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„Patente sind strategische Werkzeuge“
Wie entscheidend sind Patente und Patent-Informationen für den Geschäftserfolg? Marco Richter muss es wissen: Er ist Geschäftsführer der PatentSight GmbH, bei der weltweit Konzerne, Unternehmensberatungen, Investoren und auch regulatorische Behörden Patentanalysen einholen.
Herr Richter, wie hat sich die Bedeutung von Patenten verändert?
Das Patentsystem wurde mit der Idee entwickelt, Innovationen einer breiten Öffentlichkeit publik zu machen. Als Gegenleistung für das Offenlegen ihrer Ideen erhalten die Erfinder ein zeitlich begrenztes alleiniges Nutzungsrecht. Diese rechtliche Komponente ist heute immer noch der Kern des Patentwesens. Die Zahl der Patentanmeldungen steigt stetig und analog zu anderen immateriellen Vermögenswerten steigt auch die Bedeutung von Patenten weit über die Rechtsabteilungen der Unternehmen hinaus. Heute sind Patente strategische Werkzeuge für die Trendforschung, Technologiefeldrecherchen, Wettbewerbsbeobachtung, M&A-Entscheidungen oder auch die Auswahl von Kooperationspartnern oder Zulieferern. Informationen aus Patentdaten werden heute an vielen Stellen der Wertschöpfungskette berücksichtigt und sind mitunter auch Gegenstand von Vorstandsmeetings.
Welche Rolle spielen deutsche Unternehmen bei Patenten – und was machen die aufkommenden Wirtschaftsnationen wie China?
Deutschland liegt bei den Patentanmeldungen hinter China, USA und Japan auf Platz vier. Die reine Zahl der Patentanmeldungen sagt aber wenig über die wirtschaftliche Bedeutung von Nationen oder Unternehmen aus. Der starke Anstieg von chinesischen Patentanmeldungen basiert auf staatlichen Vorgaben und Quotenzielen. Man muss schon genauer und vor allem auf die Qualität schauen, um fundierte Aussagen treffen zu können. In vielen deutschen Konzernen hat dieses Umdenken bereits stattgefunden. In Deutschland, Europa und auch zunehmend auch in Japan gehören Patentkennzahlen basierend auf unseren Qualitätsmetriken zu den Standard-KPIs. Siemens ist hier sicherlich ein gutes Beispiel für einen qualitätsbasierten Innovationsansatz und das nicht nur was den Einsatz von Qualitätsindikatoren angeht, sondern auch was die gesamte Prozesskette der Innovation angeht. Hier ist die Anmeldung von Patenten schon längst ein strategisches Tool.
Patent Asset Index™ fließt in DDW-Firmenrankings ein
Zur Ermittlung der Rangliste der wichtigsten Unternehmen in Deutschland integriert DDW nun auch den Index von PatentSight. Hier die Infos
Können Mittelständler bei Patenten mit den großen internationalen Konzernen mithalten?
Große Konzerne haben Patente in den unterschiedlichsten Technologiebereichen. Und wenn wir uns einzelne Technologien anschauen, dann können deutsche Mittelständler in diesen Innovationsfeldern sehr wohl mithalten, mitunter sogar dominieren. Im Zuge der Corona-Pandemie habe wir in jüngster Vergangenheit viel über CureVac gelesen. Im Technologiebereich RNA-Moleküle hat CureVac weltweit eines qualitativ hochwertigsten Patentportfolios.
Mittels qualitativer Patentanalyse lassen sich solche Hidden Champions auch gezielt aufspüren. So werden deutsche Mittelständler dann plötzlich zu interessanten Akquisitionszielen der großen Konzerne. D.h. die Patentabteilungen und Competitive Intelligence Departments der globalen Konzerne haben den deutschen Mittelstand über Patentanalysen durchaus im Blick – umgekehrt ist nur leider sehr selten der Fall.
Heißt das generell, dass man nicht nur den Fokus auf eigene Patente sollte, sondern auch auf strategische Patentanalysen?
Die größte Gefahr für Unternehmen besteht darin, Entwicklungen im Markt nicht rechtzeitig wahr zu nehmen. Die Patentanmeldung ist einer der ersten Schritte im Innovationsprozess. Bis zum marktreifen Produkt dauert es in der Regel noch mehrere Jahre. Patente sind öffentlich zugänglich und damit ein idealer Indikator für die Forschungstätigkeit von Organisationen. Patentdaten können somit einen Blick in die digitale Glaskugel ermöglichen. Und bei der puren Masse von weltweit über 3 Millionen Patentanmeldungen pro Jahr, ist die große Kunst, genau die Entwicklungen auf dem Radar zu haben, die qualitativ hochwertig sind und damit mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu kommerziellen Produkten führt.
Die Gefahr, Entwicklungen zu verpassen, steigt zudem durch die immer breiter werdende Anwendung von Technologien. Wir haben heute nur noch selten eindeutig abgegrenzte Märkte. Denken Sie nur an den Bereich Autonomes Fahren. Hier spielen die deutschen Autobauer und Zulieferer genauso eine Rolle wie die großen US Tech-Konzerne; aber auch Logistikunternehmen, Staubsaugerentwickler und Landmaschinenhersteller sind hier aktiv.
