Disruption: Das Unternehmensrisiko kommt über Nacht

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Das Idealbild der unternehmerischen Zukunftsgestaltung ist das Wachsen aller „guten“ Indikatoren: Umsatz, Gewinn, Marktposition  –  und dies idealerweise über Jahrzehnte, indem man immer wieder „alles möglichst richtig macht“. Disruption bedeutet das Gegenteil: stören, zerstören, zerreißen  –  mit Niedergang, Untergang oder extremem Erfolg. Nicht nur Umgang mit den Wellen des Auf und Ab – sondern mit Absturz und Untergang.

Disruption ist binnen 20 Jahren zu einem der zentralen Begriffe der innovativen Zukunftsgestaltung geworden. Die Laufbahn dieses inzwischen verbreitet zum Schrecken gewordenen Begriffes begann vergleichsweise harmlos. Vor 20 Jahren schrieb der Harvard Professor Clayton Christensen ein Buch: The Innovator’s Dilemma: When New Technologies Cause Great Firms to Fail. Es analysiert innovatorische Prozesse und Risiken, mit denen Marktführer mitunter in kurzer Zeit ihre Position an innovative Neulinge/Konkurrenten verlieren und zu Loosern werden.

Gezielt und geplant: Disruption durch Newcomer

Mit kurzen Worten: Die Entwicklungen am Markt (von Geschäftsmodellen über Dienstleistungen, Anlagen bis zu Endprodukten) können im Zuge der aktuellen Beschleunigung der Zeit so radikal verlaufen, dass „über Nacht“ Disruption  –  Zerstörung von Unternehmen, Geschäftsbereichen, führenden Technologien, Markpositionen geschehen kann. Und dies immer häufiger  –  inzwischen auch ganz gezielt und geplant durch strategisch innovative Newcomer.

Einen solchen aktiven Fall können Sie gerade beim Newcomer Snapchat verfolgen  –  einem gezielt disruptiven Spieler, der sogar schon erfolgreich mit dem Charme des Disruptiven an der Börse pokert. Und der dabei auch die Social Media gekonnt einsetzt.

Die Statistik sagt, dass fast alle Unternehmen irgendwann von solcher Disruption des eigenen Geschäfts erfasst werden – in dieser schnellen Zeit jedoch immer schneller und häufiger. Eine zentrale Frage im Schicksal der Unternehmen – grosser und kleiner – ist dann, wann wird eine mögliche Disruption / neuerdings auch ein disruptiver Angriff – erkannt? Und: gibt es dann im Unternehmen jemanden der erfolgreich diese Risiken erkennen und mit ihnen umgehen kann?

Einen disruptiven Angriff erkennen

Vor kurzem hörte ich aus einem angesehenen Konzern, dass gerade wieder in den Geschäftsbereichen die großen strategischen Planungsprozesse liefen, mit Präsentieren bei der Holding und Festschreibung. Also ein normaler Prozess. Als ich dann den Insider nach dem strategischen Horizont und den darin benutzten Umfeld-Prognosen fragte, erhielt ich eine auf den ersten Blick befriedigende  Antwort: bei der Einschätzung und Aufstellung der Zukunft der Geschäftsfelder werden die Führungskräfte in grösserer Zahl stark einbezogen, als Quellen des Wissens und der Zukunftsbilder für das Lebensfeld der Unternehmensbereiche. Und dann kam eine weitere Information: Es gab im zentralen Geschäftsfeld einen sich zunehmend profilierenden Konkurrenten, der eigentlich ein wenig Branchen fremd ist – eben einen Konkurrenten, der als Außenseiter seine Geschäftspolitik  „etwas unfair“ betreibe.

Dieser angesehene Konzern hatte offensichtlich noch nicht die moderne Zeit mit ihren stark gestiegenen Risiken disruptiver Entwicklungen in seine strategische Planungsmethode einbezogen. Das Bestellen eines Think Tanks zur Analyse der –  meist sehr lange in den Unternehmen unbemerkten – Untergangsrisiken der eigenen Geschäfte, könnte hier vermutlich preisgünstige Sicherheit geben. Für das Risiko einer unerwarteten Disruptionsattacke sind es  keineswegs nur gut sichtbare Konkurrenten, die Gefährliches auslösen können, sondern sehr oft absolut Unbekannte, die plötzlich unbemerkt da sind und schon unbemerkt in die eigenen Märkte eingedrungen sind.

Das  Risiko in einem international so exponierten Standort wie Deutschland kann also aus jeder Ecke der Welt kommen.

Sei ein guter Mitläufer der Innovationen

Eine vor allem im Mittelstand auch langfristig erfolgreiche Methode zur Vermeidung von Disruption heißt: „Sei immer im innovatorischen Mittelfeld. Mach nie etwas ganz Neues, aber lass das Alte los wenn das neue innovative Vorgehen anderer den Markt erobert. Sei ein guter Mitläufer der Innovationen. Zeige als Deine Stärken dauerhafte Produkt-Qualität,  Kunden- und Personalbindung“. Dies ist gerade in Deutschland ein Biotop, das als Unternehmenskonzept erfolgreich gepflegt werden kann und wird.

Allerdings: es gibt in Deutschland überraschend viele Mittelständler, die auch weltweit innovative Spitzenpositionen haben. Diese Unternehmen sind in der beschriebenen neuen und schnell-aggressiven Risiko Lage der potentiellen Opfer von Disruption. In diesen Unternehmen  könnte für die nächste anstehende Runde der Strategieplanung ein etwas systematischer Exkurs in die Frage nach der eigenen Disruptions-Gefährdung hilfreich sein. Vielleicht findet sich ein Träger, der Einführungen in dieses Thema der Disruptions-Risiken anbietet?

 

 

 

Frank Peschanel

Professor (em. US) Dr. Dr. Frank Peschanel baute als geschäftsführender Gesellschafter ein Software- und Studienhaus mit 100 Mitarbeiter auf, ehe er in Consulting, Coaching, Speaking und als Autor in die Laufbahn eines amerikanischen Management Professors wechselte. Mit seinem weiten Blickwinkel als Physiker, Ökonom und Psychologe mit viel Auslandserfahrung hat er den Schwerpunkt seiner Beratung auf ganzheitliche und Menschen bezogene Unternehmensinnovation und Managementberatung gelegt. In seiner Kolumne greift er jeden ersten Freitag im Monat entsprrechende Themen auf. Schreiben Sie Frank Peschanel

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