Erkennen wir unsere Chancen und nutzen wir unsere Potentiale

Ein Kommentar Lesezeit:

„Ein Staat der glaubt es besser zu wissen, als innovative Unternehmen, ist der Totengräber des Fortschritts“, sagte Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrats, bei der Eröffnung des  Wirtschaftstags der Innovationen am 15.11. in Berlin. Wir dokumentieren die gesamte Rede.

Astrid Hamker

Im Jahr 1893 fand die Weltausstellung in Chicago statt. Im Vorfeld wurden 80 der damals führenden Denker der Welt um eine Prognose gebeten, wie die Welt in 100 Jahren aussehen würde. Eingereicht wurden viele spektakuläre Fehleinschätzungen:

  • Bewegliche Bürgersteige, die einen nach dem Verlassen des eigenen Hauses sofort auf Schienen zum Zielort bringen würden.
  • Die Möglichkeit, auf Korkschuhen und von Gasballons gehalten, über Wasser spazieren zu können.
  • Oder Schönwettermaschinen, die unliebsame Gewitterwolken einfach zerschießen und zerteilen könnten.

Eine Minderheit der Befragten, dachte jedoch bemerkenswert in die richtige Richtung, vertat sich aber bei den Technologien:

  • E-Mails wurden vorausgedacht, wenn auch in Form von Rohrpostsystemen unter den Ozeanen.
  • Auch die Bedeutung des Luftverkehrs wurde erahnt. Allerdings glaubte man, die Menschen würden in Ballons reisen, die an Kabeln zwischen den Städten verkehren würden.

„Durchaus kluge Leute glauben sehr oft, Erleuchtung und Erkenntnis zu besitzen, was die Menschheit rettet und was zu tun sei, um künftigen Generationen ein besseres Leben bzw. ein Überleben zu ermöglichen“

Was können wir aus all dem lernen?

Es ist müßig, Erfindungen und Innovationssprünge vorherzusagen. Auch wenn wir eine gute Vorstellung davon haben, wo wir hinwollen, ahnen wir meist nicht, welche Technologien uns dorthin führen. Hätten wir immer nur an der Perfektionierung des Rohrpostsystems getüftelt, hätten wir wohl nie das Internet erfunden. Hätten wir uns ausschließlich auf ein besseres Ballondesign fokussiert, wären vielleicht nie Flugzeuge entstanden.

Wer sich anmaßt zu wissen, welche Verbote zu welchen Innovationen führen, wiederholt ein immer wieder feststellbares Phänomen.
Durchaus kluge Leute glauben sehr oft, Erleuchtung und Erkenntnis zu besitzen, was die Menschheit rettet und was zu tun sei, um künftigen Generationen ein besseres Leben bzw. ein Überleben zu ermöglichen. Aber anstatt ihre Ideen und Ideologien einem Wettbewerb der Konzepte und Problemlösungen zu stellen, bei dem Praxis, Markt und Bevölkerung entscheiden, welcher Weg zur Zielerreichung sich als der Beste erweist, wollen sie von Oben diktieren und anordnen, was richtig und was falsch sei.

Soziale Marktwirtschaft ist  ein Erfolgsmodell, weil es Erfindergeist und Kreativität setzt

Wir sehen diesen Trend dieser Tage in Berlin und wir erleben in leider auch in Brüssel: Sanierungszwang für Gebäude statt steuerliche Anreize, Wasserstoff nur grün aus Wind und Sonne, „All Electric“ vor Technologieoffenheit: Zunehmend würgen wir Innovationen ab und stecken die Wirtschaft in eine Zwangsjacke.

Solche Antworten werden der Radikalität des jetzt kommenden Wandels nicht gerecht. Und in aller Klarheit: Das hat nichts mehr mit Sozialer Marktwirtschaft zu tun. Im Gegenteil: Soziale Marktwirtschaft ist doch gerade deshalb so ein Erfolgsmodell, weil es auf das Beste im Menschen setzt – seinen Erfindergeist und seine Kreativität!

