Zwei Lehren aus dem Krypto-Winter

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Es herrscht „Krypto-Winter“. Nach dem Hype und viel verbranntem Geld finden sich Kryptowährungen wie Bitcoin auf Talfahrt. Was ein Großinvestor jetzt rät.

Von Michael Raumann

Die Angst davor, dass die Zeit zu schnell vergeht, nennen Wissenschaftler Chronophobie. Weit verbreiteter in der allgemeinen Umgangssprache ist das Akronym FOMO – fear of missing out something. Der Finanzzweig, der von dieser Phobie oder „Fear“ in den letzten Jahren am meisten betroffen war, ist wohl der der kryptografischen Währungen. Obgleich Währung ein falscher oder zumindest zu kurz greifender Begriff ist.

Satoshi Nakamoto, Wei Dai, Vitalik Buterin und die anderen weniger bekannten Pioniere unserer Branche hatten etwas gänzlich anderes im Kopf, als etwa lichtscheue Gestalten über Nacht zu Multimillionären zu machen. So lustig die Geschichten von angeblich bestellten Pizzen auch sein mögen, die im heutigen Gegenwert sieben Millionen Euro wert wären und die vermeintlich jeder Zweite in der Frühphase bestellt haben will, so sehr haben genau solche blödsinnigen Narrative dem ganzen Blockchain-Projekt einen falschen Drive gegeben.

Befreiung der Massen

Es ging den Pionieren nie, darum ein paar tausend Nerds steinreich werden zu lassen, es ging immer nur darum, Milliarden von Menschen zu befreien. Zu befreien, von den korrupten Ausgabestellen von Fiatgeld, einem Geldsystem also, ohne inneren Wert und in vielen Teilen der Welt ohne demokratische Kontrolle. Es ging darum, ein Ökosystem zu errichten, dass auf voller Transparenz basiert und dadurch unkorrumpierbar ist. 

Auch die späteren Erweiterungen, wie etwa der ERC20 Standard, auf dem Ethereum aufgebaut ist, oder auch das Ökosystem hinter den dezentralen Avalanche Subnets – all das sind großartige Innovationen, die nur mit Blockchain-Technologie vorstellbar sind.

„Die Erfolgsgrundlage vieler unseriösen Anbieter: Gier frisst Hirn!“

Die Möglichkeit, auch bei komplexen Vertragswerken auf einen Intermediär wie etwa einem Notar verzichten zu können, ist eine weltverändernde und revolutionäre Idee, die so nur alle hundert Jahre entsteht.

Schein und Sein

Umso tragischer ist die hohe Anzahl von Akteuren, die sich mit betrügerischen oder mindestens schlechten Absichten ans Werk gemacht haben, um in der Frühphase, während des Hypes, Mitmenschen um ihr Vermögen zu bringen (ich sag nur: OneCoin).

Unerfahrene und zugleich gierige Neueinsteiger tummeln sich verstärkt auf Plattformen im Banken- und Casinolook. Plattformanbieter also, die mit dem Ziel antreten, den bereits gierigen User das Blaue vom Himmel zu versprechen. Die Angebote umfassen zigfache Hebelprodukte. „Pre ICOs“, „Lendings“, „Farmings“, „Earnings“ heißen sie, oft kombiniert mit „Levelupgrades“, „Cashbacks“ auf der Kreditkarte, Rabatte bei den Transaktionsgebühren oder dem Anheben auf „VIP Level“. Dazu kommen oft hauseigene Valuta ohne irgendeinen Nutzen oder Funktion. Oft ist unklar, wie viele Token produziert und nachproduziert werden, beziehungsweise verbrannt werden. Meist sind es auch Token mit absichtlich undurchsichtigen Algorithmen. Die Erfolgsgrundlage vieler unseriösen Anbieter: Gier frisst Hirn!

Die jüngste Pleite von FTX und der hinterlassene, galaktisch große Scherbenhaufen sind nur ein Beispiel.

Daraus kann es meines Erachtens nur zwei Lehren geben.

Nummer 1: Gerade für nicht so erfahrene Markteilnehmer wird es immer wichtiger zu erlernen, die Kryptos in selbstverwalteten Ledgern zu halten. Merke: Not your keys = not your Coins! 

Hodlen, hodlen, hodlen

Es ist wahr: Wir erleben gerade den Krypto-Winter und – um in diesem Bild zu bleiben – ich weiß, Stand heute, nicht einmal, ob wir die Tiefsttemperaturen schon erreicht haben oder gar noch schockgefrostet werden.

Aber eines weiß ich sehr wohl, und das ist meine Lehre Nummer 2: „Halten“ („hodlen“) hat sich für mich immer gelohnt. Spekulieren im übrigen, auch für mich, nur in ganz seltenen Fällen. Hier gilt die alte Aktien-Weisheit von André Kostolany: „Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabletten“. Auch ich bin hier und da dem vermeindlichen Schein erlegen, es besser zu wissen (wenn auch in einem sehr begrenzten Rahmen), und letztendlich hatte ich damit nie Erfolg. Heute blicke ich auf eine lang währende und erfolgreiche Krypto-Karriere zurück und weiß: konservatives Halten hat mich wohlhabend gemacht.

Hodlen, hodlen, hodlen ist daher meine Devise für den Krypto-Winter.     

Mehr zum Thema:

Dr. Michael Raumann ist ist ein sogenannter „Whale“ – ein Bitcoin-Investor in sehr großem Umfang, der bereits zu Anfangszeiten stark in die neue digitale Währung investierte. 

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