Ein Landwirt setzt auf Crowdfunding? Zwischen Spargel und Zucchini wächst ein Landhotel? Ja, das gibt es wirklich. Bei Bäuerin Petra Bohrer aus dem Markgräferland.
Crowdfunding im Schwarzwald: Nach zehn Jahren Planung und Realisierung eröffnet am 23. September 2022 das neue Landhotel „Bohrerhof“ mit seinen 64 Zimmern. Dazu setzte die landwirtschaftliche Unternehmerfamilie Bohrer – zwei Kinder und deren Ehepartner sind bereits fest im Familienbetrieb integriert – auf die sogenannte Schwarmfinanzierung, um die 13 Millionen Euro für das Hotelprojekt zu beschaffen.
Wenn Gastronomie auf Landwirtschaft trifft, spricht man heute von farm-to-table, von gelebter Nachhaltigkeit dank kurzer Transportwege. Hoteltrends wie diese sind im deutschsprachigen Raum gefragt, weil sie autarke Gesamtkonzepte vorleben. Kunden wollen eben wissen, wo ihr Essen herkommt. Insofern ist die Hotelvision auf dem eigenen Hof nur eine logische Konsequenz.
Doch wie aus einer Idee tatsächlich Realität werden kann, und das in Eigenregie und mit alternativer Finanzierung, dazu befragten wir Petra Bohrer, die Bauherrin und Kopf des Betriebs.
Frau Bohrer, Ihr Hof zählt zu den größten Gemüseproduzenten im südbadischen Raum: Spargel, Zucchini, Kürbis, Chicorée, Feldsalat und neuerdings auch Erdbeeren liefern Sie an die Edeka Südwest unter der Dachmarke „Unsere Heimat“. Warum der Schritt auch in eine ganz andere Branche, das Hotelgewerbe?
In der Tat: Vom Kern her sind wir ein reiner Gemüsebaubetrieb in zweiter Generation, hatten aber auch schon Erfahrung mit Gastronomie mit unserem hofeigenen Landmark. In diesem Zuge sind wir dann immer stärker mit dem touristischen Bereich in Berührung gekommen. Die Nachfrage nach unseren Produkten im eigenen Landmarkt wuchs und damit auch unser Kundenstamm. Wir wollten uns als Gastgeber weiterentwickeln, unsere Hofbesucher nicht nur bewirten, sondern auch ihrem Wunsch nachkommen, auf unserem Hof zu nächtigen.
Ein Hotel auf dem Hof – was waren die größten Herausforderungen zu Beginn?
Die erste wichtige Hürde war es, einen neuen Bebauungsplan für unser Hotelvorhaben auf den Weg zu bringen. 2012 wurde uns vom Gemeinderat in Feldkirch schließlich der vorhabenbezogene Bebauungsplan genehmigt. Zehn Tage später erfolgte unser Spatenstich für den Bau einer neuen Zufahrtsstraße. Das war der wohl der erste Mosaikstein für die Erweiterungspläne des Bohrerhofs. Und jetzt – zehn Jahre später – stehen wir tatsächlich kurz vor der Eröffnung!
Gerade in Krisenzeiten gehört bekanntlich noch eine Portion mehr Mut zum Bauen. Auch Ihre Hausbank war anfangs ziemlich zurückhaltend. Im Gegensatz zu Ihren privaten Investoren, die wohl in einer Zeit extremer Niedrigzinsen nach renditestarken Geldanlagen suchten. Wieviel Mut brauchte es, auf Crowdfunding zu setzen?
Das war sicherlich eine unserer größten Herausforderungen – Mut und Vertrauen in diese alternative Kapitalbeschaffung. Sie brauchen gute Nerven, wenn das Anlegergeld parallel zur Bauphase eingezahlt wird, und eben nicht die gesamte Bausumme wie beim klassischen Bankdarlehen vorab zugesichert ist. Sie müssen sich das so vorstellen, dass vor jedem großen Meilenstein in der jeweiligen Bauphase, das fehlende Kapital eben rechtzeitig auf dem Konto sein muss. Manch einer würde es vielleicht schon als eine Art Nervenkitzel formulieren.
Wer sind die Menschen, die in ein solches Projekt investieren?