Durch die gewaltigen Umbrüche unserer Zeit kommen fraglos immer neue Fragen und Herausforderungen auf unser freiheitliche Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zu, die wir gemeinsam beantworten müssen:

  • Was bedeuten Freiheit und Verantwortung – das Fundament unserer Sozialen Marktwirtschaft – im Rahmen von Künstlicher Intelligenz?
  • Was bedeuten die Entwicklungen für unsere Bildungspolitik? Ich spreche nicht nur über die fehlenden MINT-Kompetenzen, sondern auch über die Frage, ob das klassische Bildungsideal der selbstständig urteilsfähigen Persönlichkeit im digitalen Zeitalter nicht wichtiger denn je ist? Es geht darum, den Menschen 1.0 fit zu machen für die Welt 4.0 oder 5.0.
  • Und es geht auch um die Frage und das Spannungsfeld, wie wir einerseits im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft offene Märkte und den Freihandel konsequent verteidigen, anderseits jedoch mit der Tatsache umgehen, dass Technologien und Innovationen zunehmend in den Mittelpunkt eines Systemwettbewerbs rücken?

„Während die USA die beste KI entwickeln möchte und China die Effizienteste, konzentriert sich Europa eher darauf, die am stärksten regulierte KI zu schaffen“

Hierbei steht die Innovationsführerschaft in zentralen Schlüsseltechnologien und Zukunftsindustrien im Fokus:

  • die Künstliche Intelligenz,
  • die Quantentechnologie oder
  • das Cloud Computing und
  • das Internet of Things.

Dabei fällt auf: Die Rivalität verläuft zunehmend zwischen der Ost- und Westküste des Pazifiks. Deutschland und Europa spielen immer weniger eine Rolle. Das sieht man besonders am Beispiel der immer wichtiger werdenden Künstlichen Intelligenz.

Während die USA die beste KI entwickeln möchte und China die Effizienteste, konzentriert sich Europa eher darauf, die am stärksten regulierte KI zu schaffen.

Exzellente Voraussetzungen und Potential

Dabei müssen doch gerade wir als ressourcenarme Volkswirtschaft und als Land der Ingenieure wissen, dass Wirtschaftswachstum und Wohlstand von der Innovationsführerschaft bestimmt werden. Wir brauchen strategische Antworten auf diese Welt der Umbrüche. Als Europäische Union dürfen wir nicht mehr Spielball sein, sondern müssen ein aktiver Akteur auf dem Spielfeld sein!

Wir haben eigentlich als Deutschland und Europa exzellente Voraussetzungen und das Potential, im politischen und ökonomischen Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsräumen den Ton anzugeben:

  • Wir haben die Stärke und die Marktmacht eines integrierten Binnenmarktes.
  • Wir haben exzellente Grundlagenforschung, die Wegbereiter für viele Technologien sind, die wir heute als Produkte nutzen.
  • Wir haben auch eine einzigartige Mittelstands- und Innovationskultur, einen hohen Industrieanteil und einen ausgeprägten Erfindergeist.

Ich teile deshalb nicht die inflationären Abgesänge auf den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Knapp die Hälfte der rund 3.500 Weltmarktführer und Hidden Champions ist deutsch – das ist ein toller, gesunder und innovativer Kapitalstock. Ja, wir haben keine Amazons, Facebooks oder Googles. Aber: Im Deep-Tech und Business-to-Business-Bereich der Digitalisierung sind wir Spitze.

  • Apple zum Beispiel hat knapp 800 Zulieferer aus Deutschland – niemand kennt sie, aber mit ihrem Know-how tragen sie wesentlich zum Erfolg von Apple bei.
  • Die KI-gestützte Spracherkennungssoftware von Siri wurde an der TU München entwickelt – sie ist in Milliarden von Smartphones implementiert.

Diese Unternehmen gehören in ihren Industrien zu den Besten der Welt – wir müssen ihnen nicht erklären, welche Technologien für morgen gebraucht werden.

„Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Sprechen wir mit Deutschland, bekommen wir Belehrungen“

Aber: Wir müssen sehr wohl dafür sorgen, dass sie einen stabilen und wettbewerbsfähigen Ordnungsrahmen haben, in dem sie ihre Vorteile verteidigen und weiterentwickeln können! Und eine ehrliche Bestandsaufnahme muss zu dem Ergebnis kommen, dass wir genau hier derzeit nicht liefern und es uns deshalb selbst immer schwerer machen, mit der Weltspitze mitzuhalten.

