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Markenkommunikation: Text $ells
Immer mehr B-to-B-Unternehmen gelingt es, ihre differenzierende Leistung in eine Story zu packen. Damit betreten sie erfolgreich das Feld der Markenkommunikation. Von Armin Reins
Ich habe eine Geschichte, die erzähle ich B-to-B-Verantwortlichen immer kurz bevor ich aufgebe, sie davon zu überzeugen, sich als Marke zu verstehen. Die Geschichte geht so: Stellen Sie sich vor, Sie sind ein Automobilzulieferer. Sie haben 15.000 Mitarbeiter und machen im Jahr knapp 1,8 Milliarden Umsatz. Sie haben unter Ihren gefühlten 10.000 Produkten sogar ein paar Weltmarktführer. Sie haben bisher ganz klassisch typische B-to-B-Kommunikation gemacht: Also Vertriebsunterstützung, Produktkataloge, Produktprospekte, Messeauftritte, Geschäftsberichte. Und immer schön die neuesten Produkt-Features in den Mittelpunkt gestellt. Das Thema Internet haben Sie dann 2002 auch gelöst. Sie haben die wichtigsten Broschüren einfach zum Scrollen oder als Download reingestellt. Social Media, Mobil-Kommunikation – glauben wir nicht wirklich dran. In Ihrer Branche kennt Sie fast jeder. Der Endverbraucher kennt Sie nicht. Warum auch, denken Sie.
„Wenn diese Geschichte nicht wahr wäre, dann müsste man sie erfinden. Sie ist aber leider wahr.“
Eines Tages werden Sie zu Ihrem größten Abnehmer eingeladen: einem der weltweit größten Automobilkonzerne. Man möchte mit Ihnen einmal generell reden. Das klingt doch gut. Sie packen Ihre neuesten Broschüren und Preislisten ein und machen sich auf den Weg. Beim Kunden angekommen sind Sie gerade dabei, Ihre Prospekte auszupacken, da fällt schon der erste alarmierende Satz: »Lassen Sie das mal stecken. Dafür, worüber wir mit Ihnen sprechen möchten, brauchen Sie die nicht.« Und dann fängt Ihr Haupt-Abnehmer an zu erzählen.
Davon, dass sich sein Unternehmen entschlossen hat, noch mehr auf Qualität zu setzen. Auf deutsche Qualität. Weil die Kunden das immer mehr wünschen. Und weil sie nur für deutsche Qualität bereit sind, mehr als das Übliche zu bezahlen. Ja, und deshalb hat man sich entschieden, in Zukunft in seine Autos nur noch deutsche Qualitätsmarken einzubauen. Bekannte Marken wohlgemerkt. »Und Ihr Unternehmen ist leider keine Marke und gehört leider nicht dazu. Unsere Kunden kennen Sie gar nicht. Und deshalb müssen wir Sie leider auslisten.«
Wenn diese Geschichte nicht wahr wäre, dann müsste man sie erfinden. Sie ist aber leider wahr.
Von der alten B-to-B- zur neuen B-to-B-Kommunikation
Oft erzeugt auch diese Geschichte bei Kunden kein Umdenken. Aber es kommt (inzwischen häufiger) vor, dass mir ein Kunde danach interessierter zuhört.
Ich bekomme also die Chance, ihn zu fragen, was das Hauptargument für seine höheren Preise im Vergleich zum Wettbewerber ist? Richtig, der Mehrwert. Und
was macht diesen Mehrwert aus? Antwort: Unsere Qualität, unsere Zuverlässigkeit, unsere Kompetenz, unsere Kundennähe, unsere Tradition, unsere Präzision,
unsere Sorgfalt, unsere Fertigungstiefe …
Aha. Mit diesen Mehrwerten sind Sie bestimmt der Einzige in Ihrer Branche. Und welches Ihrer bisher beworbenen Produkt-Features zahlt darauf ein? Woran kann Ihr Kunde denn den Mehrwert ablesen? An den Produktabbildungen? Wohl eher nicht.
Und dann reden wir über die Länder oder Marktsegmente, in denen sein Unternehmen noch nicht bekannt ist. Welches Feature hilft denn da? Und was ist eigentlich mit den Produkten, die komplett die gleichen Features haben wie die der Konkurrenten – aber ein Drittel mehr kosten?
Machen wir mal einen Test!
