Hohe Arbeitskosten: Deutsche Industrie 22 Prozent teurer als ausländische Konkurrenz

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Trotz hoher Produktivität verliert die deutsche Industrie an Wettbewerbsfähigkeit, zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Der Grund sind hohe Arbeitskosten – und die wachsende Konkurrenz aus China.

Seit Mitte 2018 steckt die deutsche Industrie in der Rezession, ein Grund: hohe Arbeitskosten. Wie sehr sie die Wettbewerbsfähigkeit belasten, belegen die sogenannten Lohnstückkosten. Im Jahr 2024 lagen sie in der deutschen Industrie 22 Prozent über dem Schnitt von 27 Industriestaaten. Das bedeutet: Um eine Einheit zu produzieren, mussten deutsche Unternehmen gut ein Fünftel mehr für Löhne und Gehälter zahlen. Höher waren die Kosten nur in Lettland, Estland und Kroatien. Dies sind Ergebnisse einer Studie des IW, die Christoph Schröder, Senior Economist für Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen beim IW, verantwortet hat.

Hohe Produktivität, noch höhere Kosten

Demnach gehört die deutsche Industrie zwar immer noch zu den produktivsten weltweit. Unter den 27 untersuchten Ländern erreicht Deutschland die siebte Position; von den großen Industrieländern weisen nur die USA eine höhere Produktivität auf. Allerdings hat die Bundesrepublik auch die dritthöchsten Arbeitskosten. In den USA sind die Arbeitskosten zwei Prozent niedriger, die Produktivität dafür 44 Prozent höher als in Deutschland.

Immerhin: Mit 18 Prozent im Vergleich zu 2018 sind die Lohnstückkosten hierzulande zuletzt schwächer gewachsen als im Ausland (20 Prozent). Doch während die Bruttowertschöpfung dort im Schnitt um sechs Prozent gewachsen ist, ging sie in Deutschland um drei Prozent zurück. Das heißt: Die deutschen Industriefirmen konnten trotz unterdurchschnittlicher Preisentwicklung weniger Produkte absetzen. Eine Erklärung: Weil viele deutsche Unternehmen ihren Technologievorsprung – vor allem gegenüber der chinesischen Konkurrenz – verloren haben, können sie seltener die Preise diktieren – die hohen Standortkosten werden deshalb zum Nachteil.

Lohnstückkosten dürften weiter steigen

„Der Fachkräftemangel treibt die Löhne weiter nach oben, die Kosten am Standort Deutschland dürften in den kommenden Jahren weiter steigen“, warnt IW-Ökonom Christoph Schröder. Die Bundesregierung könne helfen, indem sie das Wachstum bei den Lohnnebenkosten bremst und auf die demografische Herausforderung reagiert. „Ohne eine Reform der Sozialsysteme rutscht der Standort Schritt für Schritt in die Deindustrialisierung“.

Spitzenreiter im Produktivitätsranking war im Jahr 2024 Dänemark, das Deutschland bei der Produktivität um 96 Prozent übertraf, gefolgt von den USA mit einem Vorsprung von 44 Prozent und den Niederlanden, die 27 Prozent über dem deutschen Niveau lagen. Damit war die niederländische Industrie führend im Euro-Ausland. Deutlich produktiver als hierzulande ist zudem die belgische Industrie, die hinter den Nieder landen mit einem Vorsprung von 16 Prozent gegenüber Deutschland den vierten Platz belegt. Als hochproduktiv erweisen sich auch Schweden und Norwegen, die gegen über Deutschland ein Produktivitätsplus von 8 beziehungsweise 7 Prozent erzielen. Dagegen ist in Frankreich und dem Vereinigten Königreich das Produktivitätsniveau um rund ein Sechstel niedriger als hierzulande. Italien liegt sogar um 39 Prozent zu rück. Überraschend schwach ist die Produktivität in Japan, dort wird nur wenig mehr als halb so viel je Arbeitsstunde produziert wie in Deutschland.