Eine der Entwicklungen, die mich nachdenklich stimmt: Im August 1887 wurde in Großbritannien der „Merchandise Marks Act“ beschlossen. Produkte aus Deutschland wurden fortan mit dem Schriftzug „Made in Germany“ gebrandmarkt. Doch was als Malus gedacht war, hat die deutsche Wirtschaft über die Jahrzehnte in ein globales Gütesiegel für deutsche Qualität und Zuverlässigkeit umgewandelt.

Und heute: In gewissen Industrien wird bereits wieder damit geworben, dass Produkte „German free“ sind, also keinerlei Bauteile aus Deutschland enthalten.

Das gilt momentan insbesondere für die Verteidigungswirtschaft. Dort ist der Schaden bereits entstanden. Die ideologische und sprunghafte Genehmigungspolitik der Deutschen bei Rüstungsexporten nervt Partner, erschwert europäische Kooperationen und ist zum Absatzförderungsprogramm für die Konkurrenz geworden. Polen etwa hat seine jüngste Großbestellung in Südkorea damit begründet, dass man die Unberechenbarkeit der Deutschen bei Exporten fürchtet.

Doch wenn wir uns nicht auf grundlegende Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zurückbesinnen – ist es absehbar, dass „German free“ auch auf anderen Märkten zum Werbeslogan wird. Fatalerweise tun wir sehr viel dafür: Der Vorstoß von Wirtschaftsminister Habeck, die Investitionsgarantien des Bundes künftig an die Erfüllung der klimapolitischen Sektorleitlinien Deutschlands zu koppeln, wird genau diesen Effekt haben und ist nur ein Beispiel für eine moralisierende Wirtschaftspolitik, die letztlich scheitern muss.

Ngozi Okonjo-Iweala, die aus Nigeria stammende Generaldirektorin der WTO hat es eindrucksvoll auf den Punkt gebracht: „Wenn wir mit China sprechen, bekommen wir einen Flughafen. Sprechen wir mit Deutschland, bekommen wir Belehrungen.“

Erkennen wir die Chancen?

Unübersehbar werden immer mehr Produkte und Branchen auch durch die hohen Energiepreise „German free“. So haben etwa BASF und Lanxess ihre Ammoniak-Produktion aus Deutschland verlagert, weil das in der Kostenstruktur nicht mehr darstellbar ist. Die Produktion von Ammoniak wandert nun nahezu komplett nach China. Dort ist der CO2-Ausstoß bei der Produktion jedoch um den Faktor zehn höher.

Letztes Beispiel Gesundheit: Nicht zuletzt die Pandemie hat gezeigt, welche Potenziale aber auch welche Defizite es im deutschen Gesundheitssystem gibt. Diese Ambivalenz bringt die Bestandsaufnahmen des Charite-Chefs Heyo Kroemer zum Ausdruck: „Wir sind in der absurden Situation, dass ein Impfstoff zwar in Deutschland mit entwickelt wurde, wir alle Informationen über diesen Impfstoff aber aus dem Ausland erhalten müssen.“

Die Zeit der Faxgeräte und gelben Impfausweise soll endlich vorbei sein. Ein effizienter, smarter und schneller Umgang mit Daten ist so dringlich wie vielleicht nie zuvor. Doch bei unserem Gesundheitssymposium vor wenigen Wochen haben maßgebliche Entscheidungsträger eindringlich gewarnt: Sind diese Daten in Deutschland nicht zugänglich, droht eine Teslaisierung der Medizin: Deutschland, ein ehemaliger Standort der Spitzentechnologie, werde dann international abgehängt.

Die Zukunft unseres gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenlebens wird zu einem erheblichen Teil davon beeinflusst, wie wir mit Innovationen umgehen und welchen Weg wir in der digitalen Transformation einschlagen:

  • Erkennen wir die Chancen und nutzen wir die Potentiale, oder verrennen wir uns und diskutieren nur die Risiken?
  • Nutzen wir den Europäischen Binnenmarkt um Standards festzulegen und gelingt es uns internationale Partner ins Boot zu holen und auf faire Regeln zu einigen oder fallen wir in Alleingänge zurück und verlieren durch Insellösungen an Widerstands- und Wettbewerbsfähigkeit.
  • Sind wir in der Lage, die Sicherheit unserer gesellschaftlichen und ökonomischen Freiheit zu gewährleisten?
  • Entwickeln wir also die richtigen Rahmenbedingungen für Innovationen, die zum Wachstum für Wohlstand führen?

