Lohnt sich für Unternehmen der Aufbau eigener Energiegewinnung?

Ein Kommentar Lesezeit:

Bei allen aktuellen Verwerfungen rund um die Energiewende ist klar: Unternehmen müssen sich aktiv um ihre grüne Energieversorgung kümmern. Ab wann lohnt sich der Einstieg in eigene Energiegewinnungsanlagen und wie geht man vor?

Bürokratie, hohe Steuern, Digitalisierung, gestörte Lieferketten, Fachkräftemangel und die Implementierung einer Nachhaltigkeitsstrategie: Industrieunternehmen in Deutschland haben mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. Dazu kommen nun auch noch äußerst angespannte und volatile Energiemärkte. Doch dagegen lässt sich angehen – sagt René Kautz. Als international erfahrener Investmentprofi der aream Group begleitet er Unternehmen und Fonds bei solchen Asset-Investments und gibt im DDW-Interview einen Überblick.

Zunächst: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage und die Perspektive des Strompreismarktes ein?

René Kautz: Das vergangene Jahr hat viele Unternehmen an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gebracht. Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine explodierten die Energiekosten, der Strompreis vervielfachte sich innerhalb weniger Wochen. Aber nicht nur das Preisniveau, auch seine Schwankungen waren extrem. An der Leipziger Strombörse lagen die Notierungen im Jahresverlauf zwischen etwa 40 und 700 Euro je MWh. Auch wenn sich die Lage inzwischen wieder etwas entspannt hat, bleibt der Markt dennoch stark volatil und die zukünftige Strompreisentwicklung dürfte sich auf einem langfristig höheren Niveau einpendeln. Mit der nächsten Wintersaison werden wieder stark steigende Preise erwartet.

Die Politik denkt über Industriestrompreise nach…

Da wird man sehen müssen, wie sich das ausgestaltet und vor allem: für wen und wie lange? Mittel- und langfristig wird der Umstieg der Industrie von fossilen Brennstoffen auf CO2-freie, oftmals stromgetriebene Produktionsprozesse sicher noch bis 2050 für stark steigende Nachfrage sorgen. Damit birgt der Abschluss von Lieferverträgen, die immer wieder erneuert werden müssen, für Kunden hohe Risiken. Die Schwankungen betreffen ja nicht nur die reinen Energiekosten. Auch die Preise für Herkunftsnachweise steigen stark und die Industrie benötigt diese Nachweise. Die DIHK hat daher in diesem Zusammenhang „Strompartnerschaften“ vorgeschlagen, bei denen Erzeuger von Erneuerbaren Energien langfristige Direktlieferverträge mit Industriekunden abschließen sollen. Auf die weiteren Diskussionen zum Thema Industriestrompreis darf man daher gespannt sein. Besser ist, man handelt jetzt direkt.

„Einstieg in Solar- und Windkraftanlagen kann auch ein eigenes Geschäftsmodell für Unternehmen werden“

Es gibt also einen langfristig wachsenden „Run“ auf den Bezug von grüne Energie?

Natürlich. Zum einen politisch getrieben im Rahmen der ständig anspruchsvoller werdenden Regulatorik. Ein Beispiel ist die angekündigte EU-Vorschrift zur Vereinheitlichung der ESG-Berichterstattung. Unternehmen, die eigenen Grünstrom produzieren und verbrauchen, erfüllen zum anderen auch die wachsenden Nachhaltigkeitsanforderungen der Kunden und anderer wichtiger Stakeholder.

Ist der Kauf oder die Beteiligung an Solar- und Windkraftanlagen zur eigenen Energiegewinnung eine Möglichkeit, sich von den Energiemärkten unabhängig zu machen?

Begleitet Unternehmen und Institutionen beim Aufbau eigener Energieproduktion: René Kautz, Head of Key Account Management, Project Finance & Energy Markets der aream Group

In der Tat denken viele Unternehmen angesichts ihrer Erfahrungen und der Aussichten auf den Energiemarkt darüber nach, selbst in die Erzeugung grünen Stroms einzusteigen. Zu Recht, denn prinzipiell kann man sich mit dem Einstieg in Solar- und Windkraftanlagen gegen Verwerfungen an den Energiemärkten unabhängig machen und die Kosten kalkulierbar halten. Der Trend ist auch im Markt deutlich sichtbar: Industriekunden als Abnehmer von Wind- und Solarparks sind zu einer eigenen, starken Käufergruppe geworden. Nebenbei bietet der Einspeisetarif bei einer Investition in Deutschland auch noch eine effektive Absicherung gegen einen unerwarteten Strompreisverfall.