Kennen Sie das Unternehmen medi aus Bayreuth? In der ursprünglichen Langversion klang das etwa so:
»medi ist der führende Hersteller für Kompressions-Strümpfe, Bandagen und Prothesen. Aber medi kann noch viel mehr: medi bietet unter dem Namen cep Sportswear nicht nur Strümpfe mit höchstem Tragekomfort, die gut aussehen, sondern die zudem die Regenerationsfähigkeit des Körpers verbessern, die Gelenke stabilisieren und die Muskulatur stärker vor Verletzungen schützen. Und medi bietet sogar noch mehr: Strumpf- und Shapewear unter dem Namen item m6. Modische Strümpfe kombiniert mit der besonderen Kompetenz in Sachen Kompression und medizinischer Wirksamkeit plus innovativste Hochleistungsgarne vereint mit modernstem Design.«
So, das waren nun deutlich mehr als 15 Sekunden. Seien Sie ehrlich, so ganz genau haben Sie nicht verstanden, wofür medi steht, was medi so unverwechselbar, so einmalig macht, oder? Und den Fahrstuhltest hätten wir damit auch nicht bestanden. Dabei hat medi eine ganz großartige Story zu erzählen:
»Medizin-, Sport- und Fashionprodukte von medi sorgen für spürbar mehr Lebensqualität. Denn medi möchte, dass Sie jeden Tag sagen: Ich fühl mich besser.«
Und auf dieser Storyline oder Deskriptorzeile können Sie jetzt viele viele Jahre lang Geschichten über das »Jeden Tag besser fühlen« erzählen.
Die schwerste Aufgabe einer B-to-B-Agentur ist es, B-to-B-Kunden davon zu überzeugen, sich als Marke zu verstehen. Sie davon zu überzeugen, über eine Markenkommunikation nachzudenken. Häufigstes Gegenargument: Unsere Produkte verkaufen sich doch großartig. Wir bewerben unsere Aushängeprodukte mit den neuesten Features. Das genügt doch, Herr Reins. Und dann fällt es wieder, das verhasste Wort: »Imagewerbung«. »Markenkommunikation ist doch Imagewerbung. Das bringt uns nichts. Das kostet nur Geld. Das verkauft doch nichts.«
„Sie müssen sich nur einmal vorne am Besucherempfang das Regal mit den Broschüren angucken. Oder auf der Messe das Fach mit den Prospekten. Dann verstehen Sie, was ich meine.“
Das ist für Außenstehende (z.B. aus dem Bereich B-to-C) unvorstellbar, oder? Aber wenn Sie aus der Branche sind, dann werden Sie mir schmerzgeplagt recht geben. Dabei gibt es in Deutschland inzwischen immer mehr sehr sehenswerte Marken kampagnen von Industrieunternehmen. Bei Wettbewerben wie dem BoB oder dem gwa-Profi muss man schon ordentlich gut sein, um sich gegen die mittlerweile starke Konkurrenz erfolgreich durchzusetzen.
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Ich habe einmal nachgezählt: Von den knapp 40 ganzseitigen Anzeigen im letzten spiegel waren 18 von B-to-B-Unternehmen. Das ist übrigens gar nichts verglichen mit Schweden. Hier kommen inzwischen drei von fünf Anzeigen aus dem Bereich der Investitionsgüterindustrie, der Chemie oder dem Maschinenbau. Hier wirbt ganz selbstverständlich saab in ganzseitigen tz-Anzeigen. Nein, nicht für seine Autos. Für seinen Kampfjet »Gripen«. Ich habe bei saab einmal nachgefragt, warum sie das machen. »Weil unsere Mitarbeiter stolz sein sollen auf das, was sie hier am Standort Linköping produzieren. Und weil wir unsere Mitbewerber neidisch machen wollen«, war die Antwort.
Auch in den usa, in Australien, Südafrika, Japan oder Südkorea hat B-to-B inzwischen mit B-to-C in der medialen Präsenz gleichgezogen. Und lustigerweise finden wir hier Markenkommunikation vieler Niederlassungen von Unternehmen aus »The German Mittelstand«. Von Unternehmen, die sich das in Deutschland nicht vorstellen können.