Der Ökonom Peter Drucker hat einmal gesagt: „Die beste Art, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.“ Lassen Sie uns gemeinsam Zukunft gestalten!

Der Wirtschaftsrat der CDU e.V. ist die Stimme der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland und Europa. Unternehmen und Unternehmern bietet er eine branchenübergreifende Plattform, Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik im Sinne Ludwig Erhards für Fortschritt durch Wettbewerb, Chancen durch Freiheit und Wohlstand durch Leistung mitzugestalten. https://wti.wirtschaftsrat.de.

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Bild oben: Jens-Schicke

Eine Antwort zu “Erkennen wir unsere Chancen und nutzen wir unsere Potentiale”

  1. Ein interessanter und fassettenreicher Vortrag.
    In den vergangenen 100- 200 Jahren haben sich Welten verändert.
    Jetzt leben wir in einer schnelllebigen Zeit, voller Worthülsen und
    voller gezielter Fehlinformationen.
    Die alten Regierungen genauso wie die jetzige Regierung hatten
    bzw. haben ihre verengten Sichtweisen auf Lösungen anstehender Situationen.
    Nicht 100 Milliarden für den Krieg sondern 1 Milliarde für die Forschung jetzt für Erfindergeist und ohne geistige Begrenzungen. Dann bekommen wir Ergebnisse auf breiter Basis und ganz sicher diverse Alternativen zum heutigen Gedankengut der verengten Sichtweisen.
    Krieg ist nur eine Alternative für Krimminelle und
    geistig minderbemittelte Menschen. Natürlich gibt es bei den Unternehmen auch Kriegsgewinnler- die gab es immer schon
    in der Geschichte der Menschheit. Für ein friedliches Zusammenleben brauchen wir weder Kriegswaffen noch Kriege,
    die ausschließlich Leid und Elend bringen.
    Was wir dafür tatsächlich benötigen sind Menschen und Unternehmen mit Rückrat. Jeder kann sich ja selber fragen, wo
    ein Unternehmen sicherer wirken kann, in einer Kriegsumgebung oder in einer Friedensumgebung.
    Und wir brauchen Politiker die das machen können, was Unternehmer und Unternehmerinnen laufend machen -verhandeln. Nur daran ist Mangelware.
    Es gibt keinen Grund den Kopf hängen zu lassen zu meckern oder zu schmollen. Wo sind die Lösungen und ran an die Politiker. „Chef ich habe mein möglichstes versucht“ oder „Chef
    alles erledigt“ Wie denken Sie?
    Ach da war doch noch was… „KI“ fälschlicher Weise künstliche Intelligenz genannt. Richtig wäre: „KI“ keine Intelligenz!
    Den Informatikern und Genossen ist der Gehirnschmalz ausgegangen. Nun brauchen wir natürlich Weiterentwicklung.
    Aber die benötigen wir in erster Linie in den Fähigkeiten der einzelnen Menschen. Und dieses fängt schon in der Schule an.
    Menschen fitt für das Leben zu machen, wäre Aufgabe des Staates, der für diese Aufgabe leider keine Verantwortung übernimmt. Verantwortung ist ein breites Gebiet und nicht jeder ist so mutig um etwas zu sagen oder zu tun oder nicht zu tun. Keiner muss Gandi werden. Aber jeder kann sich mit diesem oder jenem Thema mal befassen und informieren und vorsichtig einen kleinen Schritt machen.Jeder Schritt ist gewünscht. Wer sich mehr zutraut kann gerne mehr machen. Und auch Unternehmer und Unternehmerinnen dürfen bei dem Thema in den Mut-Spiegel schauen. Eine Sängerin hatte vor Jahren einen Song „aufrecht stehn oder aufrecht gehn“.
    In diesem Sinne.
    Viel Erfolg.
    Robert Heins

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