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Die Baubranche in den nächsten Jahren: Eine Zukunftsprognose
Für die Baubranche sind die Zeiten alles andere als rosig. Die Preise steigen, immer mehr Interessenten wenden sich vorläufig von ihrem Bauvorhaben ab, die Projektentwicklerbranche sieht eine Reihe von Insolvenzen. Allerdings gibt es auch eine andere Seite der Medaille: Es ist die Chance für innovative und nachhaltige Anbieter, Bauherren zum stolzen Eigenheimbesitzer zu machen.
Nicht nur, ob das eigene Bauvorhaben angesichts der gestiegenen Kosten und Zinsen aktuell überhaupt leistbar ist, bewegt viele Privatpersonen mit Bauvorhaben. Sondern auch, ob der Baubeginn jetzt sinnvoll ist, oder ob mit einem weiteren Einbruch der Immobilienpreise zu rechnen ist. Ob der Einstieg in ein Bauvorhaben jetzt lohnt, ist also die Frage aller Fragen für viele Menschen mit Bauabsichten.
Wie für die gesamte Branche. Schon im April 2022 war absehbar, dass die Baubranche 2023 einbrechen wird. Besonders betroffen: Die Wohnbaubranche. Durch die steigenden Kosten setzen immer mehr Wohnbauunternehmen darauf, ihre Pläne für Neubauten auf Eis zu legen oder in andere Zeiten zu verschieben.
Die Sommerbefragung der Immobilienunternehmen im Rahmen des ZIA-IW-Immobilienstimmungsindex (ISI) beschreibt für 2023 eine weiterhin schwierige Marktlage, die sich durch alle Segmente zieht. Das Immobilienklima rutscht insgesamt wieder ins Negative und erzielt einen Wert von -4,3. Das entspricht einem Rückgang von -5,6 Punkten gegenüber dem Vorquartal. Die Erwartungen für die nächsten 12 Monate haben sich ausgehend von der eingetrübten Lage kaum verbessert. Die Immobilienbranche befindet sich damit weiter im Abschwung. Es zeigt sich, dass das ungünstige Marktumfeld bestehend aus hohen Zinsen und hohen Baukosten die Unternehmen immer stärker belastet.
Der große Einbruch im Jahr 2023 – der Tiefpunkt in der Baukonjunktur?
Nach vielen Jahren des kontinuierlichen Anstiegs stehen die Zeichen in der Immobilienbranche auf Krise. Mit Euroboden, Development Partner und der Project-Gruppe gingen jüngst drei bedeutende Unternehmen in die Insolvenz. Die Zahl der Baustarts ging in diesem Jahr um fast 50 Prozent zurück, meldet das Handelsblatt. Niklas Köster, Professor für Immobilienwirtschaft an der Fresenius-Hochschule in Hamburg, vermutet im Gespräch mit der Wirtschaftszeitung sogar, dass 20 bis 30 Prozent der kleinen bis mittelständischen Projektentwicklungsunternehmen vorerst vom Markt verschwinden würden. Es würde jetzt u.a. zu Tage treten, dass manche Marktakteure in den Boomzeiten riskante Ankäufe getätigt hätten.
Gerade der Einbruch beim Wohnungsbau gefährdet die gesamte deutsche Konjunktur, denn hier lag in den letzten Jahrzehnten einer der wichtigsten Anker. Und: Die dringend benötigte Erweiterung der Wohnraumkapazität droht zu stocken, wenn die Baubranche schwächelt. Trotz eines grundsätzlich nach wie vor hohen Bedarfs insbesondere an Wohnraum ist die Anzahl der Baugenehmigungen 2022 um 6,6 Prozent zurückgegangen. In einem dramatischen Appell fordert Tim-Oliver Müller, Chef des Bauverbands, die Regierung auf, die Branche zu unterstützen – durch ein Bündel von Maßnahmen, wie höhere Abschreibungen.
Ab 2025 könnte es ein langsames Wachstum geben
Es gibt aber auch gute Nachrichten.
Zwar haben die angestiegenen Bauzinsen, die wirtschaftliche Schwäche und die gestiegenen Kosten zunächst einmal Herausforderungen im Gepäck. Doch die Stagnation könnte nur vorübergehend sein. Die schlimmsten Zeiten könnten in 2023 schon den großen Tiefpunkt markieren. 2024 soll es zu einer Stagnation kommen und schon 2025 könnte es ein langsames Wachstum geben, so Marktexperten.
