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Der Staat darf kein Vormund sein
Es werden immer mehr neue Regulierungsideen der aktuellen Bundesregierung bekannt, die das konkrete Verhalten der Bürger reglementieren sollen. Wie jetzt das geplante Werbeverbot für „ungesunde Lebensmittel“. Natürlich wird das immer damit begründet, dass es ja nur zu ihrem Besten und daher in deren Interesse sei. Aber es geht um mehr bei diesem Streit. Es geht um die Grenzen der staatlichen Bevormundung.
Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch
Vom Reduzieren des Fleischkonsums in der Kantine des Landwirtschaftsministeriums, über die Kennzeichnung von jedwedem Produkt nach Tierhaltung oder Zuckergehalt bis zum Verbot des Rauchens in privaten PKW im Beisein von Kindern – der gesunde Menschenverstand sollte ausreichen, um das Rauchen in Gegenwart von Kindern zu unterlassen – ist das Angebot der neuen Regulierungen wirklich vielfältig. Wahrscheinlich ist eine der einschneidendsten neuen Regulierungsabsichten das Werbeverbot für „ungesunde Lebensmittel“, besonders im Blick auf Kinder. Dabei geht es eigentlich immer um die Frage, wie weit der Staat der fürsorgliche Vormund freier Bürger sein darf.
Das „Kinderlebensmittel-Werbegesetz“ ist ein Beispiel für falschen staatlichen Paternalismus
Seit vielen Jahren kann man an den Verkaufsstellen für Zigaretten eine breite Palette von verstörenden Bildern sehen, die jedenfalls in einer Schule ohne Vorwarnung wegen des Grundsatzes des „Beschützens vor unbehaglichen Ideen“ gar nicht mehr gezeigt werden dürften. Die aktive Zigarettenwerbung ist schon lange eng begrenzt oder verboten. Die Wirkung auf den tatsächlichen Konsum von Zigaretten ist umstritten, jedenfalls raucht die junge Generation wieder mehr.
Was bei dem relativ eng begrenzten und mit offensichtlichen Suchtgefahren verbundenen Wirtschaftsbereich der Tabakwaren möglicherweise auch im Angesicht der so wichtigen Konsumentenfreiheit noch akzeptabel ist, soll jetzt die zentralen Bereiche der Ernährung, nämlich alle mit einem höheren Gehalt an Zucker, Fett oder Salz verbundenen Nahrungsmittel, umfassen. Die Regelungen im Entwurf des „Kinderlebensmittel-Werbegesetz“ verletzen nicht nur die Regeln einer marktwirtschaftlichen Ordnung, sie entspringen auch einem staatlichen Bevormundungsdenken, dass die heutige Politik prägt, ihr aber nicht zusteht.
Nach dem jetzigen Gesetzesentwurf geht es vordergründig um den Schutz der Kinder. Sie sollen etwa nicht zum Genuss von Süßigkeiten angeregt werden. Der Staat maßt sich damit an, sowohl über die räumliche Verbreitung von Produktwerbung – 100 Meter im Umkreis von Schulen, Werbung nur in den Nachtstunden – als auch die qualitative Einordnung von Produkten – natürlich Schokolade, aber auch Joghurt – zu entscheiden. Außerdem spricht er den Eltern jegliche Erziehungsqualität ab.
Inzwischen wird deutlich, wie manipulativ dies alles sein wird, denn auf Druck der Bauern wird wohl normale Milch trotz hohen Fettgehalts wieder aus dem Gesetzentwurf herausgenommen. Werbung für vom Staat mehr oder weniger willkürlich als ungesund definierte Lebensmittel soll in Medien wie Hörfunk, gedruckten Veröffentlichungen, Internetseiten, im Fernsehen, auf Video-Sharing-Plattformen und beim Influencer-Marketing reguliert werden. Im Fernsehen und Radio ist werktags gar ein Werbeverbot im Zeitraum von 17 bis 22 Uhr, samstags zusätzlich von 8 bis 11 Uhr und sonntags von 8 bis 22 Uhr vorgesehen. Im ersten Entwurf war sogar ein Verbot von 6 bis 23 Uhr an jedem Wochentag geplant. Das ist in Wirklichkeit nicht der Schutz der Kinder, sondern ein allgemeiner Staatspaternalismus! Das Werbeverbot zu den Zeiten, in denen die meisten Menschen die Medien nutzen, ist zugleich ein bisher nie dagewesener Eingriff in die Gewerbefreiheit.