„Viele Marktteilnehmern unterschätzen die Aussagekraft von Patentanalysen – der deutsche Mittelstand gehört leider dazu“
Welche Erkenntnisse eröffnen solche Einsichten?
Wir bei PatentSight schauen auf Technologiefelder und konnten unsere Kunden schon oft auf Firmen aufmerksam machen, die man zuvor nicht als Payer und möglichen Wettbewerber im eigenen Technologiefeld auf dem Schirm hatte. Mit unsere Analyse-Software konnten wir beispielsweise zeigen, dass Apple sich bereits ab 2006 sehr stark für die Patente des Schweizer Uhrenherstellers Swatch interessiert hat. Das war also schon neun Jahre vor der Markteinführung der Apple Watch. Apple hat mit einem einzigen Produkt die Marktverhältnisse in der gesamten Uhrenindustrie auf den Kopf gestellt.
Wir können also sehr wichtige, mitunter vorausschauende, Erkenntnisse bei der Markt- und Wettbewerbsanalyse liefern. Wir können Einblicke in Forschungsstrategien liefern, aber auch neue Geschäftsfelder und Anwendungsbereiche für die unternehmenseigene Forschung aufzeigen. Wir machen globale Innovation transparent und decken Zusammenhänge auf. Das liefert wichtige Hinweise für strategische Entscheidungen auf der Risikoseite aber genauso auch auf der Chancen-Seite. Viele Marktteilnehmern unterschätzen die Aussagekraft von Patentanalysen – der deutsche Mittelstand gehört leider dazu. Patente werden hier in der Regel primär als Schutzrecht aber eben noch nicht als strategisches Mittel betrachtet.
Wie transparent lassen sich Patente global überhaupt auf Marktakteure zurückführen?
Die Frage: „Wer kontrolliert eigentlich ein Patent?“ ist in der Tat alles andere als trivial. Wir bei PatentSight betreiben einen extrem hohen Aufwand und schauen uns internationale Konzernstrukturen, unterschiedliche Rechtsformen und Schreibweisen von Unternehmen an und führen jedes Patent auf seine maximal größtmögliche kontrollierende Einheit zurück. Unsere Prüfprozesse gehen dabei weit über die von der World Intellectual Property Organization (WIPO) empfohlenen Prüfstandards hinaus.
In die DDW-Firmenrankings fließt jetzt auch Ihr „Patent Asset Index™“ ein. Wie wird er ermittelt und was stellt er dar?
PatentSight ist eine Ausgründung aus der renommierten WHU – Otto Beisheim School of Management. Der Patent Asset Index™ basiert also auf wissenschaftlicher Forschung und wurde in wissenschaftlichen Journalen veröffentlicht. Nun macht aber auch ein fundierter Indikator nur dann Sinn, wenn er auf qualitativ hochwertige Daten angewandt wird. Wie gesagt, über 3 Millionen Neuanmeldungen jährlich, in vielen verschiedenen Sprachen.
Eine Herausforderung ist es beispielsweise, die stark unterschiedlichen Zitierungspraktiken der nationalen Patentämter zu nivellieren oder die Dokumentation des Rechtsstands von Patenten – ist das Schutzrecht aktiv oder nicht – zu vereinheitlichen. Denn auch hier gibt es weltweit stark abweichende Standards.
Auf diesen bereinigten Datenbestand wenden dann unsere Metriken angewandt. Ein Patent ist dann stark und interessant, wenn sich viele andere auf dieses Patent beziehen und es zitiert wird. Unsere Metrik berücksichtigt und bereinigt Alters- und Technologiefeldeffekte sowie die unterschiedlichen Praktiken der weltweiten Patentämter und nivelliert diese. Als Ergebnis erhalten wir die Technology Relevance. Hier ist der Durchschnittwert aller in der Datenbank verfügbaren Patentfamilien 1.
Je größer der Schutzraum, den ein Patent abdeckt, umso größer die Bedeutung des Patents für ein Unternehmen. Hier nehmen wir die USA als Referenzmarkt und setzen alle anderen Nationen anhand des Bruttoinlandseinkommens in Relation und erhalten damit die Market Coverage.
Das Produkt aus Technology Relevance und Market Coverage ergibt wiederrum den Competitive Impact für jede Patentfamilie. Die Summe der Competitive Impacts aller in einem Portfolio enthaltenen Patentfamilien ergibt letztendlich den Patent Asset Index™. Das Portfolio kann dabei das Gesamtportfolio eines Unternehmens ein Technologiefeld, die Patente eines bestimmten Erfinders oder jegliche andere Definition eines Sets von Patenten sein.
Der Patent Asset Index™ ist damit ein globales, objektives Maß, um die Stärke von Patentportfolios auch über Industrien und Technologiefelder hinaus in Relation zu setzen. Er hat sich mittlerweile nahezu als Industriestandard etabliert und wird nicht nur in Unternehmen, sondern auch in den Analyseabteilungen von Patentämtern, Universitäten und auch der Wettbewerbsaufsicht der EU-Kommission eingesetzt. Aber auch mittelständische Unternehmen können maßgeblich von qualitativer Patentanalyse und dem Patent Asset Index™ profitieren.
Kontakt: Marco Richter ist Geschäftsführer von PatentSight GmbH.
Mail: contact@patentsight.com
Telefon:+49 228 763 711 0
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