Der „Wumms“ ist verhallt

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Deutschlands Wirtschaft ist in der Krise. Ein offenbar noch von den Zeiten des „Doppel-Wumms“ geprägter Bundeskanzler hält das lediglich für schlechte Stimmung und bleibt bei seiner These aus dem Frühjahr 2023: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können, wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren.“

Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch

Doch es bröckelt an allen Fronten. Schritt für Schritt haben die Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognose für 2024 ins Minus gedreht (aktuell: Schrumpfung von 0,1 Prozent). Die Arbeitslosigkeit beginnt trotz „Alterungsschwund“ zu steigen. Der Geschäftsklimaindex macht wenig Hoffnung.

Der Kanzler und das Wirtschaftswunder

Woher kam und kommt also die Hoffnung des Kanzlers? Man kann ihm nicht unterstellen, er habe wirklich an ein metaphysisches „Wunder“ geglaubt. Möglicherweise war ihm auch nicht gegenwärtig, warum Ludwig Erhard den Begriff „Wirtschaftswunder“ zeitlebens abgelehnt hat, sah er doch den wirtschaftlichen Aufstieg der Bundesrepublik als Folge von harter Arbeit, Wiederaufbauwillen und – in den ersten Jahren – dem Verzicht auf die Erfüllung ambitionierter Konsumwünsche. Für Erhard war das keinesfalls ein Wunder, das sich über Nacht einstellte.

Olaf Scholz macht jedoch nie den Eindruck, dass er die Prioritäten ebenso setzt. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine schuf er die Illusion, die „Zeitenwende“ gehe an den Budgets der Bürger nahezu folgenlos vorüber. Noch immer verspricht er, dass eine stabile Rente auch künftig ohne zusätzliche Anstrengungen zu erreichen sei.

Was dagegen der „Wumms“ vermuten lässt, ist, dass Scholz an die wundergleiche Wirkung großer staatlicher Summen glaubt. Da war die Hoffnung auf die immensen Schuldenpotentiale, die er im sogenannten Transformationsfonds gesehen hatte. Seine Hoffnung ist an den Toren des Bundesverfassungsgerichts zerschellt.

Da waren die entgegen der Gesetze der Ökonomie aufgerufenen Sondersubventionen für große ausländische Investoren; mit Intel ist der größte Coup bereits geplatzt. Da war die Illusion einer gut geplanten Energiewende, die milliardenschwere private Investitionen – von der Heizung bis zum E-Auto – freisetzt und die gerade für so viele deutsche Unternehmen im Desaster endet. Und nicht zuletzt die tiefen Taschen für einzelne Firmenrettungen, wie vor drei Wochen bei der Meyer Werft, Deutschlands größter Werft für Kreuzfahrtschiffe. Alle diese vermeintlichen „Wunder“ waren auf Staatsgeld, zumeist staatliche Schulden, aufgebaut. Kein einziger Vorschlag rechnete sich aus erwirtschafteten Einnahmen, gar aus Gewinnen. Am Ende stehen ein überlasteter Staatshaushalt und das Versiegen privater Investitionen, vor allem internationaler Investitionen in Deutschland.

Rettungshilfe und Subventionen sind trügerische Hoffnungen

In dieser Krise kommt die Gefahr hinzu, dass nun das „große Retten“ ansteht, um strauchelnde Unternehmen – von der Schiffswerft bis zur Autoindustrie – mit weiterem, nicht vorhandenem Staatsgeld zu retten. Jetzt, nach dem Intel-Rückzieher und der mit dem Scheitern bedrohten ökologischen Transformation wächst auch die Erkenntnis, dass es wenige Beispiele einer gelungenen Konversion gibt, die mit staatlichen Zuschüssen an einzelne Unternehmen zusammenhängen. Vielmehr ist es leider so, dass diese Hilfen an die Bewahrung der stolzen Vergangenheit und Arbeitskräfte in unwirtschaftlichen Strukturen gebunden werden, anstatt sie für die Infrastruktur der Zukunft oder gar eine allgemeine steuerliche Entlastung der Wirtschaft einzusetzen.

