Im Auge des Pandemie-Taifuns

Keine Kommentare Lesezeit:

Ein Front-Bericht aus einem Tiroler PCR-Labor. Professor Dr. Reinhard Renneberg, deutscher Biochemiker (Hongkong und Merseburg), stellte DDW diesen Praxisbericht von Olivia Berger (Innsbruck) zur Verfügung.

Meine (mit Verlaub: beste) Biotechnologie-Bachelor-Studentin Olivia Berger am MCI – Die Unternehmerische Hochschule® in Innsbruck arbeitet hauptberuflich in einem Tiroler PCR-Labor. Real! Hochinteressant, nicht nur für ihren Professor! Neugierig fragte ich sie nach dem PCR-Test und dem Labor aus: Wie genau läuft das alles ab, ist es sehr stressig und warum geht das nicht schneller?
Reinhard Renneberg, im März 2021

 

Von Olivia Berger

Eigentlich sollte meine Arbeit in einem Mikrobiologie Labor aus Routine bestehen. Doch im Pandemiejahr 2020/21 ist natürlich alles anders.

Wir führen Polymerase-Kettenreaktions-Tests seit Beginn der Pandemie durch. Es gibt eine Menge Kritik an diesem Testverfahren, weil die Methode der Allgemeinheit nicht geläufig ist. Trotz alledem ist sie das wichtigste und aussagekräftigste Hilfsmittel, das wir zur Zeit haben.

Im Sommer 2020 ist die Anzahl der angeforderten PCR-Tests für SARS-CoV-2 explodiert. Die österreichische Regierung hatte zwar regelmäßige Testungen im Tourismus beschlossen, ohne aber dabei die vorhandene Kapazität der Labore ausreichend zu berücksichtigen. Nicht anders als in Deutschland.

Wir sechs Labormitarbeiter und Labormitarbeiterinnen arbeiten daher im Labor im Schichtbetrieb, und uns erreichen jeden Tag etwa 3.000 bis 5.000 Trockenabstriche, also Abstriche, die bereits in einem Puffer gelöst sind, oder Speichellösungen. Die meisten Proben werden nach dem Nasen- oder Rachen-Abstrich in einem Puffer gelöst und somit inaktiviert.

„Ein enormer Probenzugang, der innerhalb kürzester Zeit straff abgearbeitet werden muss“

Wir unterstützen auch ein Labor in Südtirol mit Testungen. Das sind jeden zweiten Tag noch zusätzlich 400 Proben für SARS-CoV-2. Ebenso testen wir Speichellösungen aus Tiroler Betrieben einmal wöchentlich. Das ist ein Gurgeltest für die Selbstanwendung. Die Firmen testen ihre Mitarbeiter je nach Anforderung. Die Proben werden dann von unserem Kurier direkt abgeholt. Unsere Kunden sind auch diverse Skiverbände und die Krankenhäuser in der Umgebung. Auch das Land Tirol gibt uns Aufträge Im Wege ihrer Teststationen. Somit ergibt sich ein enormer Probenzugang, der innerhalb kürzester Zeit straff abgearbeitet werden muss. Schon ordentlicher Stress also!

Im Sommer gab es weniger positive Fälle, dadurch konnten wir die Proben der Firmen, der Teststationen und des Tourismus „poolen“. Das ist ganz pfiffig: Wir mischen zehn Proben (je 100 -200 µl) in einem Gefäß zusammen und verarbeiten sie dann wie gewohnt. Ist dann ein derartiger Pool positiv, werden die einzelnen Proben dieses Pools wiederholt. Wenn negativ, sparen wir Arbeit! Dadurch kann man eine wesentlich größere Menge an Proben messen.

Die Proben werden steril weiterverarbeitet, also unter UV-Licht und in speziellen Boxen, um jegliche Verunreinigungen verhindern zu können. Zum Schutz tragen wir Operationsmäntel, zwei Lagen Handschuhe und FFP3 Masken. Das muss man im Labor am Stück erstmal 8 Stunden aushalten!