Nicht alle Fehler, die wir machen, rechtfertigen Gesetze
Um nicht missverstanden zu werden: Adiposität ist ein großes Problem. Information, ja sogar Warnung und Mahnung, kann man einer Regierung nicht verwehren. Selbstverständlich können Ärzte und Krankenkassen Programme zum Thema Zucker starten. Schulen sollten Ernährungskunde als Bestandteil ihres Unterrichts haben.
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Aber wir sind ein freies Land. Wir haben das großartige Recht, selbst zu entscheiden, was wir tun. Wir dürfen uns auch gefährden, ohne dass der Staat die Verantwortung für unser Glück oder unsere Gesundheit an sich zieht. Man könnte jetzt einwenden, es gehe doch um die Kinder. Das ist richtig, aber da gibt es die Eltern mit ihrer Verantwortung und ihrem Erziehungsrecht. Unsere Verfassung ermächtigt den Staat nicht, in diese alleinige Verantwortung der Eltern wegen allgemeiner Ernährungsfragen einzugreifen. Das weiß der Minister, deshalb kein Schokoladenverbot sondern „nur“ ein Werbeverbot.
Glück und Lebensweise werden nicht durch Gesetz bestimmt
Aber es geht um mehr bei diesem Streit. Es geht um die Grenzen der staatlichen Bevormundung. Der Veggie-Day war ja eher eine überflüssige Schnapsidee. Aber jetzt muss man fragen, ob das so bleibt. Werbung für Fleisch, Werbung für Alkohol, Werbung für Video-Spiele; das alles kann man auch gefährlich und gesundheitsgefährdend nennen. Aber es geht den Staat nichts an. Das Glück und die Lebensweise werden nicht durch Gesetze geregelt, und der Staat ist weder schlauer noch moralischer als jeder Einzelne von uns. Vor allem ist er, auch wenn einige Politiker das meinen, für das Glück jedes Einzelnen nicht zuständig oder gar verantwortlich. Wenn wir, etwa mit dem Konsum eines Produktes wie Schokolade oder rotem Fleisch, unsere Gesundheit möglicherweise langfristig schaden, so muss es unsere eigene Entscheidung für oder wider den Konsum bleiben – es versteht sich von selbst, dass wir die Konsequenzen in jeden Fall tragen. Aber genau das macht Freiheit, Selbstbestimmung und vor allem Eigenverantwortung aus!
Staatliche Bevormundung stört auch den wirtschaftlichen Wettbewerb
Es bleibt zudem auch eine ökonomische Abwägung: Mit dem Werbeverbot wird ein beachtlicher Teil der Medien in Deutschland massive Existenzprobleme bekommen. Mittelständische Nahrungsmittelproduzenten werden praktisch keine Chance mehr haben, einen Markt gegen die alten Platzhirsche zu erobern. Das Quasi-Monopol der Etablierten verzerrt den Markt und ist eine Einladung zu Preiserhöhungen.
Und: Fragen Sie sich doch einmal selbst: Glauben Sie allen Ernstes, Kinder würden auf Schokolade verzichten, weil der Staat die Werbung verbietet?
Man muss es so hart formulieren: Die politischen „Glücklichmacher“ bedrohen die Freiheit und sie nehmen in unzulässiger Weise Einfluss auf uns alle. Einzelne vor Bedrohungen zu schützen, klingt so sensibel und verantwortlich. Aber der Staat muss uns – jedem Einzelnen – den Vortritt lassen.
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Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos
Sehr geehrter Herr Prof. Koch, vielen Dank für Ihren Beitrag.
Wenn ich den Beitrag richtig verstehe, ist Ihre Kernthese, dass Bundesernährungminister Özdemir mit seinem Vorschlag für eine Werberegulierung die Grenzen der staatlichen Bevormundung überschreitet. Das begründen Sie mit der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung der Bürger:innen, die Sie gefährdet sehen, sowie mit Auswirkungen auf den ökonomischen Wettbewerb und die Gewerbefreiheit. Beides ist meines Erachtens nicht gegeben und nicht nachvollziehbar belegt, wie ich mit diesem Kommentar darlegen möchte. Über eine Antwort auf meine Argumente würde ich mich freuen.
