Warum Microsoft weltweit die meisten Kohlenstoffgutschriften aufkauft

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70 Prozent – diesen Anteil an den bislang überhaupt weltweit abgeschlossenen Kohlenstoffgutschriften aus Entfernungstechnologien hat Microsoft aufkauft. Was steckt dahinter?

Von Lucas Zaehringer

Das Ranking der CDR-Käufer zeichnet ein klares Bild: Microsofts Führungsrolle in diesem Bereich zeigt sich in seinen ehrgeizigen Klimazielen, einer aggressiven CDR (Kohlendioxid-Entfernung)-Einkaufsstrategie und dem Bestreben, durch Innovation eine nachhaltigere Zukunft zu schaffen.

Im Jahr 2024 machte Microsoft allein 5,1 Millionen Tonnen oder 63 Prozent des gesamten in diesem Jahr gekauften Volumens aus. Im Jahr 2025 setzt sich dieser Trend fort: Microsoft hat 7 Millionen credits über einen beeindruckenden Zeitraum von 25 Jahren vom Projektentwickler Chestnut Carbon vertraglich gesichert, der im Süden der USA Aufforstungs- und Wiederaufforstungsprojekte durchführt.

Was ist der Hintergrund dieser Strategie und welche Lektionen kann sie anderen Unternehmen bieten, die ihre Klimaauswirkungen verringern möchten?

Microsofts Klimaverpflichtungen

Microsoft hat sich in der Vergangenheit ehrgeizige Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Im Jahr 2020 kündigte das Unternehmen an, bis 2030 kohlenstoffnegativ zu werden – das bedeutet, mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu entfernen, als es über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg ausstößt: „Während die Welt Netto-Null erreichen muss, sollten diejenigen von uns, die es sich leisten können, schneller und weiter zu gehen, dies auch tun“, ließ das Unternehmen verlautbaren.

Die größten CDR-Käufer weltweit (Quelle: CDR.fyi)

Mehr noch: Über das Ziel für 2030 hinaus hat sich Microsoft außerdem verpflichtet, bis 2050 alle historischen CO₂-Emissionen seit der Unternehmensgründung im Jahr 1975 auszugleichen. Aktuelle Berichte zeigen jedoch, dass die Emissionen von Microsoft nun 30 Prozent über dem Basiswert von 2020 liegen – unter anderem aufgrund der langsamen Einbindung von Lieferanten und der Expansion energieintensiver Rechenzentren, die teilweise durch den Einsatz von KI verursacht wird. Darüber hinaus kündigte das Unternehmen Anfang Januar an, in diesem Jahr 80 Milliarden US-Dollar in den Bau neuer Rechenzentren zu investieren, die für ihren hohen Energieverbrauch bekannt sind.

Im März und April 2025 ging der Technologieriese entsprechend weitere CDR-Vereinbarungen ein:

  • 3,7 Millionen Tonnen CO2 aus der CO2-Abscheidung von Emissionen amerikanischer Papierfabriken mit CO280
  • 12.000 Tonnen CO2 von Terradot, das Projekte zur verbesserten Gesteinsverwitterung in Brasilien entwickelt
  • 44.000 Tonnen CO2 aus der in Minneapolis hergestellten Biokohle Carba, die durch eine Kombination aus Pyrolyse und Biomassevergrabung gewonnen wird
  • 1,5 Millionen Tonnen CO2 von Climate Impact Partner aus Wiederaufforstungsprojekten in Indien
  • 6,75 Millionen Tonnen CO2 von Fidelis über das Portfoliounternehmen AtmosClear für BECCS-Gutschriften (Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Sequestrierung).

Eine mutige Einkaufsstrategie für Kohlenstoffgutschriften

Um den steigenden Emissionen entgegenzuwirken, hat Microsoft die Kohlendioxid-Entfernung (CDR) zu einem zentralen Pfeiler seiner Klimastrategie gemacht und 2021 ein spezielles Programm gestartet. Diese Art von Kohlenstoffgutschriften stammt aus Projekten, die Kohlenstoff mit verschiedenen naturbasierten oder technischen Lösungen aus der Atmosphäre entfernen, wie etwa durch Biokohle-Entfernung, Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung (BECCS) oder Direct Air Capture (DAC). In den ersten drei Jahren des Programms hat Microsoft über 7 Millionen Tonnen CO₂ vertraglich gesichert und die daraus gewonnenen Erkenntnisse in drei Whitepapers aus den Geschäftsjahren 2021, 2020, und 2023 öffentlich geteilt. Neben dem Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien und der Optimierung des Energieverbrauchs hat Microsoft erheblich in CDR-Technologien investiert, um die verbleibenden Emissionen zu kompensieren.

