
Elon Musks Geheimnis ist die DRINGLICHKEIT
Elon Musk: „Unser Arbeitsprinzip besteht in einem irrsinnigen Dringlichkeitsbewusstein.“
Von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
Seien Sie ein Windhund und keine lahme Schnecke! Ich habe inzwischen bestimmt ein Dutzend Bücher über Elon Musk und Space X gelesen, und in jeder Biografie und jedem Buch über Space X wird als eine der wichtigsten Eigenschaften von Musk hervorgehoben, wie dringlich er alle Dinge machte. Ashlee Vance schreibt in seiner Musk-Biografie: „Was das Thema Zeit angeht, setzt Musk wahrscheinlich aggressivere Termine für sehr schwierige Produkte als jeder andere vor ihm.“ Ein Mitarbeiter berichtete: „Musk wählt den aggressivsten Terminplan, den man sich nur vorstellen kann, falls alles gut läuft, und dann verkürzt er ihn noch, weil er davon ausgeht, dass jeder noch härter arbeiten kann.“ Wenn Musk den Zeitaufwand für ein Softwareprojekt abschätzte, so berichtete der Mitarbeiter halb scherzhaft, nehme Musk die Zahl an Sekunden, die für das reine Eintippen einer Zeile Code gebracht werde und multipliziere sie mit der geschätzten Gesamtzahl an Zeilen für die fertige Software. „Alles, was er tut, ist schnell. Er pinkelt sogar schnell, wie ein Feuerwehrschlauch – drei Sekunden und fertig.“
„Das ist albern, halbier das!“
Laut Musk-Biograf Walter Isaacson beschrieb Musk selbst seine Arbeitsvorgaben so: „Unser Arbeitsprinzip besteht in einem irrsinnigen Dringlichkeitsbewusstein.“ Diesen Satz wiederholte er wieder und wieder und wieder. Als ein Mitarbeiter an den neuen Merlin-Triebwerken für die Falcon-9-Rakete arbeitete, legte er für die Fertigstellung einer der Versionen einen ambitionierten Zeitplan vor. Doch Musk, so berichtet Isaacson, schien der Plan nicht ehrgeizig genug. „Wie, zum Teufel kann das so lange dauern?“ fragte er. „Das ist albern. Halbier das!“
Auch Bill Gates war dafür bekannt, dass er alles dringlich machte. Ein ehemaliger Microsoft-Manager erinnert sich, dass Gates gleich während seiner ersten Woche zu ihm ins Büro gestürzt gekommen sei und ihn angeschrien habe: „Wie können Sie bloß so lange für diesen Vertrag brauchen? Machen Sie ihn endlich fertig!“
Oracle-Gründe Larry Ellison, Apple-Gründer Steve Jobs und Bill Gates erkannten, dass manchmal Schnelligkeit wichtiger als Perfektionsdrang ist, und zwar besonders in einer Phase, in der es darum ging, sehr schnell Marktanteile zu gewinnen. Wenn die Mitarbeiter oder Wettbewerber ihn dafür kritisierten, dass er zu schnell mit nicht ausgereiften Produkten auf den Markt komme, dann entgegnete Ellison: „Wie viel kostet es Pepsi, die Hälfte von einem Prozent an Coca Colas Marktanteil zu bekommen, sobald der Markt etabliert ist? Verdammt viel … Wenn wir nicht so hart und so schnell arbeiten, wie wir können, und unsere Anstrengungen dann nicht noch mal verdoppeln, wird es uns aus Kostengründen nicht möglich sein, unseren Marktanteil zu erhöhen.“
Erfolgsmenschen machen alles wahnsinnig dringlich
Ähnlich wie Ellison dachte Bill Gates. Seine Strategie basierte darauf, immer der Nachfrage zuvorzukommen und als erster mit einem neuen Produkt auf dem Markt zu sein. Allerdings, auch das ist richtig, brachte das Microsoft manchmal in erhebliche Schwierigkeiten, aufgrund unvorhersehbarer Schwierigkeiten oder Verzögerungen mussten Verträge revidiert werden.
Elon Musk wusste von vornherein, dass die Raketen, die er baute, nicht sofort perfekt sein würden. Was Außenstehende, die keine Ahnung vom Thema hatten, als „fehlgeschlagene Tests“ bewerteten, waren für ihn Möglichkeiten, in der Praxis Daten zu gewinnen, um die Rakete zu verbessern. Was der NASA in mehreren Jahrzehnten nicht gelang, gelang ihm in einem Jahrzehnt.
