
Ist Schönheit ungerecht? Die „Schere zwischen Schön und Hässlich“
Bisher beklagten Gleichheitsapostel die „Schere zwischen Arm und Reich“, doch plötzlich geht es auch um die „Schere zwischen den Schönen und den nicht so Schönen“.
von Dr. Dr. Rainer Zitelmann
Im Februar erschien ein Artikel in der „Süddeutschen Zeitung“ „Die Schere zwischen Schön und Hässlich“ , in dem es hieß, eine wachsende Menge an Daten über menschliches Verhalten deute darauf hin, „dass eine große Schere besteht zwischen den Schönen und den nicht so Schönen. Und dieser Graben sich weiter auftut.“ Das erinnert an die Klagen, die wir seit Jahren fast täglich lesen, wonach angeblich die „Schere zwischen Arm und Reich“ ständig weiter auseinander gehe.
Die Argumentation in dem Artikel: Die „Schön-weniger-schön-Schere“ (hässlich ist ja ein Tabuwort) übertrage sich „schleichend“ von der Online- auf die Offline-Welt. In Zukunft, so zitiert die Zeitung den renommierten Attraktivitätsforscher Professor Ulrich Rosar, könne es sein, dass nicht so attraktive Menschen sich immer mehr anstrengen müssten, um diese „Lücke zu schließen“. Schon jetzt sei die Diskriminierung nach Attraktivität die am meisten übersehene Form der Diskriminierung.
Mehr optische Gleichheit als Staatsaufgabe?
Heather Widdows, Professorin für angewandte Ethik an der Universität Warwick hat sogar vor dem britischen Parlament zu diesem Thema gesprochen: „Schönheit ist zu einem ethischen Ideal geworden, nach dem man sein Leben auszurichten hat. Das hat zu einem Epidemie der Angst um die eigene Erscheinung (‚body image anxiety’) geführt und sollte deshalb als ein Problem der öffentlichen Gesundheit behandelt werden.“
Der Staat soll also auch in diesem Bereich für mehr „Gerechtigkeit“ sorgen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hält es für möglich, die sei „ein geschichtsträchtiger Anfangsmoment einer zukünftigen anti-lookistischen Massenbewegung.“ Zur Erklärung: „Lookismus“ bezeichnet die Diskriminierung von Personen deren Körper von „gesellschaftlich gesetzten Normen“ abweichen. Bei diesen Normen, so heißt es, handele es sich um vielfältige Körper- und Schönheitsnormen die z.B. suggerierten dass Normkörper, gesund, schön und leistungsfähig seien und zu sein haben.
Was soll man gegen diese „Ungerechtigkeit“ tun? Die Süddeutsche schreibt: „Wer attraktiv ist, wird in vielen Lebensbereichen bevorzugt. Lässt sich das mit Body Positivity überwinden? Oder mit Operationen für alle?“
Ugly wird zum Filmerfolg auf Netflix
Als ich das las, war ich perplex, denn ich habe gerade einen Roman geschrieben, „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird“
Habe ich mich vielleicht im Jahr geirrt? In dem Roman geht es um eine egalitäre Bewegung, das „Movement for Optical Justice“, das sich gegen die „Privilegien“ von Superschönen (genannt: „Privileged Beauty“) richtet und schließlich Zwangsoperationen (euphemistisch als „Optical Optimization Therapy“ bezeichnet) für super-schöne junge Frauen anordnet.

Zu einem scheinbar ähnlichen Thema gibt es derzeit einen auf Netflix erfolgreichen Film, „Ugly“: In der Zukunft ist die Welt im Chaos versunken, nachdem alle natürlichen Ressourcen erschöpft sind. Um die Menschheit am Leben zu erhalten, entwickeln Wissenschaftler zum einen gentechnisch veränderte Orchideen, die eine neue Energiequelle darstellen, und zum anderen ein chirurgisches Verfahren zur Verbesserung des Aussehens und der Fitness der Menschen, um Vorurteile und Diskriminierung zu vermeiden. Die Operation wird an den Uglies durchgeführt, wenn sie 16 Jahre alt sind, bevor sie in die Stadt gehen können, wo die Pretties leben.
In den ersten drei Tagen nach Veröffentlichung wurde der Film von 20,8 Millionen Zuschauer gesehen. In der darauffolgenden Woche kamen 26,8 Millionen Zuschauer dazu.
Neid verbrämt als Forderung nach „Gerechtigkeit“
Ich denke, wenn eine politische Bewegung gegen die vermeintliche Ungerechtigkeit der unterschiedlichen Attraktivität entstehen sollte, dann wird genau das Gegenteil passieren. Denn beim Thema der „Ungerechtigkeit“ in Bezug auf das Äußere geht es – ebenso wie oft beim Thema „soziale Gerechtigkeit“ – vor allem um Neid. Neid auf jene, die aus irgendeinem Grund über den Durchschnitt herausragen und daher den Gleichheitsfanatikern ein Dorn im Auge sind. Man wird auch argumentieren, dass man sich keineswegs gegen alle Attraktivitätsunterschiede wende, sondern nur gegen „Über-Schönheit“ bzw. „Super-Schöne“. Weil Neid stets als Todsünde galt, maskiert er sich stets in Form der Forderung nach „Gerechtigkeit“. So wird aus einer der sieben Todsünden eine Tugend, die man bewundern muss.
