Verbandsumfrage: Signal für Rezession

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Zum Jahreswechsel befragt das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) traditionell Verbände nach ihren aktuellen Geschäftsentwicklungen und Erwartungen für das kommende Jahr. Die Stimmung ist deutlich schlechter als 2021.

Gemäß der IW-Verbandsumfrage, die im Zeitraum Ende November bis Anfang Dezember 2022 stattfand und an der sich insgesamt 49 Wirtschaftsverbände in Deutschland beteiligt haben, wird die aktuelle Lage in den jeweiligen von den Verbänden vertretenen Wirtschaftsbereichen mehrheitlich schlechter bewertet als zum Jahreswechsel 2021/2022.

Bei der Interpretation dieses Befunds muss bedacht werden, dass vor einem Jahr eine gute Stimmung in der deutschen Wirtschaft vorherrschte. Infolge der Impferfolge wurden vor einem Jahr die Geschäftsrisiken deutlich niedriger bewertet als zum vorhergehenden Jahreswechsel 2020/2021. Außerdem war die russische Invasion in der Ukraine zu diesem Zeitpunkt jenseits der Erwartungen, sodass insgesamt mit Blick auf das Jahr 2022 sehr gute Perspektiven bestanden. Die erwarteten Wachstumsraten für Deutschland im Jahr 2022 lagen zum Jahresende 2021 durchschnittlich bei 4 Prozent. Unter diesen Gegebenheiten hätten die meisten Wirtschaftsbereiche die infolge der Corona-Pandemie eingetretenen Einbrüche im Jahresverlauf 2022 deutlich hinter sich gelassen.

Jetzt zum Jahreswechsel 2022/2023 bewerten 39 der 48 Verbände, die diese spezielle Frage beantworteten, die Lage schlechter als vor einem Jahr. Das gilt mit ganz wenigen Ausnahmen – etwa Luft- und Raumfahrzeugbau oder Kunststoffverarbeitung – für die ganze Industrie (einschließlich Energie-/Wasserversorgung, Bergbau und Baustoffe) sowie für die Bauwirtschaft und das Handwerk.

Durch den Krieg in der Ukraine entstanden neue und zusätzliche Belastungen für die industriellen Produktionsprozesse. Hinzu kommt die nachlassende Nachfrage infolge der globalen Abschwächung. Auch im Dienstleistungsbereich wird mehrheitlich die aktuelle Lage schlechter bewertet als zum Jahreswechsel 2021/2022. Das gilt für den gesamten Finanzsektor (einschließlich Immobilien). Auch die Informations- und Medienwirtschaft leidet unter den eingetrübten konjunkturellen Rahmenbedingungen. Ausnahmen bilden das Gastgewerbe, die Tourismuswirtschaft und die Messewirtschaft. Mit Blick auf diese wenigen derzeit optimistischen Bereiche gilt es zu berücksichtigen, dass im vergangenen Winter die Geschäftstätigkeit immer noch merklich unter der coronabedingten Zurückhaltung gelitten hat.

Die Wirtschaft leidet unter hohen Energiepreisen

Ähnlich verhalten schauen die Verbände auf geplante Investitionen: 17 Verbände wollen künftig weniger investieren und nur acht mehr. Alle anderen erwarten keine Veränderung. Auch beim Blick auf den Arbeitsmarkt könnte die Lage deutlich besser sein: 16 Verbände erwarten, dass ihre Mitgliedsunternehmen Jobs streichen, 23 gehen von einer gleichbleibenden Lage aus und nur neun erwarten mehr Arbeitsplätze als 2022.

Professor Dr. Michael Grömling ist Leiter des Clusters Makroökonomie und Konjunktur beim IV Köln (Bild: IW)

Besonders die Industrie schaut pessimistisch auf das kommende Jahr, vor allem die Branchen, die für ihre Produktion viel Energie brauchen – dazu zählt beispielsweise die Baustoff- oder Stahlindustrie. Mit einer deutlichen Verschlechterung rechnen auch Handwerksunternehmen, die Bauwirtschaft, ein großer Teil des Finanzsektors und die Immobilienbranche: Hohe Bauzinsen haben dem langen Immobilienboom ein jähes Ende beschert. Die Chemieindustrie geht sogar davon aus, im kommenden Jahr deutlich weniger zu produzieren. Optimistisch ist dagegen die Messe- und Werbewirtschaft: Hier hoffen Unternehmen darauf, dass Corona-Ausfälle aufgeholt werden. Auch der Tourismus glaubt an einen längeren Nachholeffekt.

Bezahlbare Energie für unternehmerischen Erfolg

„Die Folgen des Kriegs in der Ukraine sind nach wie vor eine enorme Belastungsprobe für die deutsche Wirtschaft“, sagt IW-Konjunkturexperte Michael Grömling. „Die Unternehmen gehen nicht davon aus, dass die hohen Energiepreise in absehbarer Zeit wieder auf das Vorkrisenniveau sinken werden. Das trübt den Blick auf das kommende Jahr enorm.“ Besonders gefährlich sei die Situation für energieintensive Branchen: Ihr unternehmerischer Erfolg ist untrennbar mit bezahlbarer Energie verknüpft – und sie sind gleichzeitig wichtige Zulieferbranchen für andere Wirtschaftsbereiche.

Die Verbände wurden von Mitte November bis Anfang Dezember befragt.

Die Einschätzungen im Detail:

Quelle: IVW

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