
Neue EU-Richtlinie kommt: Einfache Sprache für Unternehmen – einfach erklärt
Es gibt eine Regel des großen Wolf Schneider zur geschriebenen Kommunikation, die lautet: „Einer muss sich quälen: der Autor oder der Leser.“ Die EU hat entschieden, dass das Quälen nicht auf Seiten der Leserschaft stattfinden darf. Ab dem 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft.
von Christian Daul
Das BFSG basiert auf der EU-Richtlinie 2019/882, dem European Accessibility Act (EAA). Dieses Gesetz verpflichtet sowohl öffentliche als auch private Anbieter, ihre Produkte und Dienstleistungen barrierefrei zu gestalten. Ein zentraler Aspekt dieser Barrierefreiheit ist die gute Verständlichkeit der bereitgestellten Informationen.
Ergänzend dazu wurden Normen für Einfache Sprache entwickelt, die als Orientierungshilfe dienen können. Die DIN ISO 24495-1:2024-03 vermittelt Grundsätze und Leitlinien für die Erstellung verständlicher Texte. Ergänzend dazu konkretisiert die DIN 8581-1:2024-05 diese Empfehlungen speziell für die deutsche Sprache. Wie bei vielen Normen geht es vor allem darum, sie auf die konkrete Anwendungsebene zu bringen.
Dies bedeutet, dass Unternehmen ihre Kommunikation insbesondere in allen digitalen Formen entsprechend anpassen müssen, um den gesetzlichen Anforderungen zu entsprechen.
Was heißt das für die Praxis?
Soweit zu den rechtlichen und formalen Vorgaben. Was heißt das aber nun für die Praxis in Unternehmen? Und das eben bitte in möglichst einfacher Sprache (die der Gesetzgeber selbst bei der Umsetzung der Vorschriften übrigens sträflich missachtet hat).
Einfache Sprache bedeutet, Informationen so zu vermitteln, dass sie für möglichst viele Menschen verständlich sind. Dies geht weit über die Verwendung kurzer Sätze und bekannter Wörter hinaus. Es handelt sich um ein durchdachtes Kommunikationskonzept, das Barrieren abbaut und Zugänglichkeit sicherstellt.
Ein Beispiel anhand der Cookie-Warnung Deutsche Sparkassen soll das kurz illustrieren:
Original:
“Wir, als Ihre Sparkasse, verwenden Cookies, die unbedingt erforderlich sind, um Ihnen unsere Website zur Verfügung zu stellen.”
In Einfacher Sprache könnte dies lauten:
“Diese Webseite Ihrer Sparkasse verwendet Cookies. Das sind kleine Dateien, die auf Ihrem Rechner gespeichert werden. Sie sind für den Betrieb dieser Webseite notwendig.”
In der externen Kommunikation ermöglicht Einfache Sprache Unternehmen, breitere Zielgruppen zu erreichen. Produktbeschreibungen, Web-Texte, Marketingmaterialien und Kundeninformationen werden zugänglicher für Menschen mit unterschiedlichen Bildungshintergründen, Sprachkenntnissen oder kognitiven Fähigkeiten. Dies ist nicht nur sozial verantwortungsvoll, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll: Verständliche Kommunikation führt zu höherer Kundenzufriedenheit, weniger Rückfragen und damit Servicekosten und kann Kaufentscheidungen positiv beeinflussen.

Unabhängig von den EU-rechtlichen Vorgaben fordern auch Verbraucherschutzverbände und die Unterstützer der Inklusion zunehmend transparente und verständliche Kommunikation. Einfache Sprache hilft Unternehmen, diese Anforderungen zu erfüllen und rechtliche Risiken zu minimieren. Dies gilt besonders für AGBs, Verträge und Produktinformationen oder Anleitungen.
Viele positive Effekte
Die digitale Transformation verstärkt die Bedeutung der Einfachen Sprache zusätzlich. Websites, Apps und digitale Services müssen für alle Nutzer verständlich sein. Eine klare, einfache Sprache verbessert die Nutzererfahrung (Stichwort UX/CX) und kann sich positiv auf Suchmaschinenoptimierung auswirken, da sie oft natürlicher Suchsprache entspricht.
Auch für das Employer Branding spielt Einfache Sprache eine wichtige Rolle. Stellenausschreibungen und Karrierewebseiten in verständlicher Sprache machen das Unternehmen für potenzielle Bewerber zugänglicher und attraktiver. Dies ist besonders wichtig in Zeiten des Fachkräftemangels und nicht durchgehend nativ deutschsprachiger Bewerber.
Für die interne Kommunikation ergeben sich durch Einfache Sprache mehrere positive Effekte. Mitarbeiter verstehen Arbeitsanweisungen, Richtlinien und Unternehmensinformationen schneller und besser. Dies führt in der Praxis zu weniger Missverständnissen, höherer Produktivität und einer gesteigerten Arbeitszufriedenheit. Besonders in multinationalen Unternehmen, wo nicht alle Mitarbeiter die Unternehmenssprache perfekt beherrschen, ist dies von unschätzbarem Wert. Ebenso in Unternehmen, in denen Teile der Belegschaft nicht deutschsprachiger Herkunft sind.
