Der Frust der Führungskräfte – warum die Leistungsträger die Nase gestrichen Z haben

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Wenn man in deutschen Unternehmen herumkommt, dann kommt man auch um eine aktuelle Debatte nicht herum: die um die Generation Z („GenZ“), die 4-Tage-Woche, Work-Life-Balance und die Frage, wie sich Leistung und Ergebnisse in den Unternehmen sicherstellen lassen.

Von Ursula Vranken

Es wird viel diskutiert und die Gemüter geraten in Wallung, wenn es um das Thema Leistungsbereitschaft geht. Hier fallen Aussagen über die „Generation Selbstoptimierung“, die ihre individuellen Bedürfnisse und Interessen stets an erster Stelle bedienten. Die Firma, so die Lesart, muss warten und sich bemühen, es den „verwöhnten“ Arbeitnehmern und Mitarbeiterinnen recht zu machen.

So zumindest kommt die Botschaft bei vielen erfahrenen Linienmanagern und Personalern an, die sich um die jungen Talente und Fachkräfte bemühen.

Ich habe in den letzten Wochen und Monaten mit vielen Gründern, Geschäftsführern und Führungskräften – Frauen wie Männern – über die Zukunft von Arbeit und Leadership gesprochen. Und ich bin erschrocken, wie tief der Frust bei den Leistungsträgern sitzt.

Die heute 50-Jährigen haben gelernt zu kämpfen

Egal ob Mittelstand, Hochschule, Strategieberatung oder Konzern: Bei den Middle Agern scheint sich das Gefühl breitzumachen, dass „Leistung sich nicht mehr lohnt“. Hinter vorgehaltener Hand beklagt sich die Führungsriege: „Wir sind für die Company und den Kunden da, aber leider hat keiner mehr Lust mitzuziehen. Wir bleiben auf der Arbeit sitzen und leisten Überstunden. Wenn etwas schiefläuft, sind wir die Gelackmeierten – und unsere Mitarbeiter schon im Freibad.“

Wie konnte das passieren?

Um zu verstehen, woher der Frust kommt, lassen Sie uns gemeinsam einen Blick auf die berufliche Sozialisation der Mitte 40- bis Mitte 50-Jährigen werfen. Wir reden hier nicht von den Babyboomern, die mit Jahrgang 1964 und älter definiert werden, sondern von den 70er Jahrgängen, die noch gut und gerne 10 bis 20 Jahre Berufsleben vor sich haben.

Sie haben sich durch volatile Arbeitsmärkte, Dotcom-Blase und Digitalisierung geschlagen und gelernt, ihre Ellenbogen einzusetzen. Im Haifischbecken vieler Mitbewerber und Bewerberinnen haben sie die Konkurrenz in knallharten Auswahlverfahren und Assessmentcentern hinter sich gelassen und sich schließlich an die Spitze von Teams, Abteilungen oder Business Units manövriert. Der Aufstieg war sportlich, hat sich aber am Ende persönlich und finanziell gelohnt.

Shareholdervalue als Mantra

Das Büro, die Firma, war darüber hinaus ein herrlich sachlicher Ort. Hier konnte man die komplexen sozialen und menschlichen außen vor lassen und sich den vermeintlich wirklich wichtigen Sach- und Fachfragen widmen. Die Maschinen wurden geölt, die Prozesse re-engineert bis zur Magersucht, Shareholder Value und Bonusprogramme schwebten als glückselig machende Mantren über den Managern. Ziel und Fokus waren eindeutig – und damit auch die Prioritäten der Führungscrew.

Personalprobleme gab es zwar auch hier und dort, aber dafür hatte man ja eine Personalabteilung. Die Abteilung für die menschlichen Ressourcen (HR), nie ganz ernst genommen, oft strategisch unterschätzt, war gefühlt die Reparaturabteilung für Problemfälle. Sie sollte im Idealfall geräuschlos das Problem lösen, Mitarbeitende entweder auf den richtigen Kurs bringen oder entlassen. Und natürlich für Nachschub sorgen, denn da draußen warteten ja genug potentielle Mitarbeiterinnen und Fachkräfte, die eine der heißbegehrten Stellen im Unternehmen haben wollten. Das Zwischenmenschliche und die sozialen Probleme der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren zwar bekannt, aber nur selten Fokus der Führungsarbeit.

