Nadine Kammerlander

Die sechs Erfolgsfaktoren des Mittelstands

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Der deutsche Mittelstand steht im Jahr 2018 wirtschaftlich erstaunlich gut da. Das ist nicht selbstverständlich, denn mittelständische Unternehmen haben mit einigen Beschränkungen zu kämpfen. Von Prof. Dr. Nadine Kammerlander

Ein mittelständisches Unternehmen kann nicht einfach wie der US-Konzern Google in mehrere Dutzend Start-Ups investieren in der Hoffnung, dass eines von diesen erfolgreich wird. Stattdessen zwingen Beschränkungen in den Ressourcen, seien es finanzieller oder personeller Art, die Unternehmen dazu, sparsam mit ihren Investitionen umzugehen.

Erfolgsfaktoren des Mittelstands

Wie mittelständische Unternehmen es dennoch schaffen, erfolgreich und innovativ zu sein, haben wir unlängst in einer Studie untersucht. Dabei ein Modell aus sechs Eigenschaften, die den Innovationserfolg deutscher Mittelständler definieren:

1. Nischenfokus und Zusammenarbeit mit Kunden

Wer wenige Ressourcen zur Verfügung hat, muss sich genau überlegen, wie diese eingesetzt werden. Aus diesem Grund wählen viele der deutschen „Hidden Champions“ eine Nischenstrategie. Ein Fokus auf ein ganz bestimmtes Produkt bzw. eine ganz bestimmte Technologie erlaubt es, innovativ führend zu sein, auch wenn die einzusetzenden Ressourcen limitiert sind. Die Kundennähe, die oft insbesondere in familiengeführten Mittelstands-Unternehmen zu beobachten ist, kann die Ressourcenknappheit ebenfalls abfedern. So zeigen sich deutsche Hidden Champions oft als Meister der Kundenkommunikation und binden ihre Kunden aktiv in die Innovationsprozesse mit ein. Aber auch Zulieferer und weitere Partner sind oft Quellen neuer Ideen. Als Beispiel sei hier ein Schweizer KMU genannt, das jährlich einen Innovationswettbewerb unter den Zulieferern veranstaltet. Die Kosten halten sich in Grenzen – Ausgaben für ein gemeinsames Abendessen sowie ein Zertifikat –, der Nutzen ist für beide Seiten enorm.

 

2. Globalisierungsstrategie

Wer sich auf ein Produkt bzw. eine Nische beschränkt, ist im Wachstum natürlich limitiert. Viele der Hidden Champions umgehen das Problem durch eine konsequente Internationalisierungsstrategie, die in vielen Fällen letztendlich zu einer Marktführerschaft führte. Dabei beobachten wir, dass Familienunternehmen oft auch im Ausland die Kontrolle nicht abgeben wollen. Statt Kooperationen und Joint Ventures wählen sie oft eigene Niederlassungen. Während diese das Wachstumspotential beschränken, passt die vollständige Kontrolle zu den Zielen der Eigentümer.

Die hier genannten Inhalte sind das Ergebnis einer Studie von Professorin Dr. Nadine Kammerlander gemeinsam mit Prof. Dr. Alfredo de Massis, Prof. Dr. Lorraine Uhlaner und Prof. Dr. David Audretsch, die kürzlich im Journal of Product Innovation Management veröffentlicht wurde.
Weitere Informationen zur Studie erhalten Sie über die folgenden Links:
– Volltext der Studie: https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1111/jpim.12373
– Video: https://www.youtube.com/watch?v=dz8QFl_AX8I

3. Präferenz für Eigenfinanzierung

Viele mittelständische Familienunternehmen sind durch eine Familie geprägt, die entweder als aktive Eigentümer oder aber als Geschäftsführer im Unternehmen tätig sind. Was diesen gemein ist, ist eine Präferenz für Selbstfinanzierung. Während diese Präferenz im ersten Schritt die Ressourcen einschränkt und damit die möglichen Wachstumschancen beeinträchtigt, so gewährt sie auf den zweiten Blick viel Freiheit. Zahlreiche strategische und innovative Entscheidungen wären für mittelständische Unternehmen so nicht möglich, wenn sie die „Erlaubnis“ externer Geldgeber einholen müssten.