„Genau da liegt das Problem des Denkens in den Kategorien des staatlichen „Wumms“. Ob ökologische Transformation, Digitalisierung oder der Sprung in die künstliche Intelligenz – alles rechnet sich in Deutschland nur noch mit Staatszuschüssen“

Da solche politischen Rettungsaktionen ohnehin nur für Großkonzerne gestartet werden und der traditionelle Mittelstand dabei leer ausgeht, handelt es sich bei jedem „Einzelfall“ immer um große Förderbeträge. Besonders fatal: Wenn die Politik meint, alte Industrien retten zu müssen, steigt zugleich die Versuchung, neue, zukunftsträchtige Ansiedlungen nicht nur durch Rahmenbedingungen, sondern zusätzlich durch direkte Finanzierungen attraktiv zu machen. Da stehen wir heute.

Es sind nicht nur die zehn Milliarden Euro für Intel und eine Milliarde Euro für ein Batteriewerk. Die Gesamtsumme der verschiedenen Subventionen soll nach den Haushaltsplänen von 24 Milliarden Euro im Jahr 2021 auf 48 Milliarden Euro im Jahr 2024 ansteigen. Sogenannte Differenz-Kontrakte, die die Energiewende in der Schwerindustrie finanzieren sollen, sind noch nicht eingerechnet. Auch da sind allein für die Thyssenkrupp AG über zwei Milliarden Euro im Spiel. Bitte behalten wir im Hinterkopf: Die EU hat nach Corona einen Subventionstopf von 700 Milliarden Euro geschaffen; in dem vor wenigen Tagen veröffentlichten Bericht des ehemaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi wird eine Verstetigung dieser Massensubvention auf diesem Niveau für ganz Europa vorgeschlagen. Dass dazu dann fortwährend neue Schulden gemacht werden müssen versteht sich nahezu von selbst.

Gewinnchancen sind wichtiger als Staatszuschüsse

Genau da liegt das Problem des Denkens in den Kategorien des staatlichen „Wumms“. Ob ökologische Transformation, Digitalisierung oder der Sprung in die künstliche Intelligenz – alles rechnet sich in Deutschland nur noch mit Staatszuschüssen. Wer ohne Subventionen Gewinn macht, der ist im Zweifel einfach nicht clever genug. So ablehnend die Wirtschaft dem regulierenden Staat gegenübersteht: Gute Argumente für eine neue staatliche Förderung und eine eilige staatliche Rettung gibt es immer. So bricht der Damm und über die These vom harten Ausleseprozess des Marktes wird müde gelächelt. Aber das ist kein Wirtschaftswunder, dass ist bestenfalls ein Strohfeuer.

Der Staat muss Rahmenbedingungen für profitables Wirtschaften schaffen. Günstiger Strom muss günstige Produktionsbedingungen haben. Umweltschutz muss durch Märkte für Zertifikate geschaffen werden, nicht durch Zuschüsse. Steuern müssen weltweit wettbewerbsfähige Höhen haben und den Standort für erfolgreiche Unternehmer attraktiv halten. Bürokratie in allen Ausprägungen muss sich rechtfertigen, indem sie Innovationen und Investitionen mit allen Mitteln fördert anstatt sie zu behindern.

Harte Kurskorrektur nötig

Ich bin mir bewusst, dass es neben Politikern wie Olaf Scholz und Robert Habeck auch einige Wissenschaftler wie Mariana Mazzucato gibt, die glauben, eine gute wirtschaftliche Zukunft hänge von staatlichen Unternehmenszuschüssen und Investitionen ab. Auf dieser Spekulation basiert der Optimismus und die Strategie jedenfalls von SPD und Grünen in der aktuellen Regierung. So verlockend das für Politiker sein mag: Es bleibt falsch! Wenn sich erst einmal alle an den Honigtopf des Staates als Wirtschaftsprinzip gewöhnt haben, verlieren wir den globalen Wettbewerb und versinken in Schulden. An diesem Punkt der Erkenntnis kommen wir in Deutschland gerade an. Das ist keineswegs das Ende, aber eine harte Kurskorrektur wird absehbar unvermeidlich sein.

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Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos

Eine Antwort zu “Der „Wumms“ ist verhallt”

  1. Jeder Euro, der in Subventionen fließt, schwächt die Firmen, die keine Subventionen bekommen, zwingen sie Personal abzubauen oder ins Ausland zu verlagern.
    Entscheidungen richten sich nicht nach Marktlage, sondern nach Subventionslage.
    Nach einer gewissen Zeit gibt es nur noch Firmen, die ohne Subventionen nicht überleben können.
    Subventionen sind ein Armutszeugnis.

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