Die Strategie in der Corona-Krise muss geändert werden

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Gravierende Einschränkungen führen zum Shutdown weiter Teile der Wirtschaft. Nun muss die Regierung einen überzeugenden Ausstiegsplan vorlegen. Von Lutz Goebel.

Seit vier Wochen befindet sich nicht nur Deutschland im zunehmenden Corona-Würgegriff, sondern auch der größte Teil der Welt. Gravierende Einschränkungen von Menschen und Wirtschaft führen zum Shutdown weiter Teile unserer Wirtschaft. Wenn die Geschäfte eigentlich bei uns im Unternehmen noch gut laufen, kommen Lieferketten zum Stillstand und verhindern damit die Produktion immer mehr.

Die Unternehmen sorgen für ihre Mitarbeiter mit Desinfektion, Abstandsgebot, Schichtmodellen, Hygieneregeln, Homeoffice und Videokonferenzen. Das funktioniert bisher gut. Den großen Branchen wie Automobil, Baumaschinen, Landtechnik und anderen, die ihre Produktion komplett eingestellt haben, dämmert es, dass sie unter Beachtung dieser Gebote durchaus produzieren können, ohne die Menschen zu gefährden. Viele wollen ihre Produktion nach Ostern wieder hochfahren.

Die Politik hat viele schnelle Maßnahmen ergriffen und auch viel Geld bereitgestellt, um zu helfen, auch wenn das Geld noch zu langsam bei denen ankommt, die es kurzfristig benötigen. Beim Shutdown ganzer Branchen wie Hotels, Messen, Restaurants, Einzelhandel, Touristik stelle ich mir ganz klar die Frage nach der Verhältnismäßigkeit.

Denn diese Branchen können ihre Umsätze praktisch nicht nachholen, geschweige denn Kredite zurückzahlen. Wir werden hier also zwangsläufig eine Vielzahl von Insolvenzen sehen, wenn die Regierungen nicht umsteuern und dort auch zu Direkthilfen übergehen.

Eine Umfrage des Verbandes Die Familienunternehmer von vergangener Woche zeigt, dass fünf Prozent der Unternehmen noch zwei Wochen Liquidität haben und 28 Prozent noch acht Wochen. Es wird also dringend Zeit.

Völlig unverständlich erscheint mir die Politik vieler Sparkassen. Bei Anfrage nach KfW-Darlehen verweisen sie auf Haftungsübernahme der Gesellschafter als Vorbedingung. Dabei haben viele Familienunternehmer Gesellschafterdarlehen im Unternehmen sowie hohe Eigenkapitalquoten und können das in der Krise gar nicht leisten. Dass sich ein wesentlicher Anteil des Bankensektors somit der Hilfe ihrer Stammkunden entsagt, ist mehr als fragwürdig.

Die Strategie muss geändert werden

Wenn wir unsere Wirtschaft so knallhart herunterfahren, um die Virusausbreitung einzudämmen, müssen wir andererseits ganz sicher sein, dass wirklich ALLES unternommen wird, dass wir das Virus schnellstmöglich überwinden. Schutzmasken, Kittel, Anzüge, Beatmungsgeräte müssen in großen Mengen generalstabsmäßig beschafft und bereitgestellt werden, und zwar als Erstes den infrastrukturkritischen Menschen wie Ärzten, Schwestern, Pflegern, aber auch Feuerwehr und Polizei etc.

Ein Schlüssel für die Isolation von Infizierten ist das breite Testen der Bevölkerung und auch die Bestimmung von Antikörpern von all jenen, die das Virus schon überstanden haben, ohne es überhaupt zu wissen. Südkorea, Taiwan und Hongkong machen es uns vor, wie es funktioniert, China fährt seine Produktion wieder hoch und gewinnt so großen wirtschaftlichen Vorsprung.

Die Strategie, quasi den Deckel so lange auf dem Topf zu halten, bis 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung „durchseucht“ sind, ohne das Gesundheitswesen zu überfordern, kann schnell sechs bis sieben Monate dauern. Dann sind 80 Prozent der Unternehmen insolvent. Wir Familienunternehmer würden das nicht überstehen, und dann könnten wir uns unser derzeit vorbildliches Gesundheitssystem (im Vergleich zu Italien und Spanien) auch nicht mehr leisten. Eine Staatsschuldenkrise würde auf dem Fuß folgen.

Also muss die Strategie geändert werden: Die Älteren und Menschen mit Vorerkrankungen müssen stringent geschützt und mit Medikamenten und allem Nötigen versorgt werden. Für die anderen muss man die Einschränkungen lockern und die Wirtschaft wieder geordnet in Gang setzen. Ich frage mich auch, warum alle Geschäfte oder Restaurants komplett geschlossen werden müssen? Das könnte man etwa mit geordneten Zugangsbeschränkungen regeln. Die Menschen halten sich heute bereits an den Abstand, gehen sich aus dem Weg, auch beim Bäcker um die Ecke.

Wir müssen also beides tun, den Menschen schützen und die Wirtschaft beleben, das würde auch funktionieren. Insofern erwarte ich von der Bundesregierung eine überzeugende Exit-Strategie für die Zeit nach Ostern. Ein Weiter-so wie jetzt endet tödlich – für die Wirtschaft und die Menschen.

Dieser Beitrag von Lutz Goebel erschien zuerst im Handelsblatt.

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Dipl. Ing. Lutz Goebel ist geschäftsführender Gesellschafter der Henkelhausen GmbH & Co. KG in Krefeld und war bis 2019 Präsident des  Verbandes DIE FAMILIENUNTERNEHMER sowie aktuell Vizepräsident des Family Business Network (FBN) in Deutschland. 

2 Antworten zu “Die Strategie in der Corona-Krise muss geändert werden”

  1. Sehr geehrter Herr Goebel,

    die Analyse finde ich sehr stichhaltig – ich frage mich nur, warum man andere Strategien nicht mal in Beachtung zieht, die uns zum Glück andere Länder vormachen – und hier muss ich nicht nach Asien blicken, sondern kann mir das in Ruhe am Beispiel Schweden ansehen – wenn schon keiner etwas weiß – leider entsteht bei mir dieser Eindruck das unsere politische Führung völlig überfordert ist, und das Ganze an nicht gewählte Gremien übergibt, ein gefährliches Zeichen für einen demokratischen Staat ist. Handlungshoheit sieht für mich anderes aus.

    Mit freundlichen Grüßen

    Arne Borg

  2. Gerade das Beispiel Schweden, wie auch UK und US zeigen genau die Fehler, die zu liberale Einstellungen im Falle einer tödlichen Bedrohung einer bisher nicht behandelbaren Pandemie mit sich bringen.
    Alle Länder haben längst Ihre Fehleinschätzung erkannt und radikal umgescjhwenkt.

    Sind wir dankbar eine Regierung zu haben, die Gesundheit an erster Stelle im Staat stellt.

    Dr. med. M. Ohara

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