So kann nach Einschätzung der Unternehmensberatung EY-Parthenon davon ausgegangen werden, dass sich die Inflation wieder normalisieren und der Reallohn nach Anpassung steigen wird. Dazu müssten sich die Rahmenbedingungen für Investitionen gerade im gewerblichen Neubau wieder verbessern – beispielsweise durch attraktivere Mietrenditen. So dürfte das preisbereinigte Bauvolumen um 2,6 Prozent auf gut 301 Milliarden Euro sinken, etwas weniger als vor der Corona-Pandemie. Danach dürfte 2024 das Bauvolumen dann stagnieren und 2025 um 1,9 Prozent wachsen.
Wie bei den meisten privaten Bauherrn stellt auch in der Immobilienbranche die Kreditvergaben und Zinshöhen den entscheidenden Hebel dar. Die Unsicherheiten der Finanzmärkte und die regulatorischen Änderungen haben in den vergangenen Jahren eine deutlich veränderte Kreditvergabepolitik bei der gewerblichen Immobilienfinanzierung mit sich gebracht, konstatiert die Marktresearch Bulwiengesa. In deren jüngsten BF.Quartalsbarometer steigt die Kurve sechs aufeinanderfolgenden Tiefstwerten erstmals wieder leicht an. Die Kreditvolumina blieben mehrheitlich niedrig, jedoch wurden erstmals seit dem Q2/2022 wieder Kredite von über 100 Millionen Euro aus dem Umfrage-Panel vermeldet.
Gewerblicher Hochbau früher in der Phase der Erholung – Wohnbau hängt hinterher
Tatsächlich wäre es denkbar, dass die Bauleistung in Deutschland 2024 vor allem im gewerblichen Bau zunächst wieder an Fahrt aufnehmen könnte. Nachdem das Beben der Inflation verdaut ist, wird die Nachfrage nach gewerblich und öffentlich nutzbaren Gebäuden wieder größer.
Der Branchenausblick des IW geht davon aus, dass 2025 rund ein Prozent mehr Baumaßnahmen für Gebäude ohne Wohnzweck stattfinden als noch im Jahr 2022. Ähnlich sieht es im Bereich Tiefbau aus, hier soll das Wachstum sogar gleich zwei Prozent betragen.
Aus europäischem Blickwinkel sind es aber nicht die Deutschen, die das Wachstum langsam wieder ankurbeln. Stattdessen sind es Länder wie Spanien, Großbritanien und Frankreich, wo die Nachfrage immer weiter steigt. Zuwächse von bis zu sieben Prozent werden für 2025 erwartet, so Ludwig Dorffmeister, Fachreferent für Bau- und Immobilienforschung des Ifo-Instituts, Anfang des Jahres.
Im Bereich Wohnungsbau gibt es die größten Einbrüche
Ganz anders in Deutschland. Die größten Einbrüche gibt es hier vor allem im Bereich des Wohnungsbaues.
Laut einer ifo-Studie aus Juni 2023 signalisieren beispielsweise die Genehmigungszahlen für Mehrfamilienhäuser herbe zukünftige Markteinschnitte. So könnten 2025 nur noch rund 65 000 Wohneinheiten in neuen Ein- und Zweifamiliengebäuden errichtet werden. Der bisherige gesamtdeutsche Tiefstwert lag bei 83 900 Einheiten im Jahr 2009. Daher dürften in den kommenden Jahren auch erheblich weniger Wohnungen in neuen Mehrfamiliengebäuden fertiggestellt werden, so die Studie.
Der Überhang wird dafür sorgen, dass Neubauten zunächst nicht rar werden. Spätestens ab 2024 werden sich aber Folgen zeigen. Wohnbauunternehmen, private Hausbauer und Entwickler von Projekten sind und bleiben zurückhaltend, was mit einem Zeitverzug von mehreren Jahren spürbar sein wird. Langfristig kann und wird es aber nicht so bleiben, denn die Nachfrage nach Wohnraum steigt. Die Gesellschaft erweitert sich und vor allem der soziale Wohnungsbau ist von großem Interesse.
Hinzu kommt der Bedarf an energetischen Sanierungen, sei es beim Heizungstausch oder bei der Installation von Photovoltaikanlagen.