Am Beginn der Testung wird die Virus-RNA der Patienten-Proben in Trenn-Säulchen überführt, um andere störende Substanzen zu entfernen und mehrmals mit diversen Puffern abzentrifugiert. Im letzten Schritt wird die aufgereinigte Virus-RNA aufgefangen. Das dauert insgesamt ziemlich lange: 1–2 Stunden sind hier durchaus üblich.  Wir verwenden auch schnellere, neuartige Analyse-Maschinen, die innerhalb von bis zu 70 Minuten ein Ergebnis liefern. Da hier üblicherweise nur bis zu zwölf Proben gleichzeitig verarbeitet werden können, wird dieses System aber nur für sehr dringende Proben (z.B. Patienten in Krankenhäusern) verwendet.

Automaten, die 94 Proben in drei Stunden verarbeiten können, sind da besser. Die Proben werden dabei zuerst mit Hand pipettiert und kommen anschließend in das Gerät. Die PCR und ihre Auswertung macht dann das Super-Maschinchen selbstständig. Sehr angenehm! Unserer neuster „Roboter-Zugang“ kann innerhalb von 30 Minuten die RNA isolieren. Gottseidank werden dadurch unsere doch recht riskanten, manuellen Läufe in Zukunft immer weniger.

Nun haben wir die RNA isoliert, brauchen in weiterer Folge aber DNA für eine millionenfache Verstärkung durch PCR. Um dies zu erreichen, wird die RNA durch das zugesetzte Enzym Reverse Transkriptase (RT) in DNA umgeschrieben. Die PCR durchläuft 40 Zyklen und vervielfältigt dabei einzelne DNA-Stücke auf eine Anzahl von über 1 Milliarde identischer DNA-Kopien. Durch einen eingebauten fluoreszierenden Farbstoff lässt sich der Anstieg der DNA-Konzentration in Realzeit messen und sofort auswerten. Es wird schließlich das N-Gen des Virus detektiert.

„Wann ist eine Probe positiv? Das wird sehr kritisch diskutiert“

Unser Test-System ist ultrasensitiv. Wir weisen auch sehr geringe Spuren des Corona-Virus nach. Aber nicht jedes Labor arbeitet eben mit derselben Technik, und so kann es vorkommen, dass weniger sensitive Geräte der Kollegen erst bei einer höheren Viruslast anschlagen. Dadurch mussten wir auch unsere eigene Analyse-Strategie überdenken. Zuerst wiederholen wir alle Proben, die einen ct-Wert von über 35 haben. Der ct-Wert ist die Anzahl der Zyklen, die benötigt werden, um die DNA so oft zu vervielfältigen, dass das Gerät sie überhaupt detektieren kann. Je früher die DNA detektiert wird, umso kleiner ist logischerweise der ct-Wert, desto höher ist die Virusbelastung im Organismus. Wir konnten nach diesen Wiederholungen die meisten Patienten-Proben als negativ klassifizieren.

Heute haben wir mehr Erfahrung und bewerten alle Proben mit einem ct-Wert von über 35 als „negativ“. Alle Proben mit einem ct-Wert über 34 werden aber sicherheitshalber nochmals überprüft und bei einem schwachen, nicht signifikanten Kurvenverlauf als „negativ“ bewertet oder eben wiederholt überprüft.

„Wann ist eine Probe positiv?“ wird sehr kritisch diskutiert. Wir müssen um jeden Preis falsch-positive Proben vermeiden! Wir geben strikt nur Proben frei, wo wir uns 100 Prozent sicher sind, dass das Ergebnis signifikant ist. Sollten auch nur allerkleinste Zweifel bestehen, werden die umstrittenen Proben auf einem anderen Maschinen-System wiederholt.

Denn eines darf man – auch bei dem hohen Arbeitsaufwand unter den stressigen Umstaänden des Vollschutzes – nie vergessen: Hinter jeder Probe steckt ein Mensch!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Language