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Stabilität in Krisenzeiten: Familienunternehmen brauchen ein Leitbild
Negative wie positive Herausforderungen vom Ukrainekrieg über die Zins- und Energiekrise bis hin zu den Möglichkeiten des technologischen Wandels prägen das New Normal. Für Unternehmen stellt sich die Frage: Was können sie tun, um in wechselhaften Zeiten auf Kurs zu bleiben? Insbesondere Familienunternehmen müssen Maßnahmen ergreifen, um ihren Fortbestand für die nächste Generation zu sichern. Orientierung bietet ein Leitbild.
Von Professor Dr. Arnold Weissman und Professor Dr. Werner Gleissner
Wir Menschen haben die Fähigkeit, die Zukunft planen zu können – ein Vorteil und ein Nachteil zugleich. Planung bedeutet, zukünftiges Geschehen geistig vorwegzunehmen und Annahmen über die Zukunft zu treffen. Wie aber sollen wir langfristige, strategische Entscheidungen treffen, wenn heute nicht klar ist, was morgen geschehen wird?
Unternehmen tragen Verantwortung
Paul Watzlawick hat die berühmte Aussage getätigt, man könne nicht nicht kommunizieren. Ebenso kann man nicht nicht entscheiden. Wir treffen mit allem, was wir tun, Entscheidungen. Jedes Handeln ist im Moment des Tuns ein Entscheiden. Das, was wir heute tun oder unterlassen, hat wesentlichen Einfluss darauf, wie wir leben werden. Als Unternehmer entwickeln wir neue Geschäftsmodelle, Marken und die Unternehmenskultur und entscheiden nicht zuletzt über die Planung und den Bau von Firmengebäuden, in denen Geschäft und Kultur stattfinden, sie entwickeln, prosperieren. Wie sagt man doch: erst prägt der Mensch das Gebäude und dann prägt das Gebäude den Menschen, Dies alles basiert auf Entscheidungen und Investitionen mit oft langfristigen Folgen, die besonders für familiengeführte Betriebe gravierend sein können. Immer sind Menschen beteiligt und Interaktion spielt eine maßgebliche Rolle.
Laut Experten erreichen nur fünf von hundert Familienunternehmen die vierte Generation. Das wichtigste strategische Ziel für Familienunternehmen ist es, die Unabhängigkeit zu erhalten und die Zukunftsfähigkeit zu steigern. Stabilität ist in familiengeführten Organisationen noch bedeutsamer als Rendite oder Wachstum. Hierfür müssen sie sich intensiv mit aktuellen „Meta-Wellen“ – wie dem technologischen Wandel, der Zunahme von Komplexität und Geschwindigkeit oder dem Thema Verantwortung und Nachhaltigkeit – auseinandersetzen. Denn sie haben v.a. dann eine Zukunft, wenn sie kundenzentriert, technologiebasiert und datengesteuert interagieren und darüber hinaus verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen. Die neuen Normen für nachhaltiges Wirtschaften (ESG, Taxonomie, UN-Charta) sind Herausforderungen, zugleich aber auch eine Chance. „ReStainability“, zusammengesetzt aus „Responsibility“ und „Sustainability“, ist eine neue, verantwortungsvolle Haltung, die auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist. Weitsichtigen Unternehmen dient sie als Treiber für profitables Wachstum.
Das Leitbild als Orientierung
Bei allen Veränderungen und Herausforderungen weist ein Leitbild die Richtung. Dies geschieht, indem sich Unternehmen bewusst machen: Sie sollen einen Auftrag, den Zweck ihrer Existenz, erfüllen – und genau diesen definiert ein gutes Leitbild.
Im Gegensatz zu Zielen und Strategien, die Führungskräfte an neue Rahmenbedingungen anpassen müssen, bleibt das Leitbild gleich. Strategien werden mit Bleistift geschrieben, das Leitbild mit Tinte. Es gibt dem Unternehmen einen tieferen Sinn. Viele Unternehmen haben Ziele und dies ist auch absolut in Ordnung, denn sie bringen unsere Handlungen in Gang. Doch nur wenige können die Frage beantworten: was ist unser übergeordnetes Unternehmensziel, unser Nordstern?
