
Die Lernmaschine. Wie wurde Bill Gates so erfolgreich?
Es gibt viele Bücher über Bill Gates, aber jetzt hat er den ersten Teil seiner Autobiografie vorgelegt, in der wir viel über die Prägungen und Einstellungen lernen, die ihn später so erfolgreich werden ließen.
Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
1993 entdeckte ich als Cheflektor des Ullstein-Verlages eine amerikanische Biografie über Bill Gates. Heute kennt ihn jeder, aber damals waren wir nicht sicher, ob ein solches Buch erfolgreich sein würde, weil nicht sehr viele Menschen in Deutschland seinen Namen kannten. Deshalb nannten wir unsere deutsche Übersetzung „Mr. Microsoft“, denn sein Unternehmen kannten schon mehr Menschen, besonders durch das Textverarbeitungssystem MS Word.
Sah die Mutter in ihm ein „Zuchtpferd“?
Gates, der im Oktober 70 Jahre alt wird, hat jetzt seine Autobiografie über seine Kindheit und Jugend herausgebracht (Source Code. Meine Anfänge, Piper Verlag 2025, 383 Seiten). Hauptthemen in seinem Buch sind Lernen, Rebellion und Ehrgeiz und Wettbewerb. Als prägendes Erlebnis beschreibt er, wie es ihm gelang, durch systematisches Lernen seine Großmutter, eine exzellente Kartenspielerin, irgendwann zu übertreffen. „Vor allem das hat mich das Kartenspiel gelehrt: Ganz gleich, wie kompliziert oder gar rätselhaft etwas erscheint, man kann meist dahinter kommen. Die Welt kann begriffen werden.“ (S. 25)
Das Buch könnte ein guter Ratgeber für Eltern sein, wie sie ihr Kind fördern und Talente in ihm entwickeln. Wenn die Familie Gates in Urlaub fuhr, dann bestand die Aufgabe für Bill und seine Schwester darin, jeden Tag zwei Seiten Reisetagebuch zu schreiben, mit sieben festgelegten Kategorien: Landschaftsformen, Wetter, Bevölkerungsverteilung, Landnutzung, Produkte, historische Städten/Sehenswürdigkeiten, Verschiedenes (S. 62) Auf der Reise las die Großmutter aus dem Roman über Man o’ War vor, das Zuchtpferd, das alle Schnelligkeits- und Ausdauerrekorde gebrochen hatte und eines der erfolgreichsten Rennpferde aller Zeiten wurde (S. 62).“Mit der Zeit“, schreibt Gates, „schien es uns, als verfolgte Mutter mit ihren Kindern ein ähnliches Ziel.“ (S. 63).
Bücherwurm
Bill Gates war schon als Kind ein Bücherwurm und las über alle Lebensgebiete. Und je mehr Wissen er aufsaugte, desto mehr Fragen gab es für ihn. Ich erinnere mich an eine Netflix-Dokumentation, wo er berichtete, dass er sich mit seiner Frau im Urlaub stets ein neues Sachgebiet vornahm und dann gemeinsam mit ihr Dutzende Bücher darüber las und mit ihr diskutierte. Offenbar war das bereits in seiner Kindheit angelegt. Und wenn er im Bett lag, dachte er über Dinge nach, über die wohl die wenigsten Kinder nachdenken: „Ich konnte stundenlang auf dem Bett liegen und über irgendeine Frage nachdenken. Wenn ich den Motor eines Autos hörte, das Rascheln von Blättern im Wind oder Schritte auf dem Boden über mir, fragte ich mich, wie diese Geräusche an mein Ohr gelangten. Mit solchen Rätseln konnte ich mich stundenlang beschäftigen.“ (S. 87) Die Antworten fand er wieder in Büchern und verarbeitete das neue Wissen für ein Referat in der Schule zum Thema „Was ist Schall?“ (S. 87).
In der 7. Klasse sollten die Schüler einen der 51 Bundesstaaten der USA vorstellen, Bill Gates entschied sich für Delaware. Er schrieb den Staat Delaware an, forderte Broschüren über Tourismus und Geschichte an, recherchierte Artikel, schrieb Unternehmen und bat diese, ihm ihre Jahresberichte zuzuschicken. Als er fertig war, umfasste seine Arbeit 177 Seiten und er hatte einen Einband aus Holz gebastelt (S. 88 f.).
