
Lernen als Führungskraft: Spielerisch ans Ziel
Was hat klassische Musik mit Lernen und (Selbst-)Führung zu tun? Der Dirigent Benjamin Zander hat hier eine wunderbare Verbindung geschaffen, die nicht nur für die Leistungsträger in der Musik von Nutzen ist. Auch Führungskräfte können von seinem Lernansatz, der auf ein unbefangenes und freudvolles Mindset abzielt, wertvolle Erkenntnisse gewinnen.
Von Jörg Mildner
Wollen Führungskräfte lernen, sich weiterentwickeln und Leadership Excellence erreichen, profitieren sie im hohen Maße von einer gewissen Leichtigkeit. Genau davon kann Benjamin Zander, der begnadete englische Dirigent und Buchautor (The Art of Possibility), im wahrsten Sinne des Wortes ein Lied singen: In seinen Meisterklassen unterrichtet er musikalische High Potentials. Diese sind begabt, sie sind motiviert, sie sind extrem lernwillig und sie haben schon viele, viele Skills an Bord – und versagen trotzdem manchmal auf ganzer Linie.
Warum? Zander zufolge hat dies mit einem ambivalenten Mindset und um die inneren Gespräche, die wir unter dem Einfluss der jeweiligen Mindsets mit uns selbst führen, zu tun. Er beobachtet, dass die meisten Studenten sehr talentiert, aber häufig auch sehr ängstlich sind. Der Dirigent nennt diesen Mindset Scarecity: Es dominieren Bedrohung und Wettkampf. Alle Ressourcen stehen nur begrenzt zur Verfügung und eine Fülle möglicher Katastrophen lauert am Horizont. Im krassen Gegensatz dazu steht der Mindset Abundance. Der Name sagt es schon: Hier herrschen Fülle, Überfluss, Freude sowie die Vorstellung unbegrenzter Ressourcen vor. In welchem der beiden inneren Zustande wir uns befinden – und wie wir darum unsere inneren Konversationen gestalten – hat starken Einfluss darauf, was, wie viel und wie wir lernen.
Das ängstliche Mindset auflösen

Benjamin Zander ist bewusst, dass er als Professor dazu beitragen kann, einen Scarecity-Mindset aufzulösen: Nämlich, indem er versucht, zwischen ihm und den Studierenden so etwas wie Augenhöhe herzustellen, um ihnen den übermäßigen Respekt und die Angst zu nehmen. Und um so die „Student-Teacher-Gap“ so weit wie möglich zu schließen. Dazu gibt er jeder/m Studierenden die Bestnote, ein „A“. Die Bedingung: Jede/r Studierende schreibt ihm zum aktuellen Zeitpunkt einen Brief, der auf das Semester-Ende im Folgejahr datiert ist. In diesem Brief müssen die Studierenden Zander jeweils ganz genau erklären, warum sie dieses „A“ verdient und bekommen haben. Dieser Rückblick auf das, was kommen wird, hilft den Studierenden, die Statue im Marmor zu sehen. Und, sich darüber klar zu werden, was alles möglich ist, was sie alles erreichen können – anstatt in einem ängstlichen „Ich kann das nicht!“ oder „Werde ich es schaffen?“ zu verharren.
Sich über Fehler freuen
Auf ganz ähnliche Weise nimmt er ihnen die Angst vor Fehlern: Er lehrt sie, einen kleinen Freudensprung zu machen, statt sich zu ärgern, wenn sie beim Vorspielen patzen. Statt frustriert das Gesicht zu verziehen, sollen sie lieber die Arme hochreisen und „I made a mistake, how fascinating!“ rufen. Das ist natürlich eigentlich paradox – und darum urkomisch! Aber genau das ist der gewünschte Effekt: Denn einige Male ausgeführt, verankert sich diese Erfahrung im Körper und trägt so zur Entspannung bei. Warum sollte ein Fehler eigentlich nicht amüsant sein oder zumindest humoristisches Potenzial haben? Zumindest steigt so die Chance, dass Frust und Verbissenheit auf der Strecke bleiben und es sich viel leichter lernt. Und als kleine Randbemerkung: Nicht auszudenken, was so eine Herangehensweise für eine Fehlerkultur in Unternehmen bedeuten könnte.
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Jörg Mildner arbeitet seit mehr als 20 Jahren als selbstständiger Coach, Trainer und Berater. Der studierte VWLer unterstützt Einzelpersonen, Teams und Unternehmen in ihrer Entwicklung. Vor seiner Selbstständigkeit war Jörg Mildner mehr als zehn Jahre in diversen Managementpositionen tätig, sowohl in zwei Industriekonzernen als auch in einem mittelständischen Handelsunternehmen. Gemeinsam mit Jens Vogt hat Jörg Mildner das Beratungsunternehmen [:co-vadis] aufgebaut, das 2019 in die Firma Heidrick & Struggles eingebracht wurde. Infos zu Jörg Mildner
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