Mission, Vision und Werte bilden das Leitbild
Jedes zukunftsfähige Unternehmen braucht eine Mission, einen „Lebensauftrag, einen „overarching purpose“. Was ist der zentrale Auftrag Ihres Unternehmens? Auf welche Frage will Ihr Unternehmen die Antwort geben? Welchen Beitrag leisten Sie für eine Welt, in der Sie selbst gerne leben möchten? Aber auch: Was würde der Welt fehlen, wenn es Ihr Unternehmen nicht gäbe? Welche wichtigen, brennenden Kundenprobleme blieben dann ungelöst? Die Antworten auf diese Fragen gibt die Mission. Sie ist der sinnstiftende Auftrag, der Zweck der Existenz (ZDE) und gibt dem Unternehmen auch in turbulenten Zeiten die Richtung vor.
Der zweite Baustein des Leitbilds ist die Vision. Je größer die Mission, je bedeutender der Beitrag, umso größer kann die Vision sein. Eine Vision ist ein attraktives Bild einer möglichen Zukunft. Was der Mensch sich vorstellen kann, kann der Mensch auch erreichen. Walt Disney hat dies auf den Punkt gebracht: „If you can dream it, you can do it!” In diesem positiven Sinne motiviert und begeistert eine starke, gelebte Vision alle Mitarbeitenden und Führungskräfte.
Werte sind der dritte Grundpfeiler des Leitbilds, die jedes Unternehmen gemeinsam entwickeln und definieren muss. Da die meisten Entscheidungen unbewusst sind, treffen wir sie aufgrund unserer Werte. Ein System, das überlebensfähig sein möchte, braucht daher Menschen mit klaren Grundüberzeugungen. Sie tun sich leicht, zügig zu entscheiden und lange dabei zu bleiben, denn sie können „bewerten“.
Unternehmenskultur und Transformation beginnen beim Einzelnen
Ein Leitbild kann seine Wirkung nur dann entfalten, wenn das Unternehmen es anwendet und sich die Menschen danach verhalten. Denn die Haltung und das Verhalten aller Personen, v.a. der Führung im Unternehmen, prägt die Kultur und damit die gesamte Organisation. Die „Unternehmenskultur ist die Summe der Selbstverständlichkeiten“, die Art und Weise, wie wir jeden Tag miteinander umgehen. Zukunftsfähige Familienunternehmen brauchen eine starke, wertebasierte Führung. Glaubwürdigkeit, Authentizität, Charisma und Vertrauen in eine Organisation hängen davon ab, wie stabil die Werte sind und wie die Kultur des Unternehmens von allen Akteuren gelebt wird.
Wenn Familienunternehmen sich an immer wieder neue Rahmenbedingungen anpassen möchten, müssen sie zunächst das Mindset, das Bewusstsein der Führungskräfte und Mitarbeitenden, verändern. Nur aus einer verbesserten Wahrnehmung, einem neuen Bewusstsein ändern sich auch die Haltung, die Einstellungen, die Gewohnheiten, das Verhalten und am Ende die Ergebnisse.
Grundlegende Veränderungen bedeuten allerdings auch, Komfortzonen und Sicherheitsräume zu verlassen. Dies stößt oft auf Widerstand. Die Motivation dazu gelingt aus zwei Gründen: Lust oder Leid. Der Mensch will seit jeher Lust gewinnen und Schmerz vermeiden. In den meisten Unternehmen erfolgt Veränderung jedoch eher aus dem Leidensdruck heraus. Bei Unternehmen, die ein funktionierendes Leitbild entwickelt haben und dieses leben, ist dagegen der Beweggrund die innere Freude, etwas Neues zu schaffen.
Fazit: Ein Leitbild stiftet Identität und gibt Sicherheit
Mit klar definierten Werten, einer Mission und einer beflügelnden Vision stellen sich Familienunternehmen zukunftssicher auf: Sie handeln aus einer positiven Motivation heraus, leben ihre eigene Unternehmenskultur, sind selbstbestimmt, stabil und authentisch. Dies ist der Grund, warum nicht nur Unternehmen ein Leitbild brauchen: Am Ende braucht es jeder Mensch. Denn: Erfolg folgt, wenn wir unserer Bestimmung folgen
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Prof. Dr. Arnold Weissman ist Professor für Unternehmensführung an der Hochschule Regensburg und als Dozent an der Zeppelin University in Friedrichshafen tätig. Die Vollack Gruppe begleitet Professor Weissman als Vorsitzender des Beirats. Er ist Gründer des renommierten Beratungs- und Trainingsunternehmens Weissman& Cie. Mit seiner Wissensplattform www.arnoldweissman.de bietet er zusammen mit anderen Experten relevantes Wissen für Führung von Familienunternehmen.
Professor Dr. Werner Gleißner ist Vorstand der FutureValue Group AG und Honorarprofessor für Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Risikomanagement an der Technischen Universität Dresden. Er befasst sich mit wert- und risikoorientierter Unternehmensführung
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