Das Massivhaus rückt in den Hintergrund – neue Bautechniken erobern die Märkte
Tatsächlich verändert sich auch die Art des Bauens immer weiter. Waren noch vor 50 Jahren Massivhäuser besonders gefragt, ist nun ein Umdenken gefordert. Der moderne Bau muss nachhaltiger und schneller vonstattengehen und genau davon profitieren Fertighäuser. Sie können aus grüneren Werkstoffen gefertigt werden und reduzieren die Bauzeit deutlich.
Die gesteigerte Effizienz durch modulare Bauteile hat zur Folge, dass einerseits die Qualität und andererseits die Kosten besser kontrollierbar sind. Es lassen sich theoretisch bis zu 90 Prozent aller Bauteile in Bauhallen vorfertigen, was mehr Unabhängigkeit zum Wetter erzeugt. Vor allem in Deutschland ist das Thema Fertigbau von großer Wichtigkeit.
Auch der digitale Transformationsprozess spielt eine Rolle
Zusätzlich wird die Baubranche durch den digitalen Transformationsprozess einige Änderungen zu verzeichnen haben. Die Bedürfnisse haben sich verändert. Telekommunikationsausbau, Mobilitätsbedarf, erneuerbare Energien – all das wird in der Baubranche der Zukunft von Interesse sein.
Obwohl unklar ist, wie genau sich die Entwicklung vollziehen wird, scheint der Klimaschutz das zentrale Thema zu werden. Und genau hier punktet der Fertighausbau, der dieses Thema schon lange ins Mittelfeld gerückt hat.
Die Realisierung eines Bauvorhabens wird komplizierter und das macht es erforderlich, dass verschiedene Gewerke miteinander in Synergie arbeiten. Ein gutes Beispiel ist der Heizungsbau, der heute nicht mehr unabhängig von Dachdeckern, Installateuren und Gebäudeplanern erfolgen kann. Kommen jetzt noch politische Vorgaben in Richtung nachhaltiges Wohnen hinzu, braucht es mehr Fähigkeiten und dementsprechend deutlich mehr Fachkräfte.
So sieht auch die Studie von EY-Parthenon gerade im energetischen Renovierungsbereich Wachstum. Auflagen zur energetischen Sanierung, neue Trends in den Segmenten Wohnen und Arbeiten sowie der Bedarf nach mehr Energieeffizienz im Zuge der ebenfalls gestiegenen Energiepreise treiben die Nachfrage nach Renovierung an. Die durch weniger Neubau freigesetzten Kapazitäten fänden nun teilweise in der Renovierung Einsatz, wodurch gerade Handwerker aus dem Bereich Sanitär, Heizung, Klima und Lüftung (SHKL) und Elektrik weiterhin stark gefragt sind, so die Studie.
Nischenprodukte noch keine ernstzunehmende Gefahr für die Baubranche
Weniger Bedeutung für die Branche sind hingegen kurzlebige Trendthemen wie das Tiny House. Zwar bewegt sich die Menschheit zunehmend auf eine Verkleinerung des Wohnraumes zu, so klein wird es dann aber doch nicht werden. Flexibilität ist und bleibt aber ein wichtiger Anspruch, was wiederum für Fertighäuser anstelle von Massivbauten spricht.
So ist absehbar, dass mit den mobilen Minihäusern noch keine ernsthafte Bedrohung für die Branche gegeben ist. Dem steht auch viel zu viel deutsche Bürokratie gegenüber. Es scheint schwieriger für ein Tiny House eine Baugenehmigung zu erhalten, als für ein klassisches Fertighaus auf einem Grundstück.
Fazit: Die Baubranche wird sich verändern
Für die für die deutsche Wirtschaft insgesamt so bedeutende Immobilien- und Baubranche wird es im positiven Fall zu einem „Soft Landing“ kommen. Ein dezenter und langsamer Konjunkturaufschwung für die Baubranche ab 2014 wäre ein solches positives Szenario. Der Veränderungsdruck auf die Branche aber wird bestehen bleiben. Tausende Bau- und Handwerksunternehmen könnten bis dahin in ihrer Existenz betroffen sein oder ganz vom Markt verschwinden. Nachdem es innerhalb der letzten Jahrzehnten nur geringfügige Veränderungen im Bereich Vertrieb, Wertschöpfung und Prozessumsetzung gab, drücken nun die gewaltigen Trends von außen.
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