“Technologieunternehmen haben ihre Plattform-Geschäftsmodelle darauf aufgebaut, Werte zu sichern und Kosten an Kunden weiterzugeben. Das könnte auch bei Umweltvermögenswerten der Fall sein.”

Microsofts Entfernungsprogramm: Interessante Projekte

Microsofts Einkaufsstrategie für Kohlendioxid-Entfernung (CDR) basiert auf einer Kombination aus großen, langfristigen Verträgen und kleineren Käufen, die darauf abzielen, neue („First-Of-A-Kind“ oder FOAK) und weniger erprobte Technologien zu testen. Dies unterstreicht die Rolle des Unternehmens als Katalysator für Klima-Innovationen. Die langfristigen Verträge laufen oft über zehn Jahre oder mehr. Beispiele hierfür sind Microsofts BECCS (Bioenergy with Carbon Capture and Storage)-Vereinbarungen mit Stockholm Exergi (3,33 Millionen Tonnen) und Ørsted (2,67 Millionen Tonnen initial plus 1 Million Tonnen Erweiterung). Die CDR-Strategie von Microsoft verfolgt nicht nur das Ziel, die eigenen Emissionsziele zu erreichen, sondern auch die Skalierung der gesamten CDR-Industrie voranzutreiben. In diesem Zusammenhang setzt Microsoft auf eine Strategie, die sowohl Breite als auch Tiefe abdeckt:

  • Breite: Microsoft arbeitet mit 22 verschiedenen Anbietern zusammen und rangiert damit knapp hinter den Frontier Buyers (38 Anbieter), Shopify (35) und Milkywire/WRLD Foundation/Klarna (27).
  • Tiefe: Microsoft hat die vier größten CDR-Käufe nach Volumen abgeschlossen und sicherte sich fünf der sechs größten Deals insgesamt. Zudem ist Microsoft der größte Käufer in den drei bisher volumenstärksten CDR-Methoden: Bioenergie mit Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (BECCS), Direct Air Capture und Speicherung (DACCS), Biokohle-Kohlenstoffentfernung (BCR)

Dies zeigt, dass Microsoft seine CDR-Investitionen über verschiedene Methoden diversifiziert hat. Durch die Verteilung der Investitionen auf unterschiedliche Technologien minimiert Microsoft Risiken in seinem Portfolio und unterstützt gleichzeitig die Skalierung einer Vielzahl von Lösungsansätzen.

“Werden wir wohl bald mehr integrierte CO₂-Ausgleichsangebote sehen, bei denen Finanztransaktionen automatisch per Klick durch CDR kompensiert werden”

Innovation des Marktes und Gestaltung von Standards

Neben seinen umfangreichen Einkaufsaktivitäten von Kohlenstoffgutschriften konzentriert sich Microsoft darauf, Innovationen zu fördern und die Zukunft des CDR-Marktes aktiv mitzugestalten. Das Unternehmen setzt sich stark für die Entwicklung robuster Standards und Richtlinien ein, die die Weiterentwicklung und Umsetzung von CDR-Technologien lenken sollen. Durch die Zusammenarbeit mit anderen Technologieunternehmen, Regierungen und Nichtregierungsorganisationen arbeitet Microsoft intensiv daran, klare Messgrößen für die Wirksamkeit von CDR-Projekten zu etablieren. Dabei wird sichergestellt, dass diese Projekte hohen Standards in Bezug auf Dauerhaftigkeit der Kohlenstoffentfernung, Zusätzlichkeit und Überprüfbarkeit entsprechen.

Die Herausforderungen bei der Skalierung von CDR

Trotz seiner Führungsrolle steht Microsoft vor Herausforderungen beim Ausbau des Marktes für Kohlendioxid-Entfernung. Während die Nachfrage nach Kohlenstoffgutschriften wächst, bleiben viele Technologien teuer und bislang nicht in großem Maßstab erprobt. Microsoft setzt bewusst auf diese Technologien – ein mutiger Schritt, der jedoch auch Risiken birgt.