„Was braucht es, um 20 Prozent besser zu sein als alle anderen?“
Gates studierte erfolgreiche Menschen und fragte sich: „Was braucht es, um 20 Prozent besser zu sein als alle anderen? Wie viel davon ist nur latentes Talent, wie viel dagegen engagierte Anstrengung – sich unermüdlich darauf zu konzentrieren, heute besser zu sein als am Tag zuvor? Und das dann morgen und am nächsten Tag und am nächsten Tag über Jahre hinweg zu wiederholen?“ (S. 220). Gates würde es herausfinden, indem er genau dies zu seinem Programm machte. Gates war einerseits sehr fokussiert, andererseits waren seine Interessen sehr vielseitig. Er erklärt seine Entscheidung, als Student in Harvard Angewandte Mathematik zu seinem Hauptfach zu machen, so: Mathematik komme in praktisch allen Fächern, die Harvard anbietet, zur Anwendung. Das gab ihm die Freiheit, zu erkunden, was er denn eigentlich wollte. Angewandte Mathematik war für ihn der Joker, der es ihm ermöglichte, alle möglichen interessanten Kurse zu besuchen. „In meiner Zeit in Harvard habe ich diesen Joker immer wieder ausgespielt, um Kurse in Linguistik, Strafjustiz, Wirtschaft und sogar britischer Geschichte zu rechtfertigen. Es war das perfekte Hauptfach für einen Allesfresser in Sachen Information.“ (S. 260). Er wollte jedoch nicht als Streber erscheinen, sondern so tun, als ob er sich nicht anstrengen müsste. Das hatte er schon als Schüler getan und sich deshalb alle Bücher zwei Mal geliehen – eines für zu Hause und eines für die Schule. Seine Mitschüler sollten denken, dass er nur sehr wenig tun bräuchte, da sie nur sahen, was er in der Schule las und nicht wussten, dass er jedes Buch doppelt hatte. In seiner Vorstellung staunten die Mitschüler: „Keine Bücher! Wie macht er das bloß? Er muss wirklich schlau sein!“ (S. 150)
Er war so wissbegierig und vielseitig interessiert, dass er auch nach Gründung seiner Firma Microsoft sein Studium nicht gleich aufgab – was, wie er aus der Rückschau meint -, wohl besser gewesen wäre. Zunächst fuhr er zweigleisig, studierte weiter und baute die Firma auf, die heute das zweitwertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt ist. Doch auch nach Beendigung seines Studiums nahm er sich immer wieder Zeit, ein- oder zweimal im Jahr sieben Tage abzutauchen und ununterbrochen Bücher, Artikel und Abhandlungen zu studieren – ein Crashkurs zu allen möglichen Themen (S. 367).
Sein Therapeut: „Du wirst gewinnen“
Gates war kein einfaches Kind – er war ein Rebell in der Schule und in der Familie. Oft hatte er harte Auseinandersetzungen mit Autoritätspersonen, wie er immer wieder beschreibt. Ich habe in meinen Büchern „Setze dir größere Ziele“ und „Die Psychologie der Superreichen“, wo ich die Biografien erfolgreicher Menschen analysiere, herausgefunden, dass dies für die meisten Überflieger zutrifft. Ich denke, in der Auseinandersetzung mit Lehrern und Eltern entwickelten sie die Kraft und Durchsetzungsfähigkeit, die sie später im Leben brauchten, um so erfolgreich zu werden. Bei Gates gingen die Konflikte so weit, dass die Eltern ihren Sohn schließlich in eine Therapie schickten. Doch der Therapeut sagte ihm nur: „Du wirst gewinnen“ (S. 95).
Gates erkannte rasch, dass er intelligenter war als andere. Zudem hat er einen ausgeprägten Sinn für Wettbewerb – er wollte allen zeigen, dass er besser war. Er beschreibt sich als „Junge mit einem hohen IQ und einem auf Wettbewerb gepolten Charakter, aber mit wenig anderen Zielen als dem, das Spiel zu gewinnen, das ich gerade spielte“ (S. 195). Erst später im Leben kristallisierten sich Ziele heraus, auf die er seinen Ehrgeiz und seinen Sinn für Wettbewerb ausrichten konnte. Bei Niederlagen oder Schicksalsschlägen, wie etwa dem Tod seines besten Freundes, kam ihm zugute, dass er immer auf die Zukunft orientiert war: „In der Familie hielten wir uns nie lange mit der Vergangenheit auf; wir schauten immer in der Überzeugung nach vorne, dass etwas Besseres vor uns lag.“ (S. 196). Und genauso war es dann ja auch. Man darf gespannt sein auf die nächsten Folgen seiner Autobiografie, die schon angekündigt sind.
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Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Historiker – und war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in über 35 Sprachen übersetzt wurden (“Weltreise eines Kapitalisten“, “Warum Entwicklungshilfe nichts bringt und wie Länder Armut wirklich besiegen“, “Die 10 Irrtümer der Antikapitalisten“) und jüngst auch die Master-Class “Finanzielle Freiheit – Schluss mit der Durchschnittsexistenz“ vorgelegt. „Setze dir größere Ziele“ und „Psychologie der Superreichen“ gehören auch zu. Sein jüngstes Buch ist der Anti-Woke Roman „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“.
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