1. Zum Schutz der individuellen Freiheit und Selbstbestimmung:
Anders als Sie es darstellen, ist das Ziel der Werberegulierung eindeutig, Kinder zu schützen. Die vorgeschlagenen Uhrzeiten umfassen genau jene Zeiträume, in denen Kinder unter 14 Jahren das stärkste Mediennutzungsverhalten aufweisen (vgl. S. Feierabend, J. Scolari (2022). Was Kinder sehen. Eine Analyse der Fernsehnutzung Drei- bis 13-Jähriger 2021. Media Perspektiven 4/2022).
Auch das angewandte Nährwert-Modell ist genau für diesen Zweck, Kinder zu schützen, von der WHO entwickelt worden (WHO Regional Office for Europe nutrient profile model: second edition. Copenhagen: WHO Regional Office for Europe; 2023. Licence: CC BY-NC-SA 3.0 IGO). Wenn die Werberegulierung zu diesen Zeiten greifen soll und dafür das WHO-Modell als Grundlage dienen soll, dient das offensichtlich dem Schutz von Kinder unter 14 Jahren, um die es im Koalitionsvertrag geht. Die Ausgestaltung folgt Empfehlungen der Kinder- und Jugendmedizin, Krankenkassen, medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften und Elternverbänden.
Dass in der Folge auch Erwachsene weniger Werbung für Lebensmittel mit einem hohen Gehalt an Fett, Zucker, Salz sehen ist ein unvermeidbarer Nebeneffekt. Kinder leben nun einmal nicht in einer Blase. Etwa jede Dritte der beliebtesten Sendungen von Kindern unter 14 Jahren ist kein Comic oder Zeichentrick, sondern ein Familienformat wie z.B. Familienfilme, Castingshow oder Fußballübertragung.
Ihre ganze Argumentation, die auf die Selbstbestimmung und individuelle Freiheit abzielt, ist somit hinfällig. Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Bei Kindern kommt dem Staat eine ganz besondere Schutzpflicht zu, die ganz und gar nicht alleinig den Eltern obliegt. Nach der UN-Kinderrechtskonvention erkennt Deutschland das Recht des Kindes auf das erreichbare Höchstmaß an Gesundheit an. Dieses erreichbare Höchstmaß ist angesichts der Raten von Übergewicht und Adipositas, welchen das RKI ein „hohes Niveau“ attestiert, bei weitem nicht erreicht.
Dass der Staat bei Kindern seine Rolle auf Information beschränken sollte, ist eine sehr eigenwillige Auslegung staatlicher Pflichten. Nach dieser Logik wäre keine Verkehrsberuhigung vor einer Schule oder Kita gerechtfertigt. Schließlich könnte der Staat ja auch Autofahrende, Eltern und Kinder vor den Gefahren des Straßenverkehrs warnen anstatt Schutzmaßnahmen zu ergreifen.
Last but not least: Anders als Sie es darstellen, ist eine Werbebeschränkung kein Eingriff in die souveräne Konsumentscheidung, im Gegenteil! Wenn Kinder in Folge einer Regulierung weniger Werbung für Lebensmittel mit viel Zucker, Fett, Salz ausgesetzt sind, ist das keine Bevormundung, sondern stärkt die souveräne und freie Entscheidung der Eltern und Familien – aktuell wird diese freie Entscheidung beeinträchtigt, da Werbeeinflüsse sich in die Erziehung der Eltern „einmischen“ dürfen. Vor diesem Hintergrund ist es wenig verwunderlich, dass es große Mehrheiten FÜR entsprechende Werberegeln gibt, insbesondere unter Eltern/Großeltern – wie eine große Anzahl repräsentativer Befragungen dokumentiert.
