So kann Deutschland zum KI-Hotspot werden

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Bei Künstlicher Intelligenz muss Deutschland den Schalter umlegen und sich als internationaler KI-Standort etablieren. Welche zehn Punkte jetzt angegangen werden müssen.

Obwohl drei Viertel der Unternehmen KI als wichtigste Zukunftstechnologie sehen, setzt sie bislang nur rund ein Fünftel tatsächlich ein. Zugleich wird der Markt der KI-Anbieter von Unternehmen außerhalb Deutschlands und der EU dominiert. „Bei Künstlicher Intelligenz muss die Zeit des Abwartens vorbei sein. Wir haben exzellente KI-Forschung, aber wir sind bisher noch zu langsam und zu zögerlich bei der Anwendung von KI-Lösungen“, sagt der Präsident des Digitalverbands Bitkom, Dr. Ralf Wintergerst.

Der Beginn der neuen Legislaturperiode müsse als Chance für einen ambitionierten Ansatz ergriffen werden. Unter dem Titel „Deutschland zum KI-Hotspot machen“ hat der Digitalverband dazu jetzt zehn konkrete Empfehlungen entwickelt. „Wir brauchen eine ambitionierte Anwendungsstrategie, Investitionen in Infrastruktur und Talente sowie einen innovationsfreundlichen Regulierungsrahmen“, so Wintergerst.

Milliarden-Potenzial für die künftigen Bruttowertschöpfung in Deutschland

Künstliche Intelligenz (KI) hat sich in den vergangenen Jahren mit rasantem Tempo weiterentwickelt. Spätestens seit der Veröffentlichung von ChatGPT im November 2022 ist KI auch in der breiten Öffentlichkeit angekommen. Heute betrachten fast ¾ der Unternehmen in Deutschland KI als die wichtigste Zukunftstechnologie, so Bitkom. Dies spiegelt sich auch in Studien zum Wertschöpfungspotenzial von KI in Deutschland wider. Allein generative KI hat das Potenzial, bis zu 330 Milliarden Euro zur zukünftigen Bruttowertschöpfung in Deutschland beizutragen, sofern 50 Prozent der Unternehmen in Deutschland KI einsetzen.

Trotz dieses großen Potenzials ist die praktische Nutzung von KI in Deutschland noch ausbaufähig. Nur 20 Prozent der Unternehmen in Deutschland setzen KI ein. Während unter den Großunternehmen bereits rund 31 Prozent der Unternehmen KI einsetzen, sind es unter den Mittelständlern knapp 27 Prozent und unter den Kleinunternehmen lediglich 13 Prozent. Auch im öffentlichen Sektor hat der Einsatz von KI deutlichen Aufholbedarf. Die Hauptgründe für die ausbaufähige Verbreitung sehen Unternehmen in den Anforderungen an den Datenschutz, rechtlichen Hürden, fehlendem technischem Know-how und Fachkräftemangel. Darüber hinaus bietet KI auch mit Blick auf die zunehmenden Herausforderungen der öffentlichen Verwaltung großes Potenzial und kann dort die Effizienz deutlich steigern. Ziel sollte es sein, dass innerhalb der nächsten vier Jahre 90 Prozent der Unternehmen in Deutschland den Einsatz von KI-Anwendungen als klaren Mehrwert für sich erkennen und davon profitieren.

KI als Wachstumstreiber: Anwendung stärken, profitieren

Doch damit Deutschland das volle Potenzial von KI ausschöpfen kann, muss der Fokus stärker auf konkrete Anwendungen gelegt werden, die Unternehmen und dem öffentlichen Sektor einen messbaren Mehrwert bieten und auch die Bedarfe der verschiedenen Sektoren berücksichtigen. Besonders in Behörden und zentralen Wirtschaftssektoren wie Fertigung, Gesundheitswesen, Mobilität und Landwirtschaft bietet KI enorme Chancen, um langfristig technologisch Effizienzsteigerungen, Innovationen und Wettbewerbsvorteile zu realisieren. Ein wesentlicher Hebel ist dabei die Integration von domänenspezifischem Wissen in KI-Anwendungen, um individuelle Bedarfe optimal abzudecken und maßgeschneiderte, industriespezifische Lösungen zu entwickeln. So können eine Durchdringung von KI in allen Bereichen erreicht und zugleich die spezifischen Stärken der deutschen Industrie gehebelt werden.