Der Preis des Aufstiegs

Die Aufsteiger der Jahrhundertwende waren, angesichts von Arbeitslosenquoten um die 10 Prozent, stets bereit, ihre persönlichen Interessen und das Familienleben zugunsten der eigenen Firma zurückzustellen.

In den Firmen standen Fragen wie „wie bewältigen Sie den Spagat zwischen Work und Life“ nicht auf der Tagesordnung, denn die Überzeugung in den Führungsetagen lautete: Das interessiert hier nicht. Die Einstellung war einhellig: „Seien Sie dankbar, dass Sie hier arbeiten dürfen.“ Die Macht lag bei den Arbeitgebern: Demut und Dankbarkeit waren ein gern gesehenes Mindset.

Das Private blieb im Firmenalltag eine Randnotiz.  Family & Co. waren zwar gut fürs Image von vorwiegend männlichen Managern und deren Karriereleiter, aber danach ausgerichtet wurde sich eher selten.

Das klassische Modell, in dem die Ehegattin, wenn überhaupt, in Teilzeit arbeitet und als moderne Familienmanagerin die Kinder betreut und dem aufstiegswilligen Mann den Rücken freihält, funktionierte.

Den Frauen, die es trotz Kindern zur Karriere brachten, gab man den „Geheimtipp“: Du kannst zwar auch in Teilzeit (was in Wirklichkeit oft auf unbezahlte Überstunden hinauslief) aufsteigen, aber dann musst du doppelt so gut sein wie die anderen. Gesagt, getan, geschuftet.

So waren Frauen und Männer schließlich im Management angekommen, dank immensem Engagement, steter Anstrengung und eigener Leistungskraft. Das fühlte sich gut und richtig an.

Und dann kamen Corona und der demographische Wandel

Die Vollbremse kam unerwartet und brutal – Corona brach mit allen Tabus, die wir uns bislang vorstellen konnten. Die Wirtschaft, das öffentliche Leben anzuhalten und Kontakte auf Null zu fahren, das war für Jung und Alt ein echter Schock.

Nach der Coronakrise folgten weitere Krisen: Weltwirtschaft, Frieden und Energieversorgung haben ihre Selbstverständlichkeit verloren und damit stehen existenzielle Unsicherheiten direkt vor unserer Haustür.

Viele, besonders junge, Menschen haben die Krise genutzt und sich mit dem Sinn des Lebens und ihrer eigenen Erwartungshaltung beschäftigt. Und siehe da: Sie fordern einen Wandel ein (und ist das nicht das Privileg der Jugend?!) – weg vom „immer höher, schneller und weiter“.

Klimaschutz und die Rettung der Welt erhalten bei ihnen Priorität vor dem „Schuften bis zum Umfallen“ oder der „Karriere um jeden Preis“ – erst recht, wenn die künstliche Intelligenz den Arbeitsplatz ohnehin schneller wegfegt als man neue Kompetenzen aufbauen kann.

Warum 40 Stunden und mehr arbeiten, wenn man sich vom guten Gehalt nicht mal eine Wohnung in der Großstadt leisten kann? Der Traum vom Eigenheim ist eh schon geplatzt, bevor er da war.

Arbeitsplatzsicherheit ist trotz guter Leistung keine Garantie mehr, und so wendet sich die GenZ anderen Werten und Optionen für ein gutes Leben zu.

Wellbeing ist wichtig

„Und ist das so verkehrt?“ ist man geneigt zu fragen. Ist das egoistisch oder einfach nur realistisch? Ist es falsch, dass Paradigmen, Eltern, Gesellschaft und Wirtschaft kritisch hinterfragt werden? Es wird nicht alles so kommen, wie es sich die GenZ erhofft, aber der Kampf für Umwelt, gute Arbeit und mehr Purpose kann sich am Ende für alle lohnen.