1. Zum wirtschaftlichen Wettbewerb
Für Ihre These, mit dem Werbeverbot werde ein „beachtlicher Teil der Medien in Deutschland massive Existenzprobleme bekommen“ fehlt jeder Beleg. Die teils verbreiteten Schreckensszenarien im Rahmen von Auftragsgutachten, die Sie hier möglicherweise meinen könnten, sind methodisch höchst fragwürdig. Die darin vertretene Grundannahme, die aktuellen Werbeeinnahmen durch Lebensmittel mit viel Zucker, Fett, Salz fielen ersatzlos weg, ist an den Haaren herbeigezogen.
a. Beachten die Berechnungen zu den Auswirkungen auf Werbeeinnahmen nicht, dass in Folge einer Regelung Werbebudgets umgeschichtet werden und stattdessen andere Güter wie z.B. Kosmetik oder aber Lebensmittel mit ausgewogenen Rezepturen, welche die vorgeschlagenen Grenzwerte für Zucker, Fett, Salz einhalten, beworben werden. Dass in den allermeisten Produktkategorien schon bei den aktuellen Rezepturen ein beträchtlicher Anteil der Lebensmittel weiter beworben werden könnte, konnte ein Praxistest der LMU München zeigen (vgl. https://www.dank-allianz.de/pressemeldung/studie-mit-660-produkten-who-naehrwertmodell-ist-praxistauglich-fuer-werberegeln-gesundheitsbuendnis-dank-aussagen-der-werbeindustrie-nicht-haltbar.html).
b. Beachten die Berechnungen nicht, dass Lebensmittelhersteller in Folge einer Regulierung Rezepturen anpassen könnten, z.B. Fett, Zucker, Salz reduzieren, um dann weiter uneingeschränkt werben zu können. Welch große Potenziale in einigen Produktkategorien vorliegen, z.B. bei Fertiglebensmitteln oder Backwaren, zeigt der o.g. Praxistest der LMU München ebenfalls.
c. Beziehung sich die mir bekannten Berechnungen auf den ersten Entwurf des BMEL mit der Uhrzeiten-Regelung von 6-23 Uhr und nicht auf den aktuellen Vorschlag, laut dem die Werberegulierung nur zu den Zeiten der „Kinder-Primetime“ greifen soll.
Wie kommen Sie trotzdem zu der Auffassung, ein „beachtlicher Teil der Medien in Deutschland“ bekomme „massive Existenzprobleme“?
Auch für Ihre These mittelständische Nahrungsmittelproduzenten hätten „praktisch keine Chance mehr haben, einen Markt gegen die alten Platzhirsche zu erobern“ ist eine These, für die jedweder Beleg fehlt. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Werbung für Lebensmittel mit weniger Zucker, Fett, Salz weiterhin uneingeschränkt erlaubt sein soll, erschließt sich das Argument ohnehin nicht. Im Gegenteil: Hersteller mit gesunden Rezepturen hätten in einem Markt mit einer Werberegulierung enorme Wettbewerbsvorteile gegenüber Anbietern, die viel Zucker, Fett, Salz in ihre Produkte mischen. Wie kommen Sie vor diesem Hintergrund zu der These, es sei praktisch unmöglich, Produktinnovationen zu etablieren?
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Oliver Huizinga, Politischer Geschäftsführer der Deutschen Adipositas-Gesellschaft (DAG)
Sehr geehrter Herr Huizinga,
ich danke meinerseits, dass Sie auf meinen Beitrag reagieren. Nur so funktioniert kritischer Dialog, der oft zu kurz kommt.
Lassen Sie mich vorab deutlich sagen, dass mir das Anliegen der Deutschen Adipositas-Gesellschaft bekannt ist und ich die Intentionen teile. Es ist wichtig, dass das Thema eine gut vernehmbare Stimme in der Diskussion hat. Daher verstehe ich auch, dass es ihnen am liebsten wäre, wenn die von ihnen beobachteten Fehlentwicklungen vom Gesetzgeber aufgenommen, bekämpft und beseitigt werden.
Da allerdings sind wir sehr prinzipiell nicht mehr einer Meinung. Jede staatliche Aktivität begrenzt grundsätzlich persönliche Freiheit. Das ist in einem Land, das die persönliche Freiheit in den Mittelpunkt seines Menschenbildes stellt, nur dann legitim, wenn es für das Zusammenleben der Gesellschaft unbedingt erforderlich ist. Sicherheit, Eigentum, solidarische Sicherungssystem, der Schutz der Umwelt, sind sicher gute Beispiele für die notwendige Beschränkung persönlicher Freiheit durch staatliche Vorgaben. Ich bleibe überzeugt, dass es jedem einzelnen in einer modernen Gesellschaft besser geht, wenn der Staat seinen Einfluss in engen Grenzen hält.