“Wir müssen KI in die Anwendung bringen und Unternehmen aller Bereiche Zugang zu KI-Lösungen ermöglichen, die benutzerfreundlich und auch ohne tiefgehende technische Vorkenntnisse nutzbar sind”

Für den Erfolg des KI-Standorts Deutschland muss neben dem Ausbau der KI-Recheninfrastruktur und der Stärkung des KI-Talentpools besonders auch die Entwicklung von KI-Anwendungen gestärkt werden. Erfolgreiche KI-Anwendungen stimulieren die Entwicklung eigener KI-Grundlagentechnologien, sind Motor für die Entstehung eines aktiven KI-Ökosystems und stärken dadurch mittel- bis langfristig auch die digitale Souveränität Deutschlands. Souverän zu sein bedeutet dabei nicht, autark zu sein, sondern in zentralen Technologiefeldern und Diensten sowohl über eigene Fähigkeiten auf Spitzenniveau zu verfügen als auch selbstbestimmt und selbstbewusst zwischen leistungsfähigen und vertrauenswürdigen Partnern wählen zu können.

KI darf nicht als isolierte Technologie betrachtet werden

KI darf nicht als isolierte Technologie betrachtet und gestärkt werden. Wir müssen KI in die Anwendung bringen und Unternehmen aller Bereiche Zugang zu KI-Lösungen ermöglichen, die benutzerfreundlich und auch ohne tiefgehende technische Vorkenntnisse nutzbar sind. Dabei spielen etablierte IT-Unternehmen ebenso eine zentrale Rolle wie innovative Startups und Softwareentwickler, die KI-Technologien in eben solche Anwendungen übersetzen.

Kurzfristig sollte daher der strategische Fokus darauf liegen, die enormen Potenziale von KI-Anwendungen in der deutschen Wirtschaft und Verwaltung auszuschöpfen und gleichzeitig die notwendigen Kapazitäten bei der KI-Recheninfrastruktur und dem KI-Talentpool aufzubauen. Die „AI Literacy“ (KI-Kompetenzen) sollte bereichs- und branchenübergreifend mit konkreten Maßnahmen gezielt gefördert werden. Dies schafft mittel- bis langfristig eine wettbewerbsfähige Basis für die Entwicklung eigener KI-Grundlagentechnologien und stärkt die technologische Souveränität Deutschlands.

Das Bitkom-Papier formuliert zehn zentrale Empfehlungen:

  1. Nationale KI-Strategie finanziell massiv stärken und mit Fokus auf Anwendung ergänzen: Zusätzlich sollen in den kommenden fünf Jahren mindestens 10 Milliarden Euro investiert werden. Zugleich müssen messbare Anwendungsziele definiert und die Umsetzung zentral koordiniert werden.
  2. Leistungsstarke KI-Recheninfrastruktur ausbauen: Es sollten nationale KI-Rechenzentren errichtet und der Zugang besonders für kleine und mittlere Unternehmen sowie Startups bürokratiearm gestaltet werden. Der im Koalitionsvertrag angekündigte Aufbau einer deutschen AI Gigafactory muss vorangetrieben werden.
  3. KI-Förderprogramme bündeln, entbürokratisieren und deutlich aufstocken: Die Vielzahl bereits existierender Programme sollte auf einer Plattform gebündelt, Antragsverfahren digitalisiert und erfolgreiche Initiativen bundesweit ausgerollt werden.
  4. Breiten KI-Talentpool schaffen – von Schule über Hochschule bis zur Weiterbildung: Dazu gehört ein Pflichtfach Informatik einzuführen, englischsprachige KI-Ausbildungsangebote an Hochschulen auszuweiten und die Zuwanderung von KI-Fachkräften zu erleichtern.
  5. Innovationsfreundlichen und praxistauglichen Rechtsrahmen für KI schaffen: Der AI Act muss praxistauglich umgesetzt werden und die Datenschutz-Grundverordnung KI-freundlich ausgelegt werden.
  6. Zugang zu hochwertigen Trainingsdaten für die KI-Entwicklung erleichtern: Es gilt den Datenaustausch zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung zu fördern und einen Rechtsanspruch auf Open Data für Behördendaten zu schaffen.
  7. Bedingungen für KI-Startups und Scaleups verbessern: Zu den Maßnahmen gehört, mehr Wagniskapital für junge KI-Unternehmen bereitzustellen, Gründungsprozesse vollständig zu digitalisieren und bürokratische Hürden zu senken.
  8. Spitzenforschung in KI fördern und digitale Souveränität Deutschlands stärken: Die Forschungsförderung soll agiler und unbürokratischer gestaltet, Open-Source-KI gezielt unterstützt und die Cybersicherheit für und durch KI-Systeme ausgebaut werden.
  9. Die öffentliche Hand als Vorreiter für KI-Lösungen ermutigen: Notwendig ist eine ressortübergreifende Strategie für den KI-Einsatz in der Verwaltung.
  10. Staatliche KI-Kompetenz ausbauen: Dazu sollten ein Institut für nationale KI-Sicherheitsfragen gegründet und ein unabhängiger KI-Rat zur Beratung der Bundesregierung eingesetzt werden.

Die Bitkom-Studie hier zum Download

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Bild oben: Franz Bachinger auf Pixabay

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