Wer etwas in und mit seinem Unternehmen bewegen will, muss bei den Mitarbeitern ein Gefühl für Dringlichkeit entwickeln, so die These von John P. Kotter in seinem ausgezeichneten Buch „Das Prinzip Dringlichkeit“. Seine Hauptthese überzeugt spontan. Jeder Unternehmer und jeder Manager weiß, dass die wertvollsten Mitarbeiter die sind, die ein intensives Gefühl für Dringlichkeit haben.
Allerdings, auch darauf weist der Kotter zu Recht hin, ist die „richtige“ von der „falschen“ Dringlichkeit zu unterscheiden. „Falsche Dringlichkeit ist meist mit unproduktiven und planlosen Aktionen verbunden, die außer Stress wenig bringen: Mitarbeiter eilen von einer Besprechung zur nächsten, produzieren Berge von Unterlagen und drehen sich endlos im Kreis, wobei sie die Orientierung verlieren und gar nicht mehr in der Lage sind, großartige Gelegenheiten zu erkennen und die wirklich wichtigen Probleme zu lösen.“
Die Verwechslungsgefahr zwischen dem „richtigen“ und dem „falschen“ Gefühl für Dringlichkeit sei enorm. „Oft wird die hektische und planlose Betriebsamkeit als Beweis dafür gesehen, dass die Dringlichkeit eines Projekts allen bewusst ist.“ Manche Mitarbeiter denken, wenn sie sehr viel „herumwirbeln“ und am Ende des Tages davon ganz erschöpft sind, sei dies ein Beleg für ihre Produktivität. Produktivität zeigt sich jedoch daran, dass effizient Ergebnisse erzielt werden und nicht daran, dass mit hektischer Betriebsamkeit viel Staub aufgewirbelt wird.
Wer wahre Dringlichkeit empfindet, konzentriert sich ausschließlich auf Angelegenheiten oberster Priorität und streicht Belanglosigkeiten aus seinem Terminkalender. Wer wahre Dringlichkeit empfindet, kommt gar nicht erst auf die Idee, Angelegenheiten höchster Priorität auf irgendwann später zu verschieben, nur weil sie momentan nicht so gut in den Zeitplan passen. „Nein, er erledigt sie gleich, wobei gleich bedeutet, sich Tag für Tag um sichtbare Fortschritte bei der Erledigung zu bemühen.“
Tipps, um das Prinzip Dringlichkeit umzusetzen
Kotter gibt einige wichtige Tipps, um das Prinzip der Dringlichkeit umzusetzen:
- Streichen Sie unwichtige Termine.
- Delegieren Sie, soviel Sie können.
- Lassen Sie es nicht zu, dass Untergebene Ihnen unnötige Aufgaben aufhalsen.
- Beenden Sie jede Besprechung prinzipiell mit einer eindeutigen Ansage, wer wann welche Aufgabe zu erledigen hat.
- Stellen Sie Ihre Reaktionsfreude, Leidenschaft, Worttreue und noch vieles mehr gut sichtbar für alle unter Beweis, damit möglichst viele Mitstreiter Ihrem Beispiel folgen. Das Gefühl für Dringlichkeit ist extrem ansteckend, nutzen Sie es aus.
Es ist vor allem von hoher Bedeutung, ein Gefühl für Dringlichkeit in der Unternehmenskultur zu verankern – und sich von jenen Mitarbeitern zu trennen oder diese zu isolieren, die selbstgefällig sind und die Dringlichkeit sabotieren. Der Schaden, den solche „Neinsager“ in einem Unternehmen anrichten, kann gar nicht überschätzt werden. In allen Unternehmen von Elon Musk, so unterschiedlich sie sind, regiert die Dringlichkeit.
Ich hatte Anfang Oktober die Idee, meinen ersten Roman zu schreiben, eine Dystopie. Wissen Sie, wann ich damit begann? Zehn Minuten, nachdem ich diese Idee hatte. Weniger als 48 Stunden später hatte ich die ersten 50 Seiten geschrieben und meinen Freunden gemailt mit der Bitte um ihre Meinung. Ich habe die Sache für mich dringlich gemacht. Mich machen langsame Menschen verrückt.
