Warum Deindustrialisierung für Deutschland nicht schlecht sein muss
Das Schreckgespenst der Deindustrialisierung geht um. Verlagerungen, Verkäufe und große Sorgen säumen seinen Weg. Aber die Wahrheit ist auch: Deutschland hat schon oft bewiesen, dass der Verlust von Branchen nicht schaden muss – sagt Professor Dr. Dr. Hermann Simon im Interview mit DDW.
Der weltweit renommierte Strategie- und Pricing-Experte und Autor vieler Standardwerke verweist unter anderem darauf, dass in der Historie bereits viele Branchen verloren gegangen seien, wie die Textilindustrie, die Kameraindustrie (bei der wir Weltmarktführer waren) und der Bergbau. Deutschland habe dennoch Beschäftigung und wirtschaftlichen Erfolg gehabt. Im Gegenteil: „Wann immer mit massiven Mitteln versucht wurde, Branchen wie den Bergbau zu stützen, wurden gigantische Summen fehlgeleitet“, so Professor Hermann Simon.
Der Anteil der Industrie liegt in Deutschland nach wie vor bei 25 Prozent, hingegen in anderen hochentwickelten Ländern wie USA, UK, Frankreich bei etwa der Hälfte. Das wirft für Prof. Dr. Dr. Simon die Frage auf: Ist unser Anteil vielleicht zu hoch, oder der der anderen Ländern möglicherweise zu niedrig?

Einiges spräche für beide Hypothesen. Deshalb versuchen die Amerikaner und andere zu reindustrialisieren. „Wir sollten aber wahrscheinlich als hochentwickeltes Land einen niedrigeren Industrieanteil haben. Das bedeutet, dass Industrien, die sehr energieintensiv oder umweltbelastend sind, besser in anderen Ländern anzusiedeln wären. Ist das ein Problem für uns?“ fragt Simon im Gespräch mit DDW-Herausgeber Michael Oelmann.
Hinzu kommt für Hermann Simon das Demographieproblem, denn wir brauchen in den neuen Branchen Arbeitskräfte. Wo sollen die herkommen? Sie können nur aus Freisetzung aus alten Branchen kommen, denn die Jahrgänge sind nicht so stark, dass sie alles auffüllen können.
Kein gutes Haar lässt Professor Simon indes am Management und der Planung der Energiewende. Diese käme viel zu schnell für Unternehmen und Verbraucher, es fehle Planbarkeit. Für die technische Komplexität des infrastrukturellen Umbaus fehle es an Kompetenzen im verantwortlichen Ministerium.
Professor Simon äußert sich auch zu den deutsch-chinesischen Wirtschaftsbeziehungen. Wie sich geopolitischen Spannungen entwickeln, wäre schwer vorherzusagen. Aber die beiderseitigen wirtschaftlichen Verflechtungen hätten an ihrer Dynamik nichts eingebüßt. Beide Länder seien aufeinander angewiesen.
Mehr Interviews mit Hermann Simon auf DDW:
- Deutschlands Rolle: “Deep Tech, nicht High Tech“
- Jetzt Preise erhöhen – aber richtig
- Bereit machen für das chinesische Jahrhundert
Hermann Simon ist international gefragter Managementvordenker, erfolgreicher Unternehmer und Pricing-Spezialist. Als Entdecker der „Hidden Champions“, der unbekannten Weltmarktführer, hat er in wenigen Jahrzehnten selbst die international erfolgreichste deutsche Beratung aufgebaut: Simon-Kucher & Partners mit Sitz in Bonn ist heute der Weltmarktführer für Preismanagement.
Sehr geehrte Redaktion,
vielen Dank für dieses Interview. Leider schreibt Herr Simon aus dem Blick des Elfenbeinturms. Dieses ist ein bekanntes Phänomen dem ich als Mathematiker und Informatiker eine gewisse Zeit meines Schaffenszeitraums leider auch anhängig war. Die „Luftnummern“ der angelsächsischen Staaten ist auf einem Kreditsystem mit angehängter Wirtschaft gegründet. Die Ausmaße von Deindustrialisierung lassen sich in beiden Staaten für die Menschen sehr gut beobachten. Hier sind vor allem soziale System und der Gesellschaftliche Zusammenhalt quasi zusammengebrochen. Wenn sich die sogenannte Dienstleistungsgesellschaft (insbesondere nicht wertschöpfender, sondern meist wertzerstörender Faktoren wie Schattenbanken u.ä.) ausbreiten, so ist dies in einer physischen Welt meist von keinem Ertrag. Ausgenommen sehe ich hier gewisse technologische Errungenschaften (innerhalb der IT-Lanschaft), welche jedoch nicht auf Europa als Standort zutreffen.
Für mich erscheint Herr Simon ein sehr ideologisch geprägter Mensch. Aus diesem Grund hoffe ich das ein solches Interview vielleicht das nächste Mal ein wenig kritischer geführt wird. Vielen Dank und beste Grüße
[…] Hier geht es zum Interview mit Professor Dr. Dr. Hermann Simon. die-deutsche-wirtschaft.de, 12.05.23 […]
Die Deindustrialisierung ist der verkorksten Energiewende mit in-effizienter, volatiler Stromerzeugung und der mit CO2-Steuer be-lastenden Fossilen Energie geschuldet. Die systemisch hohen Energiekosten für die Stahl-Alu-und Chemieindustrie werden bei Einsatz von importiertem Wasserstoff noch weiter steigen und damit die Wettbewerbsfähigkeit extrem schwächen und die verarbeitende Industrie und Gewerbe dezimieren, die neue Liefer-ketten im Ausland aufbauen müssten, abwandern oder aufgeben.
Die Mär von der Dienstleistungsgesellschaft ist mir schon in Handelsfachwirtslehrgang 2003 Unstimmig vorgekommen.
Ich will einen vollen Einkaufswagen, nicht jemand der diesen für mich einpackt. Ich will Benzin, nicht jemand der es für mich tankt.
Ansonsten gibt es eben kein positives Beispiel für weggebrochene Industrien. Überall wo es Strukturwandel gab, herrscht heute Armut und hinkt die Region hinterher.