Was heißt das nun für den Arbeitsmarkt, für die Arbeitswelt der Mittvierziger und Mittfünfziger?

Ich glaube: Umdenken! Dank der Demografie sitzen die jungen Talente heute oft am längeren Hebel und lassen sich nicht beirren, ihre Forderungen zu erheben und dafür einzustehen. Das ist mitunter extrem mühselig, aber in der Auseinandersetzung liegt meines Erachtens eine Chance für einen neuen Diskurs.

Es ist die Chance Arbeit neu zu denken, zu hinterfragen, was sein muss und was wegkann. Im Rahmen des Digital Leadership gilt es zu überlegen, was noch radikaler digitalisiert werden muss, welche Prozesse zu automatisieren sind und wo uns künstliche Intelligenz Arbeit abnehmen kann. Aufgaben mit hoher Routine können an den „Kollegen Roboter“ abgeben werden und dafür den jungen Talenten die spannenden Projekte – nach entsprechendem Training – übertragen werden.

Kommunikation und Kooperation in altersgemischten Teams neu zu gestalten, ist ein weiteres To-do. Dazu braucht es bei allen Generationen ein aktives Zuhören. Kompromisse statt Beschuldigungen, neue Wege statt Status und Augenhöhe statt Hierarchie.

Selbstreflektion für eine bessere Zukunft

Und warum nicht die eigenen Glaubenssätze in der Mitte des (Berufs-)Lebens einmal zu hinterfragen? Muss alles anders werden? Nein. Aber legitim ist doch die kritische Reflexion:

  • Welche Ziele und Wünsche sind noch offen, wo kann die Reise hingehen?
  • Wo sind angebliche Zwänge zu sprengen und wie können Leistung und Arbeit weiterhin Spaß machen?
  • Wie sieht mein Bild von der Zukunft meiner Arbeit aus?
  • Welches Leadership möchte ich (er)leben und wohin will ich mich persönlich weiterentwickeln?
  • Brauche ich vielleicht ein Sabbatical, 3-6 Monate, um mich einmal neu zu erfinden, jenseits des Hamsterrads?

Alles das sind grundlegende Fragen für eine offene und ehrliche Bestandsaufnahme im Berufsleben.

Holen Sie sich einen Sparringspartner an Board und legen Sie noch heute los. Denken Sie daran: „Damit das Mögliche entsteht, muss immer wieder das Unmögliche versucht werden.“ (Hermann Hesse).

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Ursula Vranken ist Geschäftsführerin und Gründerin IPA. Sie berät Unternehmer und Manager bei der Gestaltung zukunftsfähiger Arbeitsorganisationen und ist ihr Partner for People Management. Vranken ist zudem Mitgründerin und Geschäftsführerin der renommmierten Digitalkonferenz Digital Leadership Summit

6 Antworten zu “Der Frust der Führungskräfte – warum die Leistungsträger die Nase gestrichen Z haben”

  1. Es stimmt zwar: Meine Generation der Boomer hat „sich nach der Decke gestreckt“. Aber, Stichwort „Haifischbecken“: Es ist auch die Generation, die unter dem Konkurrenzdruck mit dem Mobbing angefangen hat, avant la lettre! Es ist auch die Generation der Menschen, die sich von narzisstischen Personalchefs entwürdigende Behandlung gefallen ließ…
    All das geht nun vorüber – mit der Generation Z im Schwimmbad.

  2. Hätten wir heute noch 27 Atomkraftwerke, eine vernünftige Einwanderungspolitik, keinen übergriffigen Staat, eine Bürokratie, die funktioniert, eine leistungsmotiverende Abgaben- Steuerbelastung, wären wir das reichste Land mit dem höchsten Wohlstand.
    Statt dessen vernichten wir unseren Wohstand leichtfertig durch eine maßlose Bürokratie, die enorm viel Zeit und Energie beansprucht, einer Energiewende, die nicht von Ingeneuren sondern von Philosophen gemacht wird und versuchen jetzt die Abwanderung der Leistungsträger durch eine Wegzugbesteuerung a la Reichsfluchtsteuer zu verhindern.

