Hybrides Arbeiten setzt sich durch: Neue Management-Modelle gefragt

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Hybrides Arbeiten wird das neue Normal. Daher müssen Führungskräfte neue Modelle zur Förderung von Zusammenarbeit, digitaler Kompetenz und Wohlbefinden der Mitarbeiter finden.

Von Dave Page für I by IMD, der Wissensplattform des International Institutes for Management Development (IMD)

Das große Experiment mit dem hybriden Arbeiten ist abgeschlossen. Fazit? Es funktioniert. Und die meisten Unternehmen haben festgestellt, dass die Produktivität der Mitarbeiter tatsächlich gestiegen ist – ganz im Gegensatz zu dem, was so manch einer erwartet hatte.

Laut unserer Studie gehen 70 Prozent der Unternehmen davon aus, dass hybrides Arbeiten in den nächsten sechs bis zwölf Monaten das dominierende Modell für ihre Büros sein wird. Doch mit dem Übergang von der Experimentierphase zur Normalität stellen sich für Unternehmen einige wichtige Fragen. Welche Aufgaben können nur im Büro erledigt werden? Sind neue Verwaltungsmodelle erforderlich? Wie können wir sicherstellen, dass die Arbeitnehmer, die am wenigsten Zeit im Büro verbringen, gerecht behandelt werden? Ist eine zusätzliche Ausbildung erforderlich? Bei der Beantwortung dieser Fragen und der Sicherstellung des Unternehmenserfolgs in diesem neuen Arbeitsumfeld muss der Chief Human Resources Officer (CHRO) eine wichtige Rolle spielen.

Das Rätsel um die Zusammenarbeit

Obwohl die Arbeitnehmer in einem hybriden System produktiver sind, gehen andere Aspekte des Arbeitslebens verloren. Vor allem fällt es vielen Menschen schwer, von zu Hause aus mit ihren Kollegen zusammenzuarbeiten.

Hier können die Führungskräfte helfen. Der erste Schritt besteht darin, die Teilprozesse bei einem Kooperationsprojekt zu segmentieren und genau zu überlegen, welche Aufgaben im Büro erledigt werden können und welche nicht. Oft müssen nur die ersten Schritte in einem gemeinsamen Projekt, die in der Regel kreatives Denken, freie Konversation und Ideenaustausch beinhalten, persönlich durchgeführt werden. Virtuelle Plattformen eignen sich besser für den strukturierten Austausch zwischen Menschen, sind aber der Kreativität nicht förderlich.

Wenn die Richtung für ein gemeinsames Projekt einmal festgelegt ist, können die Teammitglieder während der Ausführung auch weiterhin aus der Ferne zusammenarbeiten – allerdings nur, wenn ihnen die entsprechenden digitalen Tools zur Verfügung stehen.

Nehmen wir beispielsweise die Erstellung eines Pitch Decks für einen Kunden. Unter Umständen ist ein persönlicher Austausch erforderlich, um den Auftrag zu entschlüsseln und die weitere Vorgehensweise zu besprechen. Danach könnte ein Team mit Hilfe von Tools zur Zusammenarbeit durchaus aus der Ferne einen Vorschlag ausarbeiten. Auch die frühen Phasen der Produktentwicklung sind in einer persönlichen Umgebung, in der Ideen frei ausgetauscht werden können, viel produktiver. Danach können die Teams neue Produktentwürfe virtuell teilen und Feedback austauschen. Natürlich kann von Zeit zu Zeit ein persönliches Gespräch erforderlich sein, wenn Projekte bestimmte Meilensteine erreichen oder kreative Differenzen geklärt werden müssen.

Daher müssen Führungskräfte wissen, wann eine persönliche Zusammenarbeit in einem Projekt erforderlich ist, und diese Meetings proaktiv organisieren. Ohne proaktives Eingreifen der Geschäftsleitung besteht die Gefahr, dass Aufgaben, die eigentlich im Büro erledigt werden sollten, aus der Ferne erledigt werden, was letztlich dürftige Ergebnisse zur Folge haben kann.