Aus der wissenschaftlichen Neidforschung wissen wir, dass Neid und Bewunderung nicht verwechselt werden sollten: der Neider will den Abstand zwischen sich und dem Beneideten nicht dadurch reduzieren, dass er seine eigene Situation verbessert. Glücklich macht es ihn schon, wenn die Situation des Beneideten verschlechtert wird.
Kant definierte Neid als Hang, das Wohlergehen des anderen mit negativen Gefühlen zu betrachten. Neid ziele darauf, das Glück des anderen zu zerstören. Die Idee des gutartigen Neides, so argumentieren die Neidforscher Justin D’Arms und Alison Duncan Kerr, komme aus dem alltäglichen Sprachgebrauch („was für ein tolles Haus, ich beneide dich darum“). Es sei jedoch häufig so, dass im alltäglichen Sprachgebrauch nicht präzise zwischen Emotionen unterschieden werde. Zum Neid gehöre nicht nur, das Gut des anderen zu begehren, sondern entscheidend sei der Wunsch, dass dieser das Gut, den Vorteil oder den Status verlieren möge. „Gutartiger Neid“ sei deshalb ein Widerspruch in sich, so die Neidforscher.
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Hat der Neidische die Wahl, ob der Beneidete das Gut besitzt oder keiner von beiden, dann bevorzugt er eine Situation, in der keiner von beiden es besitzt. Wenn der Nachbar einen Mercedes gekauft hat und ich bin deshalb neidisch, wird der Neid nicht unbedingt verschwinden, wenn ich mir eine Woche später selbst einen kaufe. Es wird aber sofort verschwinden, wenn der Nachbar seinen Mercedes – aus welchem Grund auch immer – wieder verliert, so die Wissenschaftler.
Zwei Seiten der Schönheit
Deshalb glaube ich nicht, dass eine Bewegung, die sich mehr „Gleichheit“ in Bezug auf das Aussehen auf die Fahnen schreiben würde, als Ziel vor allem im Auge hätte, Menschen, die nicht so gut aussehen, schöner zu machen. Diese „Bewegung“ gibt es längst, es sind beispielsweise die Kosmetik- und Modeindustrie sowie die plastische Chirurgie. Eine politische Bewegung würde sich vor allem gegen jene richten, die wegen ihres Aussehens als „privilegiert“ gelten, insbesondere sehr schöne Frauen.
Jede schöne Frau hat erfahren, dass die Schönheit zwei Seiten hat, ähnlich wie der Reichtum. Sie verschafft unzweifelhaft Vorteile, führt aber auch zu Neid und zu negativen Stereotypen. So haben sehr schöne Frauen nicht selten mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie vielleicht nicht so intelligent seien – obwohl rein gar nichts dafür spricht, dass Schöne weniger intelligent sind.
Aber viele Menschen hängen einem unbewussten Glauben an, wonach alle Menschen letztlich gleich seien. Wenn jemand also auf einem Gebiet deutlich über den Durchschnitt hinausragt, möchte man ihm auf anderen Gebieten Negatives andichten: Der Reiche sei zwar gut im Geldverdienen, aber nicht ehrlich und moralisch nicht integer, der Wissenschaftler zwar intelligent, aber lebensfremd, der Fußballer zwar gut im kicken, aber weniger klug – ebenso wie die schöne Frau. Nichts davon stimmt in dieser Allgemeinheit, aber Neid und Gleichheitsdenken führen zu diesen Stereotypen: Wer auf einem Gebiet einen Pluspunkt hat, dem muss man auf einem anderen einen (oder bessergleich zwei) Minuspunkte geben, um sich dann doch überlegen zu fühlen.
Es ist zu hoffen, dass die „Bewegung für optische Gerechtigkeit“ nicht von einer Dystopie zur Wirklichkeit wird, denn sie würde, wie alle egalitären Bewegungen, das Leben der Menschen nicht verbessern, sondern Vorurteile und Hass gegen eine Minderheit schüren.
- Rainer Zitelmann für renommierten Literatur-Preis nominiert
- „Entscheidend ist, wie die Menschen Gerechtigkeit empfinden“
- Der alte weiße Mann
Dr. Dr. Rainer Zitelmann ist Autor des Romans: „2075. Wenn Schönheit zum Verbrechen wird.“ Der Historiker und Soziologe war auch als Unternehmer und Investor erfolgreich. Er hat 30 Bücher geschrieben und herausgegeben, die in 35 Sprachen übersetzt wurden. Sein aktuelles Buch ist eine Dystopie gegen den Egalitarismus. Er ist nominiert für einen der prestigeträchtigsten Buchpreise der USA, den Hayek Prize 2025 des Manhattan Instituts.
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