Erben ist kein Lottogewinn, sondern ein generationenübergreifender Leistungsprozess
Erben sei leistungslos und müsse möglichst wegbesteuert werden, sagen Linke. Wessen Leistung wird hier eigentlich negiert? Die des Erben? Oder die desjenigen, der sein Leben lang gearbeitet hat, um seiner Familie etwas zu hinterlassen? Ich kenne zahlreiche dieser Lebenswege. Einige davon ganz persönlich.
von Celine Nadolny
Mein eigener Vater stammt aus einem Haushalt mit sehr vielen Kindern und sehr wenig Geld. Es gab keine Startvorteile, keine stille Erbschaft, keine Sonderbehandlung – dafür aber Pflichtbewusstsein, Disziplin und Arbeitswille. Er absolvierte eines der anspruchsvollsten dualen Studienprogramme Deutschlands, beim Finanzamt. Danach meisterte er die Steuerberaterprüfung – eine der Prüfungen mit der höchsten Durchfallquote des Landes.
Er kaufte sich – auf Kredit – in eine Kanzlei ein. Er baute sie über Jahrzehnte aus. Er beschäftigte Mitarbeiter. Er zahlte Steuern. Er trug Risiko. Er zog vier Kinder groß. Und nun will man mir erklären, dass das, was ich eines Tages von ihm erhalte, „leistungslos“ sei?
Wessen Leistung wird hier eigentlich negiert? Die des Erben? Oder die desjenigen, der sein Leben lang gearbeitet hat, um seiner Familie etwas zu hinterlassen?
Diese Debatte ist nicht nur absurd, sie ist respektlos.
Auch in Unternehmerfamilien entstehen Werte nicht über Nacht
Ein befreundeter Unternehmer, der als Migrant ohne Sprachkenntnisse nach Deutschland kam, ohne Geld, ohne ein einziges Netzwerk, ist ein weiteres Beispiel. Er hat sich Wissen erarbeitet, ist gescheitert, wieder aufgestanden, hat Unternehmen aufgebaut – manche erfolgreich, manche nicht. Er ist heute Mitte vierzig. Er übergibt noch nichts. Aber er bereitet bereits vor: seine Frau, seine Kinder, seine Mitarbeiter.
“Bevor ein Euro vererbt wird, hat der Staat ihn bereits mehrfach berührt. Man könnte auch sagen: ausgepresst. Was also rechtfertigt den erneuten Zugriff des Staates?”
Es ist der natürliche Prozess eines Familienunternehmens:
- Man gibt nicht nur Vermögen weiter, sondern Kultur, Anspruch, Verantwortung.
- Man erzieht nicht nur, man befähigt.
- Man testet, man fordert, man begleitet.
Und manchmal ist diese Verantwortung schwerer als das Vermögen selbst.
Unternehmen sind keine Geldsäcke – sie sind Verpflichtung
Die linke Rhetorik tut so, als würden Erben Geldsäcke erhalten, die sie nur aufreißen müssen. Aber das Erbe, um das es in der Realität geht, sind Unternehmen:
- mit Mitarbeitern,
- mit Arbeitsverträgen,
- mit Produktionsketten,
- mit laufenden Kosten,
- mit jahrzehntelang aufgebautem Vertrauen.
Der Erbe bekommt kein Geschenk. Er bekommt einen Auftrag. Und zwar einen hochkomplexen.
Deshalb schicken viele Unternehmer ihre Kinder bewusst in andere Betriebe, andere Länder, andere Branchen. In der Hotellerie etwa ist es üblich, die nächste Generation erst in fremde Häuser zu schicken – ohne Familienbonus, ohne Sonderbehandlung. Wer zurückkehrt, kommt mit handfestem Rüstzeug.
Die Vorstellung, Erben wäre ein passiver Akt, zeigt vor allem, wie wenig die Kritiker von unternehmerischer Praxis verstehen.
Leistung wurde nicht nur erbracht – sie wurde bereits hoch besteuert
Noch eine Realität, die in diesen Debatten konsequent ignoriert wird: Alle Vermögenswerte, die vererbt werden, wurden bereits besteuert. Und zwar über Einkommensteuer, Gewerbesteuer, Körperschaftsteuer, Umsatzsteuer, Lohnsteuer für Mitarbeiter, Kapitalertragsteuer, Grunderwerbsteuer, Grundsteuer.
