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Der Schlüssel lautet „weltbeste Bildung“
Wie können wir trotz der großen Herausforderungen optimistisch in die Zukunft blicken und eine ambitionierte Vision für Deutschland im Jahr 2030 in die Tat umsetzen? Der Schlüssel lautet: Investitionen in »weltbeste Bildung«. Was Unternehmen konkret dazu tun können.
Bisher in der Reihe „Zeitenwende“ erschienen:
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- Prof. Dr. Dr. Hermann Simon: Technologie
- Reinhold Messner: Verzicht
- Dr. Jörg Haas: Digitalisierung
- Professor Dr. Ulrich Walter: Wissenschaft
- Professor Dr. Bettina Büchel: Kooperationen
- Frank Dopheide: Führung
- Dr. Daniel Stelter: Realitätssinn
- Yasmin Weiß: Bildung
- Marie-Christine Ostermann: Unternehmertum
- Milosz Matuschek: Jugend
- Marc Müller: Zukunftsfähigkeit
- Carsten Linnemann: Föderalismus
- Hauke Burkhardt: Rohstoffe
- Manfred Deues: Technologie
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Von Prof. Dr. Yasmin Weiß
Was technologische Sprünge und Innovationen betrifft, so befinden wir uns heute in einer Zeit, die wir noch nie erlebt haben und in der bisherigen Geschichte einmalig ist. Der Punkt, an dem wir stehen, ist historisch nicht mit den früheren industriellen Revolutionen vergleichbar. In der Vergangenheit waren Innovationen darauf ausgerichtet, Aufgaben schneller oder effizienter zu erledigen. In Zukunft jedoch werden neue Techniken wie Künstliche Intelligenz oder Quantencomputing Aufgaben für uns erledigen und zu Erkenntnissen bringen, die unser menschlicher Verstand nicht mehr vollumfänglich begreifen kann.
So kommt es derzeit zu einer grundlegenden Transformation unserer Wirtschaft, die in einer atemberaubenden Geschwindigkeit vonstatten geht. Unsere Wirtschaft treibt gerade mit großem Aufwand und hoher Geschwindigkeit neue und transformative Techniken wie etwa Künstliche Intelligenz, Roboter, 5G, Internet der Dinge, Quantencomputer, 3-D-Druck, Blockchain und synthetische Biologie voran. Jede einzelne dieser Techniken hätte schon das Potenzial, ganze Branchen mit ihren jeweiligen Spielregeln und Geschäftsmodellen umzuwälzen und unsere Wirtschaft grundlegend zu verändern.
Was sie so besonders macht, ist ihre konvergente Wirkung. Diese Techniken lassen sich global skalieren, sind miteinander kombinierbar und damit in der Lage, sich gegenseitig zu verstärken. So ermöglichen Quantencomputer neue KI-Modelle, und neue KI-Modelle wiederum ermöglichen deutlich bessere Simulationsmethoden in der synthetischen Biologie. Dieser Verstärkungseffekt wird in den nächsten Jahren zu exponentiellen Fortschritten und damit zu bahnbrechenden Innovationen auf allen Forschungsgebieten führen.
„Es geht darum, die Architekten unserer technologischen Zukunft stärker in die Pflicht nehmen“
Deshalb ist es umso wichtiger, dass die Wirtschaft aktiv dazu beiträgt, dass die Menschen in diesem Land die anstehenden Veränderungen bestmöglich verstehen und sich frühzeitig mit den Chancen, aber auch mit den Konsequenzen dieser technologischen Revolution für ihre Qualifikationsprofile auseinandersetzen. Es geht darum, die Architekten unserer technologischen Zukunft stärker in die Pflicht nehmen.
Good Practices der Wirtschaft zur Vermittlung von Zukunftskompetenzen
Es gibt zahlreiche sehr gute Beispiele, wie sich Unternehmen engagieren, um ihre Belegschaften für die Digitalisierung und Anforderungen von morgen fit zu machen:
- Volkswagen hat die »Fakultät 73« gegründet, eine Programmierschule der Volkswagen-Akademie, um eine qualitativ hochwertige, berufsbegleitende Software-Fachausbildung zu ermöglichen. Das zweijährige Ausbildungsprogramm steht internen und externen Talenten offen – darunter auch IT-affinen Quereinsteigern –, die anwendungsnah zu Softwareexperten ausgebildet werden möchten. Die Ausbildung erfolgt sehr praxisnah und stellt sicher, dass die Lerninhalte zu den konkreten Anforderungen des Unternehmens passen. Mitarbeiter behalten während des Programms ihre aktuellen Vergütungskonditionen bei, was unterstreicht, dass das Lernen während der Ausbildung als reguläre Arbeitszeit gewertet und damit auch entsprechend bezahlt wird. Die Individuen erhalten somit eine bezahlte Weiterqualifizierung in einem sehr nachgefragten Kompetenzbereich und steigern ihren persönlichen Marktwert. Volkswagen als Arbeitgeber hingegen macht sich damit unabhängiger vom externen Arbeitsmarkt.