Reihe „I by IMD“
Das renommierte International Institute for Management Development (IMD) ist eine der weltweit führenden Akademien für Führungskräfte und Organisationen. So gehört das IMD seit 2012 kontinuierlich zu den Top 3 im weltweiten Financial Times (FT) Executive Education Ranking und zählt seit mehr als 15 Jahren zu den Top 5. Mit dieser Artikelreihe eröffnet DDW seinen Lesern exklusiven Zugang zu ausgewählten Themen durch umfassende Insights und Beiträge führender IMD-Experten. Mehr zu den Möglichkeiten bei IMD

Die Zusammenarbeit findet nicht nur bei bestimmten Projekten statt. Die so genannten "Water- Cooler-Momente", in denen sich die Kollegen ungeplant über berufliche oder außerberufliche Themen austauschen, sind für den Ideenaustausch und den Aufbau von Bindungen zwischen den Teammitgliedern unerlässlich.

Diese Glücksmomente können sich nur im Büro ereignen. Führungskräfte können und sollten nicht versuchen, diese Interaktionen künstlich zu erzeugen. Stattdessen sollten sie über einfache Möglichkeiten nachdenken, wie das Büro umgestaltet werden kann, um mehr Räume für diese Gespräche zu schaffen. Sie können auch deutlich machen, dass diese Art von Gesprächen erwünscht ist und nicht als Zeitvergeudung angesehen wird.

Digitale Schulung: Funktionalität und Etikette verbinden

Die Zusammenarbeit in einer räumlich entfernten Umgebung ist nur möglich, wenn die Teams wissen, wie man digitale Kommunikations- und Kollaborationswerkzeuge nutzt. Aber meiner Erfahrung nach beherrschen 95 Prozent der Arbeitnehmer nur die Grundlagen. Infolgedessen sind die Menschen häufig frustriert und greifen auf Telefonanrufe und Textnachrichten zurück, wenn sie zusammenarbeiten müssen, was nicht gerade die optimale Reaktion ist. Aufgrund des mangelnden Verständnisses für den vollen Funktionsumfang von Plattformen wie Teams und Zoom kommt es zu kürzeren und schlichteren Unterhaltungen und nicht zu den gehaltvollen und eindringlichen interaktiven Erfahrungen, die für eine echte Zusammenarbeit erforderlich sind.

Die Führungskräfte müssen sicherstellen, dass ihre Teams die gesamte Palette der ihnen zur Verfügung stehenden Funktionen beherrschen. Aber auch die Führungskräfte selbst sind möglicherweise nicht vollständig mit den Möglichkeiten dieser Instrumente vertraut, so dass auch sie geschult werden müssen. Daher ist es oft Aufgabe des CHRO, ein formelles Schulungsprogramm zu entwerfen und sicherzustellen, dass dieses Programm in das Onboarding der Mitarbeiter integriert wird oder außerberufliche Themen austauschen, sind für den Ideenaustausch und den Aufbau von zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Teammitgliedern unerlässlich.

Es ist auch wichtig, dass die Mitarbeiter eine Schulung zur digitalen Etikette erhalten. Menschen lernen den Umgang mit Kollegen und Dritten in einer persönlichen Umgebung ganz natürlich durch Osmose. Aber wenn jeder gezwungen ist, digital zu interagieren, sind vielleicht einige Auffrischungen vonnöten, um bestimmte Verhaltensweisen in der virtuellen Welt zu institutionalisieren.

Dies gilt nicht nur für kurze Meetings, sondern auch für Betriebsausflüge. So nahm beispielsweise ein Kollege in Florida an einem All-Hands-Tag teil, den wir persönlich im Vereinigten Königreich abhielten. Er nahm virtuell teil, und wir arrangierten alles so, dass wir ihn auf einem speziellen iPad sehen und hören konnten. Wir befestigten das iPad an einem Ständer, so dass es sich auf Kopfhöhe befand. Wir konnten ihn dann herumtragen und ihn Leuten vorstellen, die er noch nicht kannte, und er konnte sich unter uns stellen. Er wurde von Gruppe zu Gruppe und von Meeting zu Meeting getragen und nahm später an der Party teil. Genau diese relativ simple Taktik kann viel dazu beitragen, dass hybrides Arbeiten gut funktioniert. Entscheidend dabei ist stets ein kreativer Denkansatz.