Hintergrund: Lohnstückkosten und Wettbewerbsfähigkeit
Für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit sind die Lohnstückkosten ein wichtiges Maß. Diese geben an, wie hoch die Arbeitskosten je Wertschöpfungseinheit sind. Hierzu werden die Arbeitskosten zur Arbeitsproduktivität ins Verhältnis gesetzt. Das Lohnstückkostenniveau zeigt somit, ob beispielsweise hohe Arbeitskosten durch eine entsprechend hohe Produktivität kompensiert werden oder ob die Unternehmen für ein vergleichbares Produkt mehr an Löhnen und Sozialleistungen aufwenden müssen und damit einen Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Standorten haben. Allerdings kann eine rechnerisch hohe Arbeitsproduktivität auch als Folge einer besonders kapitalintensiven Fertigung entstehen und somit durch hohe Kapitalkosten bedingt sein. Denn bei gleich hohen Lohnstückkosten sind unter sonst gleichen Bedingungen die Gesamtkosten bei größerem Kapitaleinsatz höher, wodurch die gesamte Kostenwettbewerbsfähigkeit schlechter ausfällt. Eine hohe Kapitalintensität kann auch die Folge von übermäßigen früheren Arbeitskostenerhöhungen sein, die dazu führten, dass Arbeit durch Kapital ersetzt wurde. Daher ist es wichtig, die Beschäftigungsentwicklung und die Höhe der Arbeitskosten im Blick zu behalten. Die Arbeitskosten sind nicht nur als Teil der Lohnstückkosten relevant. Sie sind als eigenständiger Standortfaktor vor allem dann von Bedeutung, wenn bei Investitionen auf der „grünen Wiese“ das technische und organisatorische Know-how des Investors an andere Standorte übertragbar ist und somit eine hohe Produktivität und niedrige Arbeitskosten kombinierbar sind. So ist die Höhe der Arbeitskosten gegenwärtig ein bedeutendes Geschäftsrisiko für Unternehmen.

Schlechte Zukunftsperspektiven

Die deutsche Wirtschaft im Allgemeinen und die deutsche Industrie im Speziellen stehen vor mannigfaltigen Herausforderungen, die die Zukunftsfähigkeit des Standorts Deutschland in Frage stellen und ein Hemmnis für Investitionen und den Ausbau von Kapazitäten darstellen, so die Studienmacher. Die demografische Entwicklung mit dem Übergang der Babyboomer-Generation in das Rentenalter trifft Deutschland mit am stärksten. Allein bis 2029 werden rund 2 Millionen mehr Personen das Rentenalter erreichen, als es heute 16- bis 19-Jährige gibt. Die demografische Entwicklung ist auch der wesentliche Treiber der ohne Gegenmaßnahmen zukünftig deutlich ansteigenden Sozialversicherungsbeiträge, die bis 2035 knapp 49 Prozent erreichen könnten. Dies bedeutet für die Unternehmen, dass sie mit ebenfalls stark steigenden Personalzusatzkosten und Arbeitskosten rechnen müssen.

Als weitere negative Standortfaktoren kommen die hohe Steuerlast, hohe Energiekosten und eine immer maroder werdende Infrastruktur hinzu. So liegen beispielsweise die in den letzten fünf Jahren stark gestiegenen Industriestrompreise deutlich über dem EU-Durchschnitt,
wobei der Abstand in etwa so groß geblieben ist wie im Jahr 2019. China und die USA hatten dagegen schon 2019 ein deutlich niedrigeres Energiepreisniveau, dass zudem seither kaum gestiegen ist. Die Quote der öffentlichen Nettoinvestitionen ist in Deutschland im internationalen Vergleich mit am niedrigsten. Besonders groß ist die wirtschaftliche Verunsicherung in Deutschland, die zuletzt
auch durch die erratische Zollpolitik der US-Regierung unter Trump befeuert wurde.

Die ganze Studie gibt es hier zum Download >

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Bild oben: Jonathan auf Pixabay

2 Antworten zu “Hohe Arbeitskosten: Deutsche Industrie 22 Prozent teurer als ausländische Konkurrenz”

  1. Diese Entwicklung habe ich schon vor 20 Jahren kommen sehen.
    Bei vielen Firmen ist es wie im Industriemuseum. Überalterte Maschinen sind an der Tagesordnung! Immer nur Steuern,Steuern und abermals Steuern für die Unternehmen ist der falsche Weg!
    Den Firmen bleibt kein Geld mehr zum Investieren.
    Dazu kommt das unsere Steuergelder zweckentfremdet ausgegeben werden.Früher waren wir eine Leistungsgesellschaft,
    was Deutschland stark gemacht hat.
    Die Welt sah uns als Vorbild.

  2. Politiker, die nie gearbeitet haben, die fachfremd sind, sollte man nicht als Minister aufstellen.

    Poltiker die nicht bereit sind alle Argumente zu hören, sich weigern sich damit zu befassen, Menschen ausgrenzen, die offensichtlich unfair spielen, Alles tun nur um an der Macht zu bleiben, sollte man nicht wählen.

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