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Unsere wirtschaftliche und persönliche Zukunft liegt in der Bildung. Yasmin Weiß zeigt in ihrem Buch, wie es gelingt, Berührungsängste vor der Digitalisierung und neuen Technologien abzubauen. Sie liefert konkrete Denkanstöße und Impulse, um durch die weltbeste Bildung unseren Wohlstand zu sichern. Erhältlich im Campus Verlag Verschiedene Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, die ich derzeit beratend begleiten darf, beschäftigen sich intensiv damit, wie sie eine lernende Organisation werden und eine ausgeprägte Lernkultur als integralen Bestandteil ihrer Unternehmenskultur etablieren. Dazu verzahnen sie Anreize für kontinuierliches Lernen mit flexiblen, meist digitalen Weiterbildungsangeboten, die sich in den Alltag der Mitarbeiter integrieren lassen. Wesentlicher Bestandteil bildet dabei auch die Personalentwicklung, die durch regelmäßige interne Job- und Tätigkeitswechsel der Mitarbeiter dafür sorgt, dass die Mitarbeiter flexibel und anpassungsfähig bleiben. Sie bieten darüber hinaus »Lern-Sabbaticals« an, bei denen Mitarbeiter freigestellt werden, um beispielsweise einen zusätzlichen Bildungsabschluss zu erwerben, um dann zu ihrem Arbeitgeber zurückzukehren.
- Zahlreiche Start-ups, die in besonders dynamischen Umfeldern agieren, sind dazu übergegangen, ihren Mitarbeitern einen halben Arbeitstag pro Woche ausschließlich für das Lernen während der Arbeitszeit zur Verfügung zu stellen. Unter Namen wie »Freaky Friday« wird das Lernen nicht nur als integraler Bestandteil der wöchentlichen Arbeitsaufgaben gewertet, sondern auch zelebriert, indem auf eine Mischung aus Lernen, Inspiration, Vernetzung und Spaß geachtet wird.
Es gibt auch zahlreiche Beispiele, wie Unternehmen Nachwuchskräfte von morgen dabei unterstützen, wertvolle Fähigkeiten zu erwerben:
- Mit der Plattform OpenSAP bietet SAP interessierten Nachwuchskräften und Berufstätigen eine Vielzahl an selbstgesteuerten Online-Weiterbildungskursen an, die sich sowohl an Einsteiger als auch an Fortgeschrittene richten. Die Kurse vermitteln dabei zukunftsrelevante Fähigkeiten und reichen von Informatik für Einsteiger und Grundlagenkursen für Künstliche Intelligenz bis hin zu Methoden des Design Thinking, verschlüsselter Kommunikation im Internet, Cybersecurity und digitalem Identitätsmanagement. Mit der Initiative »Code your Life« bietet Microsoft Mädchen und Jungen frühzeitig die Chance, grundlegende Programmierfähigkeiten zu erwerben und ihre Zukunftschancen zu stärken. Die Initiative zielt darauf ab, Grundwissen der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) und erste Programmierkenntnisse zu vermitteln, aber auch darauf, den jungen Menschen dabei zu helfen, Technik kreativ und produktiv einzusetzen sowie selbstständig innovative Lösungen zu entwickeln. Sie erfahren dabei ihre Selbstwirksamkeit und Gestaltungsfähigkeit in der digitalen Welt und entfalten somit ihre persönliche Vorstellungskraft, selber aktiv an der Gestaltung der digitalen Zukunft mitzuwirken.
- Die Lernplattform ada ist darauf spezialisiert, Menschen dabei zu unterstützen, heute schon das Morgen zu verstehen und zukunftsfähige Kompetenzen zu vermitteln. Dabei werden auch das unternehmensübergreifende Lernen und der Austausch unter digitalen Vordenkern gefördert. Ziel dahinter ist, Technologiekompetenz zu stärken und zu erklären, wie technische Entwicklungen unsere Geschäfts- und Arbeitswelt verändern werden.
Diese Beispiele sind vermutlich nur die Vorboten dessen, wie Unternehmen in Zukunft bei der beruflichen Weiterqualifizierung und Wissensweitergabe gefragt sein werden, denn der Bedarf, Neues zu erlernen und Belegschaften und Talente weiterzuentwickeln, wird noch weiter zunehmen. Und Arbeitgebern, die befürchten, dass die Investitionen in die Weiterbildung ihrer Mitarbeiter dazu führen könnte, dass diese danach das Unternehmen verlassen, denen sei die Einschätzung des erfolgreichen Unternehmers Richard Branson entgegenzusetzen: »Train People well enough so they can leave, treat them well enough so they don’t want to.«
Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass diejenigen, die die Zukunft gestalten, diesen Weg erklären müssen. Schon alleine deswegen ist die Wirtschaft stark gefordert.
- Wie man eine Bildungsnation an die Wand fährt
- Bildung muss differenzieren, nicht gleichschalten
- Deutschland verdummt
Yasmin Weiß ist BWL-Professorin, Start-up-Gründerin sowie mehrfache Aufsichts- und Beirätin. Sie ist Expertin für digitale Bildung und die Arbeitswelt der Zukunft und analysiert, welche Kompetenzen in Zukunft benötigt werden, um die digitale Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft voranzutreiben. Von der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde sie 2014 in den Innovationssteuerkreis der Bundesregierung berufen, vom früheren Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel in den Außenwirtschaftsbeirat des Bundeswirtschaftsministeriums. Das Wirtschaftsmagazin Capital wählte sie 2017 in den Kreis der Top 40 unter 40 Jahren in Wissenschaft und Gesellschaft in Deutschland.
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