Das Argument „Leistungslosigkeit“ bricht an dieser Stelle vollständig in sich zusammen. Denn bevor ein Euro vererbt wird, hat der Staat ihn bereits mehrfach berührt. Man könnte auch sagen: ausgepresst.
Was also rechtfertigt den erneuten Zugriff des Staates?
Erbschaftsteuer: Der elegante Weg zur Enteignung
Deutschland gehört im internationalen Vergleich zu den Ländern mit der höchsten Erbschaftsteuerbelastung auf Betriebsvermögen. Studien der Stiftung Familienunternehmen und des ZEW zeigen:
- Deutschland belegt regelmäßig die oberen Plätze, wenn es um die steuerliche Belastung für Kinder geht.
- Über 40 % der Familienunternehmen befürchten, dass eine verschärfte Erbschaftsteuer ihren Fortbestand gefährden würde.
- Das ifo Institut warnt seit Jahren, dass Investitionen und Innovationen durch die Erbschaftsteuer massiv gehemmt werden.
Das ist keine Umverteilung mit Augenmaß. Das ist ein strukturelles Risiko für den deutschen Mittelstand. Und ja: Es ist eine Form der Schleichenteignung.
Das linke Narrativ: Umverteilung getarnt als Moral
Die Formel „leistungsloses Einkommen“ soll nicht erklären – sie soll verurteilen. Sie dient dazu, eine Umverteilungsagenda als moralische Notwendigkeit zu verkaufen. Aber was bitte hat ein Erbe „leistungsfrei“ bekommen, wenn die Eltern jahrzehntelang gearbeitet haben, der Erbe jahrzehntelang vorbereitet wurde, das Unternehmen Jahrzehnte lang Steuern zahlte und das Vermögen bereits mehrfach besteuert wurde?
Man würde ja fast meinen, der Staat sei die moralisch höhere Instanz – dabei ist sein eigenes Leistungsniveau seit Jahren rückläufig: marode Infrastruktur, unterfinanzierte Bildung, katastrophale Digitalisierung, sinkende internationale Wettbewerbsfähigkeit. Aber ausgerechnet der Staat soll nun definieren, wem Vermögen moralisch „zusteht“? Es ist grotesk.
Familie als Zielscheibe – weil sie ein Gegenmodell zum Staat ist
Es fällt auf, dass in linken Konzepten der Staat stets als rettende Kraft inszeniert wird – während die Familie als regressives Modell gilt. Doch starke Familien schaffen etwas, das dem Staat missfällt: Unabhängigkeit. Eine Familie, die Vermögen aufbaut, Verantwortung weitergibt und füreinander einsteht, braucht den Staat weniger.
“Erbschaften sind kein moralisches Problem – sie sind ein ökonomisches Fundament”
Und ein Bürger, der weniger abhängig ist, ist weniger formbar. Wer Familie schwächen will, greift ihr Herzstück an: die Möglichkeit, Leistung zwischen Generationen weiterzugeben.
Fazit: Wer Erben bestraft, schwächt die Grundpfeiler unseres Wohlstands.
Erbschaften sind kein moralisches Problem – sie sind ein ökonomisches Fundament. Unternehmerfamilien tragen Deutschland, nicht umgekehrt. Wer behauptet, Erben sei leistungslos, diffamiert all jene, die dieses Land tragen, investieren, riskieren, Arbeitsplätze schaffen.
Es wird Zeit, dieses Narrativ zurückzuweisen. Nicht leise, sondern laut. Nicht entschuldigend, sondern selbstbewusst.
Mein Appell
Sprich in deiner Familie offen über Nachfolge. Lass dir nicht einreden, du müsstest dich dafür rechtfertigen, Leistung zu bewahren und Verantwortung weiterzugeben. Stehe zu deinem Vermögen, zu deiner Verantwortung, zu deinem Familienunternehmen. Und überlasse das Denken über Eigentum nicht jenen, die keines aufgebaut haben.
Celine Nadolny ist begeisterte Büchereule, preisgekrönte Finanzbloggerin, Wirtschaftsstudentin und Deutschlands einflussreichste Sachbuchkritikerin. Mit Book of Finance schreibt sie eines der reichweitenstärksten Fachbuch-Portale. Für DDW schreibt sie die Reihe “Bücher, Börse, Business – Celine’s Perspektiven”






















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