Umsetzung für Unternehmen bringt Herausforderungen mit sich
Die Zukunft der Unternehmenskommunikation liegt in der Verbindung von Professionalität und Verständlichkeit. Einfache Sprache ist dabei kein Zeichen von Vereinfachung oder mangelnder Komplexität, sondern von Kommunikationskompetenz und Kundenorientierung. Unternehmen, die dies erkennen und umsetzen, verschaffen sich einen wichtigen Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend komplexen Geschäftswelt. Diese Form der klaren und verständlichen Kommunikation ist mehr als nur eine rechtliche Notwendigkeit– sie wird ein strategischer Vorteil, der sowohl intern als auch extern erhebliche Mehrwerte bietet.
Trotz all dieser Vorteile der Einfachen Sprache bringt ihre Umsetzung für Unternehmen auch Herausforderungen mit sich.
- Der Aufwand der Anpassung
Die Erstellung von Texten in Einfacher Sprache erfordert Zeit und Fachwissen. Texte müssen nicht nur inhaltlich vereinfacht, sondern auch auf ihre Zielgruppe zugeschnitten werden. Dies kann zusätzliche Ressourcen binden, insbesondere wenn bestehende Inhalte überarbeitet werden müssen. - Qualitätskontrolle
Es ist nicht immer einfach zu beurteilen, ob ein Text tatsächlich alle Anforderungen der Einfachen Sprache erfüllt. Unternehmen benötigen Experten oder spezielle Software, um sicherzustellen, dass ihre Texte den Standards entsprechen. Dies kann gerade für kleinere Unternehmen eine finanzielle Hürde darstellen. - Gefahr der Übervereinfachung
Es besteht die Gefahr, dass Texte so stark vereinfacht werden, dass wichtige Informationen verloren gehen oder der Text unprofessionell wirkt. Dies kann insbesondere in den Kommunikations-Themen problematisch sein, in denen Fachwissen vorausgesetzt wird. - Akzeptanz innerhalb des Unternehmens
Nicht alle Mitarbeitenden stehen der Einfachen Sprache positiv gegenüber. Manche empfinden sie als unnötig oder als Einschränkung ihrer Ausdrucksfähigkeit oder individuellen Stilistik. Eine erfolgreiche Umsetzung erfordert daher Schulungen und Sensibilisierung.
Strategien für eine erfolgreiche Umsetzung
Deshalb sind für die Einführung der Einfachen Sprache in Unternehmen diese Schritte sinnvoll:
- Schulungen anbieten: Mitarbeitende sollten geschult werden, um Texte in Einfacher Sprache zu verfassen und den Nutzen dieser Kommunikationsform zu verstehen.
- Experten einbinden: Sprachwissenschaftler oder spezialisierte Agenturen können bei der Erstellung und Prüfung von Texten helfen.
- Software nutzen: Es gibt Tools, die Texte auf die Einhaltung der Regeln der Einfachen Sprache überprüfen und Verbesserungsvorschläge machen.
- Pilotprojekte starten: Um Erfahrungen zu sammeln, können Unternehmen die Einfache Sprache zunächst in einem begrenzten Bereich testen und sie dann mit mehr Verständnis und Übersicht auf weitere Felder übertragen.
Mit diesen Maßnahmen kann die Einführung ohne größere Probleme gelingen und ihren Vorteil für das Unternehmen voll entfalten. So wird aus einem rechtlichen Muss ein wirtschaftliches Plus.
DDW-Webinar: Einfache Sprache – einfach verständlich
Das DDW-Online-Webinar erklärt die wichtigsten Punkte der Einfachen Sprache. Und zeigt anhand praktischer Beispiele, was das für Unternehmenstexte bedeutet. Für das DDW-Leser-Webinar konnten wir der Hamburger Markenberatung REINSCLASSEN einen der renommiertesten Sprach-Spezialisten Deutschlands gewinnen. Es gibt zwei Terminoptionen für den Workshop: 25. März und 3. April 2025. Hier zur Anmeldung
- DDW-Webinar: Einfache Sprache
- Corporate Language: Wie Sprache den Unternehmenserfolg bestimmt
- Das bewegt die Industriekommunikation 2025
REINSCLASSEN ist seit 20 Jahren er führende Dienstleister für Sprache in Unternehmen. Die Markenberatung mit Sitz in Hamburg und Frankfurt am Main hat unter anderem das Model der „Corporate Language“ im deutschsprachigen Raum eingeführt und seither schon über 80 Unternehmen wie Vodafone, Siemens oder Postbank zu einer eigenen Sprache verholfen. Aber auch der Mittelstand profitiert von den Leistungen durch passende Tonalitätsprofile für den KI-Einsatz von textgenierenden Systemen und die enge Kooperation mit der KI-Software-Spezialisten Neuroflash.
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