Zur Sicherheit gehört, dass jeder Einzelne vor Schädigungen durch andere geschützt wird. Aber es gehört eben nicht dazu, dass der Staat jedermann davor schützt, sich selbst zu schädigen. Insoweit Adipositas durch persönliche Lebensformen begünstigt wird, sollte jedermann Zugang zu diesen Informationen haben, damit aber endet auch der Arm des Gesetzgebers. Werbung ist in diesem Zusammenhang eine relevante Form, Informationen über die Produkte des eigenen Interesses zu erhalten und zugleich die einzige Möglichkeit, verschieden Produkte und Produzenten vor den Augen der Verbraucher konkurrieren zu lassen. Aus diesen Gründen ist jedes Werbeverbot falsch.
Nun wenden Sie ein, es handele sich um Kinder. Wir reden zum einen über sehr junge Kinder, die tatsächlich noch keinerlei Eigenverantwortung übernehmen sollten. Die kaufen aber auch keine Süßigkeiten. Sie bekommen sie von den Eltern oder sie bekommen das Geld von den Eltern. Solange Kinder unmündig sind, ersetzen Eltern die Entscheidungsmacht der Kinder, aber nicht der Staat. Das Argument, Eltern seien dazu teilweise nicht in der Lage, empfinde ich als einen Versuch der freiheitsbeeinträchtigenden Bevormundung, den ich ablehne. Bei Jugendlichen wirken diese Werbeverbote ohnehin nicht mehr, denn sie beziehen die Informationen aus ihrer sozialen Umgebung, wo ein Werbeverbot sinnlos, Information aber wichtig ist.
Es ist deshalb richtig, dass staatliche Regeln für Transparenz sorgen. Verbraucheraufklärung, Gesundheitsaufklärung und verpflichtende Produktinformationen sind wünschenswert und dienen einer besseren freien Entscheidung. Aber auch Werbung ist legitim und eine funktionierende breite Werbewirtschaft ist Voraussetzung einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung, wie es unsere Soziale Marktwirtschaft ist. Die Werbung für Lebensmittel würde durch die beabsichtigte Regelung weitgehend unterbunden, was einen großen Teil der Werbewirtschaft unstreitig betrifft. Das gilt auch nachdem die Zeiten des Werbeverbotes in einer zweiten Fassung des Regierungsentwurfs reduziert wurden. Dass es ohne offensive Werbung keine Chance zum Eintritt neuer Produzenten in die Märkte gibt, ist, trotz ihrer Frage, wohl eher eine allgemein unbestrittene Erkenntnis.
Betrachtet man die Liste der Produkte, die jetzt im Regierungsentwurf mit dem Werbebann belegt werden, sieht man, welchen breiten Eingriff in das alltägliche Leben der Familien der Staat ins Auge fasst. Natürlich gibt es heute viele Familien, die ihre Kinder vom Schokoladenaufstrich beim Frühstück bis zum Fast Food von allem fernhalten. Das ist deren Entscheidung, aber eben ihre persönliche Entscheidung im Dialog mit ihren Kindern, die ihr ganzes Leben lang einer Vielzahl von Verlockungen ausgesetzt sein werden. Freiheit eben.
Abschließend sende ich Ihnen noch den Link zu einem meiner früheren Kommentare zur Wirtschaftspolitik, in dem ich die Wirkung der britischen Zuckersteuer beschreibe ( https://www.ludwig-erhard.de/erhard-aktuell/kommentar/was-soziale-marktwirtschaft-und-zuckrige-limonade-miteinander-zu-tun-haben/ ). Dagegen ist aus marktwirtschaftlicher Sicht nichts zu sagen. Die Steuer gilt für alle, schafft transparenten Wettbewerb und bringt gesellschaftliche Kosten in den Preis eines Produktes ein. Ein Werbeverbot mit absurden Plakatverboten im Umkreis von 100 Metern von Schulen (wer soll das kontrollieren?) für eine Unzahl von Produkten (wer soll die kontrollieren?) ist ganz sicher der falsche Weg.