Lucas Zaehringer ist CEO des Klima-Tech-Unternehmens Planet2050

Schätzungen von IETA und AlliedOffsets zufolge haben weniger als 10 Prozent aller Unternehmen mit Netto-Null-Zielen bisher in CDR investiert – obwohl letztlich alle ihre Restemissionen ausgleichen müssen. Was bedeutet das? Im Grunde handelt es sich um einen Terminmarkt: Unternehmen, die heute den CDR-Markt verstehen und in Abnahmeverträge investieren, könnten sich als Schlüsselakteure der Zukunft positionieren. Technologieunternehmen haben ihre Plattform-Geschäftsmodelle darauf aufgebaut, Werte zu sichern und Kosten an Kunden weiterzugeben. Das könnte auch bei Umweltvermögenswerten der Fall sein. Deshalb setzen Zahlungsdienstleister wie Stripe oder große Tech-Unternehmen wie Microsoft, Meta, Salesforce und Workday stark auf Kohlenstoffgutschriften, insbesondere auf CDR.

Microsoft´s Umwelt-Kreditservice

Interessanterweise bietet Microsoft bereits auf seiner Lernplattform „Microsoft Cloud for Sustainability“ detaillierte Anleitungen dazu, wie Umweltgutschriften verwaltet, ausgegeben, gehandelt, und stillgelegt werden können. Mit dem Fortschritt bei der unternehmerischen CO₂-Buchhaltung, verbesserten Berichtssystemen und besserer Datenintegration werden wir wohl bald mehr integrierte CO₂-Ausgleichsangebote sehen, bei denen Finanztransaktionen automatisch per Klick durch CDR kompensiert werden können. Beispiel: Wenn man in Zukunft 1 Kilo grünen Stahl kauft, kann der verbleibende CO₂-Fußabdruck vollständig durch in den Produktkauf integrierte CDR neutralisiert werden, ohne dass man selbst CDR beschaffen muss. Es ist gut vorstellbar, dass Technologieunternehmen wie Microsoft die digitale Infrastruktur dafür aufbauen könnten.

Wichtige Erkenntnisse für andere Unternehmen

Microsofts Erfahrung im CDR-Markt liefert wertvolle Lektionen für Unternehmen, die ihre Klimaauswirkungen reduzieren möchten:

  • Durch Investitionen in eine Vielzahl von Technologien zur Kohlendioxid-Entfernung können Unternehmen ihr CDR-Portfolio absichern. Es lohnt sich, sowohl bewährte als auch aufstrebende Technologien zu erforschen und in verschiedene Lösungsansätze zu investieren.
  • Langfristige Abnahmeverträge bieten CDR-Anbietern Planungssicherheit, um ihre Kapazitäten zu erweitern. Unternehmen können so neue Industrien fördern und die Nachfrage nach CDR-Lösungen gezielt ankurbeln.
  • Die Veröffentlichung von Erkenntnissen und die Zusammenarbeit bei Standards tragen dazu bei, Klarheit und Vertrauen in den CDR-Sektor zu schaffen. Unternehmen sollten proaktiv Daten teilen und sich an der Entwicklung von Rahmenbedingungen für CDR-Technologien beteiligen.
  • Durch Allianzen von CDR-Käufern kann mehr Kapital mobilisiert werden, wodurch der Markt schneller wächst. Gemeinsame Investitionen verringern Risiken, schaffen Vertrauen und helfen, die Finanzierung für CDR-Projekte zu skalieren.
  • Unternehmen, die heute in CDR investieren, sichern sich langfristig Wettbewerbsvorteile. Da regulatorische Anforderungen in Zukunft weiter verschärft werden, könnten Unternehmen mit einer klaren CDR-Strategie besser auf künftige Nachhaltigkeitsvorgaben vorbereitet sein.

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Lucas Zaehringer ist CEO des Klima-Tech-Unternehmens Planet2050, das hochwertige CO2-Projekte fördert und finanziert. Zuvor leitete er komplexe Projekte in den Bereichen erneuerbarer Energie, Chemikalien und CO2-Bilanzen und arbeitete insbesondere an Blockchain-basierten Rückverfolgbarkeitslösungen. Er ist außerdem Berater des Carbon Standards Biocarbon und Gründer des Netzwerks PositiveBlockchain. Lucas Zaheringer auf LinkedIn.

Bild oben: Microsoft Präsident Brad Smith, Chief Financial Officer Amy Hood und CEO Satya Nadella im Januar 2020 bei der Verkündung des Plans, dass das Unternehmen bis 20230 CO2-negativ sein wird (Bild: Microsoft / Brian Smale)

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