
Deutschland auf dem Weg in den Süden
Deutschland macht nach, was Italien und Frankreich vorgemacht haben – Willkommen im Club Mediterrané.
Von Roland Tichy
„Deutschland wurde kaputtgespart.“ Sagt der aktuelle Finanzminister Lars Klingbeil. Stellt sich die Frage: Wo wurde denn gespart?
Gerade wird ein komplett neues, zusätzliches Ministerium aufgebaut; schnell mal 208 Stellen für Ministerialbeamte in Berlin neu geschaffen. Der Bundestag gönnt sich eine Diätenerhöhung von derzeit 5,3 Prozent oder 605 Euro; übrigens: Erhöhung gibt’s jetzt automatisch. „Skala mobile“ nennt man das in Italien, die automatische Anpassung an Inflation. Ist in Deutschland eigentlich verboten – nur nicht für Abgeordnete. Man gönnt sich ja sonst nichts bei der ganzen Sparerei.
Weiterhin Erwerbsfähigen die Erwerbslosigkeit finanzieren
Beim Bürgergeld wurde und wird nicht gespart, obwohl das ein zentrales Wahlkampfthema war. Verzweifelt hält die SPD daran fest, vier Millionen Erwerbsfähigen die Erwerbslosigkeit zu finanzieren. Wer heute durch eine deutsche Großstadt fahren will, steht. Jedenfalls vor riesigen Baustellen, mit Hilfe derer Straßen rot lackiert werden. Oder grün, oder in einer abwechslungsreichen Mischung. Dabei geht es um Fahrradspuren – während die Brücken für Fahrräder und Autos gleichermaßen gesperrt werden. Man nennt es mit Lars Klingbeil „kaputtsparen“.
Wurde wenigstens die Bundeswehr kaputtgespart? Der Bundesrechnungshof bemängelt eine übermäßige Bürokratie, ineffiziente Personalstrukturen und fehlende Priorisierung der Kernaufgaben. So wurden beispielsweise 2.500 zusätzliche Verwaltungsstellen geschaffen, während gleichzeitig 20.000 Soldaten in der Truppe fehlen.
“Lars Klingbeil träumt den Traum der Sozialdemokratien, dass mehr Staat mehr Wirtschaft bedeutet. Mehr Schulden bringen mehr Wachstum. Wachstum, das die Schulden verschwinden lässt. Es hat nur noch nie geklappt”
Die Zinsausgaben des Bundes steigen von 37,5 Milliarden Euro im Jahr 2024 auf 61,9 Milliarden Euro im Jahr 2029 an. Dies entspricht einer Steigerung von etwa 65 Prozent innerhalb von fünf Jahren. Klingbeils Nachfolger wird bereits 10 Prozent des gesamten Haushalts für Zinsen aufwenden müssen. Sparen müssen also die Nachfolger.
850 Milliarden Neuverschuldung – dafür haben die Vorgängerregierungen von 2014 bis 2024 gebraucht, also 10 Jahre. Lars Klingbeil träumt den Traum der Sozialdemokratien, dass mehr Staat mehr Wirtschaft bedeutet. Mehr Schulden bringen mehr Wachstum. Wachstum, das die Schulden verschwinden lässt. Es hat nur noch nie geklappt.
Es läuft so eher nach der Methode Habeck: Unter großem Getöse werden 620 Millionen in eine Batteriefabrik gesteckt, die nie richtig arbeitet, sondern Pleite macht. Das Geld ist weg, die Schulden bleiben, die Zinsen wachsen. Jahr für Jahr. Oder die Milliardensubventionen für grünen Stahl. Er läuft nicht, der grüne Stahl, das Geld ist weg, die Schulden bleiben, die Zinsen wachsen. Jahr für Jahr.
Klingbeil deutet in versteckten Nebensätzen an, wo er noch mehr Geld auftreiben will, um wenigstens die Zinsen „zurückzuzahlen“, wie er es nennt: aus der Pflege- und Rentenversicherung. Das sind nun genau die Bereiche, in denen von den Bürgern Beiträge kassiert wurden, um so für Alter und Pflegebedürftigkeit vorzusorgen. Beiträge zur Sozialversicherung übernimmt der Staat gewissermaßen treuhänderisch: Jeder Beitragsleistung soll eine entsprechend höhere Gegenleistung gegenüberstehen. Längst geht die Rechnung nicht mehr auf.
46 Prozent Sozialabgaben sind der Kipppunkt
Übrigens: Im Club Med aus Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland gibt es, gemessen am letzten Arbeitseinkommen, bis zu doppelt so hohe Renten. Nirgendwo sind geringe Leistungen so teuer wie im früheren Sozialstaat Deutschland. Zusammen mit Steuern erreichen die Sozialbeiträge neue Rekordwerte, die kritische Grenze von 46 Prozent.
46 Prozent sind der Punkt, das zeigen viele Studien und Erfahrung, ab dem wirtschaftlicher Schaden größer wird als der Nutzen für den Staat: Noch höhere Steuer- und Beitragssätze lassen die Einnahmen schrumpfen, statt steigen. Ganz einfach: Es sind Kosten für die Unternehmen, die damit abgewürgt werden, und für den Arbeitnehmer lohnt es sich nicht mehr, sich anzustrengen. Unternehmen und Fachkräfte überlegen, ins Ausland zu gehen oder Steuervermeidungsstrategien zu nutzen. Die Folge sind Wachstumsschwäche, Fachkräftemangel und Investitionszurückhaltung.
“Was Deutschland bräuchte, wäre eine Entlastung von Energiekosten durch die Reaktivierung preiswerter Kraftwerke statt Stromsubventionen. Entlastung der Werktätigen statt der Förderung von Arbeitslosigkeit. Niedrigere Steuern, damit sich wirtschaften wieder lohnt”
Genau an dieser Grenze operiert Lars Klingbeil jetzt. Das Geld ist weg, die Schulden bleiben, die Zinsen wachsen, und zwar schneller als die erhofften Steuermehreinnahmen durch den „Investitionsbooster“. Was Deutschland bräuchte, wäre eine Entlastung von Energiekosten durch die Reaktivierung preiswerter Kraftwerke statt Stromsubventionen. Entlastung der Werktätigen statt der Förderung von Arbeitslosigkeit. Niedrigere Steuern, damit sich wirtschaften wieder lohnt.
Aber das wäre weniger Staat, weniger Beamte, weniger Regelung, weniger SPD, weniger CDU – denn in jeder zur Staatswirtschaft umgebauten Wirtschaft sind es Parteifunktionäre, die gebraucht werden, um den Laden komplett kaputt zu hauen.
Im Sommer 2025 ist Deutschland auf der Reise in den Süden. Nach Italien, Griechenland, Spanien und Portugal oder wenigstens nach Frankreich. Es sind alles Staaten, deren Staat sich ständig ausdehnte, deren Schulden wuchsen und wachsen und deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zurückblieb – hinter der des kaputtgesparten und auf diese Weise erfolgreichen Deutschlands. Aber das soll sich ja jetzt ändern.
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Seit 2014 publiziert Roland Tichy das Meinungsportal Tichys Einblick. Mit fast fünf Millionen Seitenaufrufen pro Monat ist das Medium des ehemaligen WirtschaftsWoche-Chefredakteurs Roland Tichy eine der wichtigsten liberal-konservativen Stimmen in Deutschland. “TE” erscheint auch als gedrucktes Magazin (Bezugsmöglichkeit).
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