Manche Beamte leben in einer anderen Zeitdimension
Jule Mann berichtet in ihrem Buch „Es gibt viel zu tun, heften wir’s ab“ über das Alltagsleben in dem Amt, in sie arbeitete: Neben ihrer Hauptaufgabe, nämlich den endlos langen Monologen ihres Chefs über Fußball und andere wichtige Dinge des Lebens zuzuhören, hatte sie den verantwortungsvollen Job, täglich die Post aus der zentralen Posteingangsstelle abzuholen. Sie wunderte sich, warum sie auf eisige Ablehnung stieß, als sie frühmorgens dort auftauchte, denn ein ungeschriebenes – und ihr zu dieser Zeit nicht bekanntes – Gesetz besagte, dass man hier vor neun nicht stören sollte. Eine Kollegin klärte sie auf, die versehentlich einmal früher da war und sich fragte, was all ihre Kollegen so zwischen sechs und neun arbeiteten. „Die ersten drei Büros waren dunkel und leer, obwohl die Kollegen im Zeiterfassungssystem als anwesend eingeloggt waren. Das vierte Büro war auch dunkel – aber nicht leer. Dort saß ihr Abteilungsleiter im unbeleuchteten Büro an seinem Schreibtisch und döste vor seinem Bildschirm. Er schreckte aus dem Halbschlaf hoch und hatte auch keine Ahnung, wo sich die anderen Kollegen gerade ‚versteckten‘. Einer fand sich dann angelehnt am Kaffeeautomaten in der Etagenküche, wie er müde an seinem ungespülten Becher nippte. Drei entdeckte sie im aller letzten dunklen Büro, die hatten es sich gemütlich gemacht mit einer kleinen Schreibtischlampe, fast wie bei Kerzenlicht. Sie bissen krachend in ihre Brötchen und erzählten sich gegenseitig Geschichten. Der nächste Kollege war mit dem ‚Geschäft‘ beschäftigt, zu dem er morgens zu Hause keine Zeit hatte, weil er eilig ins Büro musste. Er kam eine halbe Stunde später mit der Bildzeitung unter dem Arm vom Klo.“
Die Beamten und Angestellten in dem Amt suchten sich während des Tages schon ihre Arbeit. Beispielsweise verbrachte die Autorin einige Wochen damit, einen eigenen Abteilungs-Eingangsstempel zu beantragen und herstellen zu lassen, mit denen die bereits bei der zentralen Posteingangsstelle des Amtes mit einem Eingangsstempel versehene Post noch einmal abgestempelt wurde, wohlgemerkt inklusive der Tageszeitungen und der Werbesendungen, die natürlich auch ihren Eingangsstempel bekommen mussten. Viel Zeit wurde darauf verwandt, sorgfältig zu diskutieren und abzuwägen, wie der neue Stempel aussehen sollte, ob etwa das Datum nur aus Ziffern bestehen oder der Monat ausgeschrieben werden sollte.
Wofür sie eigentlich eingestellt worden war, das blieb der Autorin schleierhaft. „Immer öfter frage ich mich, wofür ich überhaupt eingestellt wurde. Ich habe in meinem gesamten bisherigen Berufsleben noch nie so wenig gearbeitet. Und dabei gelte ich hier sogar als fleißig… Es fragt auch keiner, was ich eigentlich die ganze Zeit treibe. Nein, ich werde für meine Schnelligkeit gelobt. Immer wieder ist mein lieber Chef erstaunt: ‚Was sind Sie schon fertig damit?‘ Und das, obwohl ich mehr als getrödelt habe und zwischendurch zwei Privatmails geschrieben, eine Kurzgeschichte verfasst und im Internet gesurft habe.“
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Dieser Beitrag von Rainer Zitelmann ist zuerst im ERFOLG Magazin erschienen.
Leider entspricht Ihre Schilderung von Arbeitsmoral genau dem was im Öffentlichen Dienst abläuft. Da ich 45 Jahre Teil davon war kann ich das beurteilen. Das ganze System ist auf Langsamkeit ausgelegt und es gibt keinerlei Möglichkeiten (Anreize, Strafen) das zu ändern. Der gesamte Öffentliche Dienst müsste neue “Spielregeln” erhalten. Doch welcher Politiker traut sich so ein heißen Eisen anzufassen?