Wir arbeiten jetzt seit fast 13 Jahren ohne zusätzliche Kredite von Banken. In dieser Zeit konnten wir unseren Investorenkreis sukzessive vergrößern. Am Anfang kamen die Anleger vornehmlich aus unserer Region oder aus dem erweiterten badischen Raum, doch auch über den Schwarzwald hinaus bis zum Elsass. Hinzu kommt, dass das Markgräferland eine beliebte Urlaubsregion ist, so dass unsere Gäste unsere Visionen auch nach Hause tragen und mit Bekannten, Nachbarn und Verwandten in ganz Deutschland über alternative Geldanlagen sprechen.
In puncto Nachhaltigkeit gilt Ihr Landhotel als beispielgebend nicht nur für die Region. Seine CO2-Bilanz ist tadellos und das neue Boutique-Resort bis zu 80 Prozent autark. Worauf haben Sie gesetzt?
Zunächst ist unser Hotel nahezu vollständig aus dem Werkstoff Holz gebaut, wodurch wir etwa 4500 Tonnen CO2 einsparen im Vergleich zur herkömmlichen Stahlbetonweise. Verwendet wurden heimische Baustoffe wie Tanne und Fichte aus dem benachbarten Schwarzwald. Hinzu kommen eine solarbetriebene Fotovoltaikanlage für Gastronomie, Hotel, Landwirtschaft und später auch für das geplante Badehaus. Und das autarke Heizungs- und Kühlungssystem läuft über über die stabilen Grundwasserstände der Rheinebene.
Hotelprojekt Bohrerhof: So kann man investieren (oder übernachten)
Finanziert wird das beispielgebende Hotelprojekt inzwischen von über 500 privaten Investoren. Investieren kann jeder ab einer Mindeststumme von 10.000 Euro bei einem Festzins von fünf Prozent und mit Absicherung durch einen Eintrag ins Grundbuch. Aber natürlich kann ab September auch gewohnt werden im Bohrerhof: Ab 115,- Euro gibt es ein Doppelzimmer inklusive Eröffnungsrabatt von 20 Prozent. Weitere Informationen unter: www.bohrerhof.de.
Wie konnten Sie diese Erkenntnisse in der Baukultur und -technik gewinnen?
Vorweg sei gesagt, dass grundsätzlich sehr viel Erfahrung in den unterschiedlichsten Kompetenzbereichen der Baubranche erforderlich ist, bevor innovative Techniken überhaupt auf den Weg gebracht werden können. Wir haben den Bohrerhof – ursprünglich als landwirtschaftlichen Betrieb – über zwei Generationen gemeinsam entwickelt und konnten hier schon auf langjährige und inzwischen freundschaftlich verbundene Handwerksbetriebe zurückblicken. Es bedarf sehr vieler fachmännischer Diskussionen auf Augenhöhe und sicherlich auch ein gewisses Maß an Experimentierfreude, um nachhaltig zu bauen.
Im Boherhof setzt man auf ein breites Sortiment an heimischen Produkten, wie erntefrische Erzeugnissen aus eigenem Anbau, Weine und Liköre von Betrieben aus der Region oder die hofeigenen Bäckerei- und Konditoreiwaren
Anfangs haben sich beispielsweise viele Fremdbetriebe gegen ein autarkes Kühlungssystem ausgesprochen. Wir wollten aber keine klassischen Kühlgeräte in unseren Hotelzimmern, da sie mitunter hohe Wartungskosten mit sich bringen. Deshalb experimentierten wir in einem heißen Sommer vor drei Jahren mit einem sogenannten Kühlbalkensystem, das über Grundwassertauscher funktioniert. Bei einer Außentemperatur von 36 Grad haben wir in mehreren Musterzimmern an einem Tag 29 Grad gemessen. Dann installierten wir den Kühlbalken und simulierten eine übliche Grundwassertemperatur von 10 Grad. Zu diesem Zweck kühlten wir das Wasser in einem großen Becken aus unserer benachbarten Chicorée-Treiberei auf 10 Grad herunter. Nachdem wir den Kühlbalken an das System angeschlossen hatten, fiel die Zimmertemperatur binnen weniger Stunden auf 23 Grad. Mit diesem Beweis sind wir wieder an die Fachleute herangetreten und konnten sie überzeugen. In Summe lassen sich dank unserer nachhaltigen Gebäudetechnik jährlich 535 Tonnen CO2 einsparen.
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