme, aber eine beitragende.

Die echten Motivationsfaktoren

Führungskräfte, die dafür sorgen, dass das Motivationsniveau der Mitarbeiter gehalten und sogar ausgebaut wird, stellen Folgendes sicher: Sie schaffen einen Rahmen für ein autonomes Handeln der Mitarbeiter durch klare Leitplanken und Regeln. Sie stellen sicher, dass die Mitarbeiter Klarheit über ihre Verantwortung haben, zum Beispiel durch die Frage Wofür sind Sie bei uns verantwortlich? Sie tragen dafür Sorge, dass die Mitarbeiter über die fachlichen und persönlichen Eigenschaften verfügen, deren es bedarf, um diese Verantwortung wahrzunehmen. Sie sprechen mit den Mitarbeitern über den sachlichen Nutzen und den Sinn der Arbeit und nicht über irgendwelche Tätigkeiten. Sie widmen Ihren Mitarbeitern regelhaft Aufmerksamkeit durch Lob, Anregung und durch Kritik und helfen den Mitarbeitern dabei, im Unternehmen ein soziales Gefüge zu bilden, das sich unterstützt und füreinander interessiert. Führungskräfte, die dies tun, erweisen nicht nur sich selbst und den von ihnen geführten Mitarbeitern einen Gefallen, sie sorgen auch direkt für Wachstum, denn Autonomie im Rahmen von Leitplanken, das Erkennen von Sinn und Nutzen der Arbeit und Aufmerksamkeit, einhergehend mit sozialer Interaktion sind die wesentlichen Faktoren, die Motivation erhalten und sie auszubauen erlauben. Dies nennen wir wachstumsorientierte Führung. Und diese bewegt sich weit jenseits der anachronistischen Motivations- und Incentiveprogramme.

 

 

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