Worauf ist zu achten? Wie gehen Sie bei den Projektumsetzungen für Industrieunternehmen vor?

Unternehmen dürfen die hohe Komplexität solcher Projekte nicht unterschätzen. Projektumfang und Kapitaleinsatz müssen gut geplant sein. Den richtigen Partner für Kauf und Finanzierung zu finden, ist der erste Schritt, denn in der Regel gehören Anlagen zur Erneuerbaren Energiegewinnung nicht zum Kerngeschäft. Dabei ist der Einstieg nur die halbe Miete. Die Anlagen müssen ja auch betrieben und wirtschaftlich optimiert werden. Hier kommt es auf erfahrene Partner an. Das Ganze ist ein Prozess, der die verschiedenen Ausgangslagen, Ziele und Faktoren bewertet. Darüber hinaus kann sich das Unternehmen durch professionelle und erfahrene Unterstützung eine fundierte Meinung bilden.

Der Klassiker ist die Photovoltaikanlage auf den Dächern von Betriebsstätten und Lagerhallen. Aber substantielle Energiemengen erfordern größere PV-Freiflächen- oder Windkraftanlagen. Die kann man nicht mal eben auf dem Betriebsgelände platzieren.

Das müssen sie auch nicht. Sofern es sich nicht um eine Lösung auf oder neben dem Betriebsgelände handelt, also eine sogenannte Onsite-Produktion, können die Anlagen irgendwo in Deutschland betrieben werden. Die grüne Erzeugung und Nutzung wird über das Bilanzkreismanagement geregelt.

Die Planung und Genehmigung neuer Vorhaben kann aber sehr lange dauern?

Das stimmt, zwei bis fünf Jahre muss man leider immer noch kalkulieren. Doch in der Praxis sind Anlagen, die wir für unsere Unternehmenskunden oder für Institutionelle entwickeln, auch nur ein Teil der Lösungsmöglichkeiten. Sehr viel schneller ist der Erwerb fertig entwickelter oder bereits bestehender Anlagen. Hier kommt es auf ein starkes Netzwerk im Markt an, um Opportunitäten unmittelbar erkennen und erwerben zu können. Je nach Bedarfslage des Unternehmens kann die eigene Entwicklung gepaart mit dem unmittelbaren Erwerb von Anlagen der Optimalfall sein.

Gibt es eine Größenordnung des eigenen Energieverbrauchs, ab wann der Betrieb eigener Erneuerbarer Energieanlagen sinnvoll ist?

Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Grundsätzlich gibt es auch bei kleineren Verbräuchen interessante Möglichkeiten der Eigenversorgung mit Grünstrom – Stichwort Aufdachanlage. Ein erfahrener Partner kann hier wichtige Impulse liefern, um eine optimale Allokation der Erzeugungsmöglichkeiten vorzunehmen. Alternativ kann grüner Strom inklusive Herkunftsnachweise zum Beispiel auch mittels sogenannter Power-Purchase-Agreements, kurz PPAs, bezogen werden.

  • Kontakt zu René Kautz: rk@aream.de

René Kautz ist Head of Key Account Management, Project Finance & Energy Markets bei aream. Die aream Group ist ein voll integrierter Investment- und Asset-Manager für institutionelle Investoren und Industriekunden mit Fokus auf nachhaltige Infrastruktur im Sektor Erneuerbare Energien, zu denen Wind- und Solarkraft, Netze und Speichertechnologie gehören. Dabei deckt aream die gesamte Wertschöpfungskette von der Projektentwicklung bis zum Betrieb der Anlagen ab. Neben klassischen Projektinvestments in Clean Energy bietet aream auch Investitionsmöglichkeiten in CleanTech-Unternehmen: direkt oder über Private-Equity-Lösungen. www.aream.de

Eine Antwort zu “Lohnt sich für Unternehmen der Aufbau eigener Energiegewinnung?”

  1. Der Aufbau eigener Energiegewinnung im Gewerbe und in der Industrie lohnt sich in Verbindung mit einem Stromspeicher noch mehr. Der Speicher erhöht die Möglichkeiten der Optimierung der Stromnutzung und des Strombezugs.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Language