Aber warum sind wir in Deutschland noch nicht auf Schweden-Niveau? Eines der Probleme: Oft gibt es in B-to-B-Unternehmen eine Abteilung Global Marketing oder Corporate Communications. Also eine Abteilung, die sich eigentlich um den Markenaufbau kümmern sollte. Eigentlich. Gäbe es da nicht oft die diversen Fachabteilungen. Die Chefs dieser Abteilungen bestimmen oft über das Geld, das ausgegeben wird. Und sie haben oft eine eigene kleine Marketingabteilung und diese arbeitet oft mit ihrer eigenen kleinen Spezialagentur zusammen. Der Chef von Corporate Communications ist quasi oft ein »König ohne Land«.
Oft keine wirkliche Markenkommunikation
Folge: In diesen Unternehmen gibt es zwar ein einigermaßen durchgängiges Corporate Design. Aber oft keine wirkliche Markenkommunikation. Dafür viele bunte, unterschiedlich getextete Produktanzeigen, Broschüren, Geschäftsberichte, Messeauftritte und Vertriebsunterstützungspakete. Für jedes Produkt etwas anders. Für jede Zielbranche etwas anders. Für jedes Land etwas anders. In jedem Jahr etwas anders. Sie müssen sich nur einmal vorne am Besucherempfang das Regal mit den Broschüren angucken. Oder auf der Messe das Fach mit den Prospekten. Dann verstehen Sie, was ich meine.
Nehmen wir ein anderes Beispiel. Ein B-to-B-Beispiel.
3M. 50.000 Produkte. 25.000 Patente. 8.000 Forscher. Wikipedia sagt:
»3M steht für Minnesota Mining and Manufacturing und ist ein weltweit agierender Multi-Technologiekonzern mit Hauptsitz in St. Paul/Minnesota in den Vereinigten Staaten. Das Unternehmen stellt u. a. Klebeprodukte her.«
Sehen Sie, solange Wikipedia noch solche Zusammenfassungen von sich gibt, müssen wir uns als Kommunikationsfachleute keine Sorgen machen. Die Story hinter 3M in einem Satz:
3M erfindet stets die Dinge, die wir Menschen in unserem Umfeld dringend benötigen.
Mit dieser Deskriptorzeile schaffen wir es, das Unternehmen 3M und seine Bedeutung auf einen Nenner zu bringen. Und die Kommunikation damit für 1.000 Geschichten vom Erfinden zu öffnen.
Ich habe gerade bewusst oft »oft« geschrieben. Nicht »meistens«. Denn immer mehr B-to-B-Unternehmen erkennen die Zeichen der Zeit. Und deshalb gehen wir einmal davon aus, dass meine eingangs erzählte Geschichte beim Vorstand auf offene Ohren trifft.
Meistens passiert das übrigens, wenn Vorstände von B-to-B-Unternehmen über die Vertriebsunterstützung bei Neukundengesprächen nachdenken. Nachdenken müssen. Denn der Vertrieb ist von der Akquisetour zurückgekommen. Und hat ihm berichtet, dass er beim Kunden mal wieder bei null anfangen musste. Dass er fast eine halbe Stunde erzählen musste, worin sich das Unternehmen unterscheidet, warum die Produkte nicht nur entscheidend besser, sondern auch entscheidend teurer sind.
Der Anfang zu einer spektakulären und damit erfolgreichen B-to-B-Kommunikation
Und vielleicht haben Sie noch mehr Glück und der Vorstand hat schon einmal etwas von Storytelling gehört. »Wissen Sie, Herr Reins, ich hätte auf unserer Internetseite und in unseren Broschüren und in unseren Präsentationen gerne den einen Satz, der beschreibt, was uns ausmacht, was uns unterscheidet, warum wir besser sind. So wie Twitter das macht: Verbinde Dich mit Deinen Freunden – und anderen faszinierenden Leuten. Erhalte sofortige Updates zu Dingen, die Dich interessieren. Sieh dabei zu, wie sich Ereignisse entwickeln, in Echtzeit und aus jedem Blickwinkel. So etwas hätte ich auch gerne. Für unsere Industriesteckverbinder.« Das ist der Anfang. Der Anfang zur Markenkommunikation. Der Anfang zu einer spektakulären und damit erfolgreichen B-to-B-Kommunikation. Der Anfang von großartigen Geschichten über erstaunlich großartige Produkte.
Die Story beginnt. Um sie zu schreiben, beginnen Sie mit allen im Unternehmen eine spannende Reise.
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