  3. Alleine die Frage sei erlaubt, ob sich mit dieser inneren Einstellung, der von der GenZ als selbstverständlich vorausgesetzte und erlebte Wohlstand, den vorangegangene Generationen mühevoll erarbeitet haben, gegen aufstrebende Wettbewerber, deren Jugend noch heiß und hungrig auf Erfolg und bereit sich dafür zu schinden ist, verteidigen lässt. Ich glaube nicht, denn nach wie vor gilt, dass es ohne Fleiß keinen Preis gibt und sich Wohlstand langfristig an der Leistungsbereitschaft einer Gesellschaft misst. Hieran ändern auch noch so viel KI, Automatisierung und Digitalisierung etwas. Dessen müssen sich die Protagonisten in ihrer grundsätzlichen Lebenseinstellung ebenso bewußt sein wie dessen, dass die derzeitige Politik jeglicher Couleur ihnen die Weichenstellung für eine erfolgreiche Zukunft verweigert. Sei es aus dogmatischen Gründen, Unfähigkeit oder der Angst vor der eigenen Courage.

  4. Als Babyboomerin habe ich verinnerlicht, dass nur Exzellenz zählt um gesehen zu werden und als selbstständige Unternehmerin Erfolg zu haben. Das ist mein Maßstab.
    Den Blick dafür, dass einfach arbeiten auch ok ist habe ich nicht. Könnte ich trainieren.
    Die Voraussetzungen und Ansprüche haben sich verändert.
    Meine Einladung an die Generation Z ist: macht euch bewusst, dass es einen Unterschied gibt zwischen eurem Zutrauen und eurer aktuell gezeigten Leistung und eurer Verantwortungsbereitschaft.
    Auch ist es ist typisch, wer über die Lösung des Problems nachdenkt und wer auf wen zugehen soll.
    Wenn die kommunikative und soziale Kompetenz der Generation Z so gut ist: „Walk a mile in my shoes.“
    Ich selbst arbeite übrigens seit Jahren Montag bis Donnerstag.
    Hab ich mir verdient!

  5. Treffend analysiert und formuliert. Als 70er Jahrgang frage ich mich ob’s mit der angenehmen, lockeren Einstellung und dem Wunsch nach immer höheren Einkommen nicht mal zu einem Problem kommen könnte. Sei’s die Digitalisierung oder doch tiefere Löhne von nicht weniger gebildeten, aber motivierten jungen Mitarbeitenden in östlich von uns gelegenen Ländern. Vieles wurde von der Babyboomer-Generation geschaffen und von Generation X weiter ausgebaut. Es muss und soll nicht so weitergehen, aber denken wir daran, dass unser heutiges Rentensystem teuer ist und mit der 4 Tage-Woche zu immer mehr Rentnern wohl in einem Ungleichgewicht steht das niemand korrigieren will, da es politisch keine Freude auslösen wird.

  6. Leider blendet der Artikel komplett aus, dass die Aufgaben, die wir aktuell und in der Zukunft haben extrem herausfordernd sind. d.h. es braucht Mitarbeitende und Führungskräfte, die an einem Strang ziehen, um grosse Probleme zu lösen. Das mindset: work-life balece, hilft da überhaupt nicht weiter. Es braucht vielmehr: Anstrengung, Kreativität und ernsthafte Auseinandersetzung mit Lösungen für gesellschaftliche, technische, wirtschaftliche Probleme. Zu diesen Lösungen beigetragen zu haben- nicht durch den Besuch von Demos- sondern konkret durch den Einsatz eigener schöpferischer Kraft, durch Übernahme von Verantwortung im Arbeitsleben, kann für die GenZ m. E. genauso erfüllent sein, wie ehedem für uns Boomer. Führung bedeutet dann, jungen Menschen zu ermöglichen die Erfahrung machen, welchen großen Beitrag zum Bewältigung der Herausforderungen sie leisten können und letztlich auch müssen. Als Generation, die von uns Boomern das Staffelholz der Verantwortung übernimmt sind sie am Zuge. Das klarzumachen ist wichtig.

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