
In der Krise werden die Marktanteile neu verteilt
Die Stimmung unter den meist mittelständisch geprägten deutschen Weltmarktführern ist schlecht. Nicht nur die Stimmung ist schlecht, sondern auch die Lage.
von Prof. Dr. Bernd Venohr
Die meisten Unternehmen in den Leitbranchen Automobil, Chemie und Maschinenbau haben mit Umsatz- und Gewinnrückgängen zu kämpfen. Die gesamte Automobilbranche steckt sogar in einer Existenzkrise durch den von der Politik erzwungenen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor.
Die hohen einstelligen und z.T. zweistelligen jährlichen Zuwachsraten bei Umsatz und Gewinn gehören der Vergangenheit an. Unternehmen, die diese nach wie vor aufweisen, wie z.B. die Rational AG, Weltmarktführer für Profi-Gargeräte oder SFC Fuelcells, Weltmarktführer für Methanol-Brennstoffzellen, die von Sonderkonjunkturen in Ihren Marktsegmenten profitieren, sind die Ausnahmen.
Die Kritik wird lauter

Selbst besonnene Unternehmerinnen wie die Trumpf-Chefin Frau Dr. Leibinger-Kammülller schlagen Alarm. Sie spricht von einer ökonomischen „Weltkrise“. Hauptgrund für die schwierige Situation von Unternehmen, die sich im Weltmarkt behaupten müssen, seien die geoökonomischen Veränderungen, die auf allen Kontinenten die Märkte verunsichern. Hinzu käme aber auch, dass „die wirtschaftspolitischen Weichenstellungen der Ampel nicht dazu beitragen, den Herausforderungen in ausreichender Weise Rechnung zu tragen“, Deutschland stehe vor der Entscheidung, „ob es die Augen vor dem globalen Wettbewerb verschließt, indem wir glauben, in einen Subventionswettbewerb mit China und den USA einzutreten und auf eine Planwirtschaft zusteuern. Oder ob wir uns wieder auf unsere Tugend einer forschungsstarken und am Markt orientierten Industrie gerade im Mittelstand besinnen.“ Leibinger-Kammüller zeigt sich auch bestürzt, über „die in der Industrie gewachsene Haltung, sofort nach dem Staat zu rufen – und damit dem planwirtschaftlichen Agieren der Ampel medial wie politisch eine De-facto-Legitimation zu geben“.

Noch deutlicher ist die Kritik von Julia Reichert, die das Familienunternehmen Römheld GmbH Friedrichshütte mit Sitz in Laubach in fünfter Generation leitet. Das Unternehmen muss Stellen in erheblichem Ausmaß streichen. Die Firma ist Weltmarktführer in der Spanntechnik, Hauptkunde ist die Automobilindustrie. »Das Investitionsklima ist katastrophal«, sagt die Geschäftsführerin. Sie fährt fort: „Ich glaube, das Chaos, das wir hier in Deutschland veranstalten, ist beispiellos schlecht. Wir sind auf dem besten Weg, unsere Industrie komplett abzuwürgen, das realisieren mir viel zu wenige. Weil der Mittelstand, die Kuh, mit der man sich immer gesundmelken konnte, nicht mehr gesund ist. Es ist ja nicht nur die Automobilindustrie, sondern die gesamte Wirtschaft, die gerade leidet. Und das ist keine Phase, die kurzfristig zu enden scheint. Das Investitionsklima ist katastrophal.“
Was ist zu tun?
Die Probleme sind bekannt, die Liste fast endlos. Eine vollkommen verfehlte Migrations- und Energiepolitik, die überbordende Bürokratie, Personalengpässe, subventionierte Konkurrenten aus China und so weiter und so fort.
“Die substanzstarken und innovativen Unternehmen, zu denen die meisten mittelständischen Weltmarktführer zählen, werden aus der gegenwärtigen Krise gestärkt hervorgehen”

Was ist zu tun? Die Chefs und Chefinnen sind meist stark in ihr Unternehmen eingebunden und können sich deshalb in der Regel nicht politisch engagieren. Hier gilt es Druck auf die Kammern und Branchenverbände auszuüben. Diese müssen im Klartext die bekannten Missstände anprangern und Lösungsansätze aufzeigen und Ihrerseits Druck auf die neue Regierung ausüben, endlich zu handeln. Die sich abzeichnenden Regierungskoalitionen Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün lassen allerdings keine tiefgreifenden wirtschaftsfreundlichen Reformen erwarten.
Deswegen ist es notwendig, sich auf die eigenen Stärken zu besinnen, wie Frau Dr. Leibinger-Kammüller fordert: Kundenorientierung , Innovation und herausragende Qualität in Produkt und Service. Auch ist der Mittelstand, was Anpassungsfähigkeit an geänderte Rahmenbedingungen betrifft, schneller als Großunternehmen, die oft durch komplizierte Entscheidungsstrukturen gelähmt werden. Viele Unternehmen konnten in den „goldenen“ Jahren des zweistelligen Wachstums Speck ansetzen und sind solide finanziert, was sie resilienter macht.
Die Welt zerfällt in drei große Wirtschaftsräume
Entscheidend ist auch eine weitere energische Globalisierung. Die Welt zerfällt zunehmend in drei große Wirtschaftsräume: Asien mit den Kraftfeldern China und Indien, Amerika und Europa. In allen drei Räumen gilt es mit starken und auch autarken Einheiten vertreten sein, d.h. neben Vertrieb und Service auch Produktion und Entwicklung. Das bedeutet aber nicht, dass der deutsche Heimatstandort vernachlässigt wird. Der Heimat-Standort ist für alle Unternehmen ein sehr wichtiger Erfolgsfaktor, der auch die spezifischen Wettbewerbsvorteile eines Unternehmens ganz entscheidend prägen kann.
Diese auf den ersten Blick kontraintuitive Aussage kann man sowohl empirisch nachweisen als auch rein logisch begründen: Globalisierung als Instrument zur Verlagerung bestimmter Wertschöpfungsaktivitäten steht grundsätzlich jedem Unternehmen zur Verfügung, der Heimat-Standort mit seinen ganz spezifischen „Faktorbedingungen“ (Infrastruktur; Forschung; Ausbildung etc.) aber nur den Wettbewerbern aus demselben Ursprungsland. Hier gilt es auf die klassischen Stärken zu setzen und z.B. lokale und regionale Netzwerke vor allem im Ausbildungs- und Forschungsbereich zu pflegen, um weiterhin für qualifizierten Nachwuchs zu sorgen.
Nicht zuletzt gilt er alte Grundsatz: in einer Krise werden die Marktanteile neu verteilt. Ich bin überzeugt, dass die substanzstarken und innovativen Unternehmen, zu denen die meisten mittelständischen Weltmarktführer zählen, aus der gegenwärtigen Krise gestärkt hervorgehen werden.
Prof. Dr. Bernd Venohr war international in der Managementberatung tätig,, eher er als Ordentlicher Professor für Betriebswirtschaftslehre und Internationales Strategisches Management an die Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin berufen wurde. Neben seiner unternehmerischen Tätigkeit hält er diverse Vorträge und veröffentliche Bücher u.a. zum Thema “Erfolgsmodell der deutschen Weltmarktführer”. ER ist Mit-Herausgeber des auf DDW erscheinenden Lexikons der deutschen Weltmarktführer.
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