Harmonisierung von digitalen und persönlichen Management-Momenten

Die Führungskräfte müssen sich genau überlegen, wie sie mit den Mitarbeitern umgehen, die den größten Teil ihrer Zeit aus der Ferne arbeiten. Der Leitgedanke sollte sein, die persönlichen Managementaktivitäten so weit wie möglich in einer virtuellen Umgebung beizubehalten. Wenn z. B. traditionell einmal pro Woche ein persönliches Gespräch stattfand, sollte diese Häufigkeit beibehalten werden.

Ebenso sollten die Praxis und die Häufigkeit der Zielsetzung und Leistungsüberwachung beibehalten werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass eine Kluft zwischen denjenigen, die die meiste Zeit im Büro verbringen, und denjenigen, die die wenigste Zeit im Büro verbringen, entsteht, wobei letztere möglicherweise auf Schulungen und Beratung verzichten.  Es reicht jedoch nicht aus, nur die Häufigkeit der Sitzungen beizubehalten. Führungskräfte müssen möglicherweise auch einen anderen Ansatz für die Überwachung der Arbeit und des Wohlbefindens ihres Teams wählen. So sind beispielsweise Anzeichen von Überlastung oder Stress in einem persönlichen Gespräch viel leichter zu erkennen als in einem virtuellen Gespräch. Daher müssen Führungskräfte möglicherweise einen anderen Ansatz wählen und mehr in die Tiefe gehende, manchmal auch persönliche Fragen stellen, um sicherzustellen, dass sie das Wohlbefinden der Mitarbeiter erhalten können.

CHRO mit einbinden

Führungskräften und Teamleitern fällt es oft schwer, ihre Teams bei der Anpassung an das hybride Arbeiten zu unterstützen. Schließlich sind es in vielen Unternehmen oft die Führungskräfte, die am längsten brauchen, um sich mit neuen Technologien vertraut zu machen. Daher ist es von entscheidender Bedeutung, dass der CHRO den Führungskräften bei der Erleichterung der Zusammenarbeit, bei digitalen Schulungen und bei routinemäßigen Managementaufgaben mit Rat und Tat zur Seite steht.

Mehr Führungsimpulse von IMD auf DDW:

IMD – International Institute for Management Development ist eine private internationale Wirtschaftshochschule mit Sitz in Lausanne (Schweiz) und Singapore. Jährlich lassen sich über 11.000 Führungskräfte und 170 global operierende Unternehmen mit maßgeschneiderten Schulungs- und Entwicklungsprogrammen in den Bereichen Leadership, Management, Digitalisierung und Wertschöpfung weiterbilden.

Dave Pagel ist CEO von Actual Experience, einem Anbieter von Analysetools für digitale Unternehmen, die die Auswirkungen des digitalen Arbeitsplatzes auf die Mitarbeiter und das gesamte Unternehmen quantifizieren.

Eine Antwort zu “Hybrides Arbeiten setzt sich durch: Neue Management-Modelle gefragt”

  1. Künstliche Führung funktioniert ja sowieso nicht. Spätestens bei besserem Jobangebot ist dieser Chef und diese Chefin verlassen! Daher gilt hier zu ergänzen, dass jede Führungskraft durch ihre eigenen Führungsmomente persönliche Bindung leben kann, nicht nur vor Ort im Büro. Als Führungskräfte Coach erlebe ich, wie Menschen in Führung ernsthaft und mit Kreativität versuchen, Werte und Echtheit in die Gespräche mit ihren Teams zu bringen. Sie wollen ihre Fürsorgepflicht und das Interesse an den Menschen im Team nebst Leistungskontrolle durchaus Raum geben. Und wenn das echt gemeint ist, kommt da auch was von an. Wichtig ist die gemeinsame Zielrichtung und die Ehrlichkeit in den Gesprächen.

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