 

4. Langfristige Ausrichtung

Eines der wichtigsten Unterscheidungsmerkmale vor allem familiengeführter Mittelständler ist ihre langfristige Ausrichtung. Familienunternehmen denken oft nicht in Jahresscheiben, sondern in Dekaden. Insbesondere in Kombination mit der Präferenz für Eigenfinanzierung führt das zu einem sogenannten „geduldigen Kapital“. Geduldiges Kapital kann sehr hilfreich sein. Vor allem, wenn neue Technologien aufkommen, brauchen diese oft lange, bis sie sich durchsetzen. Insofern können vorsichtige, aber langfristig ausgelegte Investitionen und Innovationsressourcen den Mittelständlern helfen, auch in Zukunft in ihren Märkten erfolgreich zu sein.

 

5. Vertrauensvolle Mitarbeiter-Beziehungen

In einer Zeit, in der Trends immer kurzlebiger werden und der Fachkräftemangel immer mehr sichtbar wird, sind vertrauensvolle Mitarbeiterbeziehungen ein wichtiger Baustein für erfolgreiche Unternehmen generell und Mittelständler im Speziellen. Die erfolgreichen mittelständischen Unternehmen schaffen es dabei interne Karrierechancen aufzuzeigen und eine Work-Life-Balance bzw. Arbeitsplatzflexibilität zu ermöglichen, die es schafft, gute Mitarbeiter auch in ländliche Bereiche zu locken. Während mittelständische Unternehmen in den letzten Jahren und Jahrzehnten erfolgreich in ihrer Mitarbeiterbindung waren, bleibt abzuwarten, wie sich dieser Trend in den nächsten Jahren fortsetzt.

 

6. Einbindung in die Region

Erfolgreiche Mitarbeiter sind meist auch in ihrer Region gut sichtbar: Sie unterstützen Sportvereine und Kindergärten. Sie sind erster Ansprechpartner für Ausbildungsplätze. Und sie halten gute Geschäftsbeziehungen zum Beispiel zu den lokalen Hausbanken. Kurz, sie sind aus der Region nicht wegzudenken. Auch wenn „uns“ das als ganz natürlich erscheinen mag, so ist diese regionale Verbundenheit etwas, das in anderen Ländern, in denen der Mittelstand weniger erfolgreich ist, oft nicht existiert. Man darf daher annehmen, dass die mittelständischen Unternehmen nicht nur in die Region investieren, sondern dass die Region im Gegenzug auch etwas zurückgibt, das die Innovationskraft und den Erfolg der Unternehmen stärkt.

Reicht die Innovationskraft in Zeiten der Digitalisierung?

Das Zusammenspiel dieser sechs Charakteristika zeichnet den deutschen Mittelstand aus; nicht nur gegenüber Unternehmen anderer Größenklassen, sondern auch gegenüber dem Mittelstand anderer Länder, die bspw. nicht von einem dualen Ausbildungssystem profitieren können.

Trotz allem Optimismus bleibt jedoch die Frage, ob die Innovationskraft des deutschen Mittelstandes ausreichen wird, um die wesentlichen Trends der Digitalisierung und Globalisierung zu überstehen. Diese stellen ganz neue Anforderungen an mittelständische Unternehmen, unter anderem in Bezug auf das generelle Innovationsverhalten, das Risikomanagement und die Frage nach möglichen weiteren Investoren. Glücklicherweise zeichnen sich bereits erfolgsversprechende Lösungsmöglichkeiten wie die des „Family Venturing“ oder aber die Kooperationen zwischen Mittelstand und Start-Ups ab. Diese werden am Freitag, den 12. Oktober 2018, am Campus for Family Business in Vallendar von Unternehmern und Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutiert: www.campus-for-family-business.com

Professorin Dr. Nadine Kammerlander ist Leiterin des Instituts für Familienunternehmen an der WHU – Otto Beisheim School of Management.

 

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