Neues Leben im Lockdown: Wie wir Olivenbauern in der Toskana wurden

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Das Corona-Jahr und die zahlreichen Lockdowns haben wohl für einige die Lebensplanung durcheinander geworfen. Auch für uns: Wo früher das Reisen unser wesentlicher Lebensinhalt war, sind wir heute ziemlich angebunden. Wie also das Beste daraus machen? Wir haben uns einfach neu erfunden und sind Olivenbauern in der Toskana geworden.

Von Markus Schermann

Unsere „erzwungene“ Neubeschäftigung in einer Gegend, wo andere Urlaub machen, ist ein Privileg, keine Frage. Aber auch Anlass für einen kleinen Erlebnisbericht in Zeiten, in denen man für alles offen sein muss.

Eigentlich hat uns unser Fashionbusiness in die Toskana geführt, denn seit fast zwanzig Jahren arbeiten wir mit Webereien im Umland von Florenz und mit Ledermanufakturen rund um Santa Croce sull’Arno, der Wiege aller Luxusartikel, und bis heute eines der wichtigsten Zentren der Modeindustrie weltweit. Allein Gucci produziert hier immer noch mit 2.000 Mitarbeitern.

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Nachdem die Besuche immer häufiger wurden und unsere Liebe zur Toskana immer größer, kauften wir 2013 ein Haus in Montecatini-Terme. So kamen wir zu den ersten 80 Olivenbäumen, 2019 kamen weitere 320 hinzu. Diesen natürlichen Schatz darf man nicht ungenutzt lassen. Wir begannen also uns intensiv mit der Erzeugung von Olivenöl zu beschäftigen.

 

Val di Nievole. Unser Tal im Frühnebel.
Milla, die 77 jährige Vorbesitzerin unseres Olivenhains, hat Picknick für uns gemacht: Polenta mit Wildschweinragout

Bei uns muss alles Bio sein

Von Anfang an war für uns klar, dass wir ein absolut naturbelassenes Öl produzieren wollten. Glücklicherweise hatten bereits die hochbetagten Vorbesitzer weder gedüngt noch gespritzt, sondern Jahrzehnte alles „bio“ gemacht, ohne das damals schon jemand von ökologischem Landbau gesprochen hatte.

Wir ernten im November. Das ist relativ spät, doch die Olive braucht alles, was das Jahr zu bieten hat: Regen, Sonne, Sturm und die einsetzende Kälte des Herbstes, dann bekommt man das beste Öl. Gepresst wird in der Kooperative der Bauern von Montecatini Alto, mit modernster Technik, aber ohne Gewinnstreben.

Ein Cuvée aus drei Olivensorten

Das Ergebnis ist unser Olio Toscano Biologico non Filtrato – ein Cuvée aus den Olivensorten Frantoio, Moraiolo und Leccino. Es duftet nach grüner Mandel, frisch geschnittenem Gras und frischer Artischocke. Im Mund entfalten sich kräftige und dennoch elegante und ausgewogene Bitternoten, die zur lang anhaltenden pfeffrig-peperoncinoartigen Schärfe harmonieren. Das Öl passt wunderbar zu gerösteter Bruschetta mit einer Prise Meersalz, zum Salat, zu deftigen Pasta-Saucen oder über rotes Fleisch, sei es als Tatar, Carpaccio oder als Steak.

Aber Achtung: Beim Blattsalat keine Vinaigrette zubereiten, sondern mal ganz italienisch Öl, Essig, Pfeffer und Salz separat auf den Salat geben. So entfalten sich die einzelnen Aromen und das Olivenöl wird im Mund zur kleinen Geschmacksexplosion!

Zwischen Liebhaberei und Kostendeckung

Nach der Ernte müssen die Bäume ruhen, im Februar kommt dann der Frühjahrsschnitt, über das Jahr werden dann noch einige Male die Wassertriebe entfernt. So ist immer etwas zu tun.

Leider sind die Kosten über das Jahr und für die Ernte so hoch, dass einige Nachbarn ihre Oliven einfach an den Bäumen lassen. Das übliche Öl im Laden in Deutschland (Bio wie konventionell) kommt fast immer aus superintensivem Anbau von Oliven mit 1.500 Bäumen pro Hektar Land. Da kann zwar die Qualität nicht herausragend sein, aber nur so kann es im industriellen Maßstab betriebswirtschaftlich funktionieren.

Alle hingegen, die wie früher ihre Felder mit nicht mehr als 200 Bäumen pro Hektar Land bewirtschaften und dank modernster Ölmühlentechnologie bestes Olivenöl herstellen wollen, sind auf eine treue Fangemeinde angewiesen oder bauen sich „Brands“ auf und verkaufen dann für 40-50 Euro pro Liter.

Im November werden die Netze ausgelegt und die Oliven dann mit einem akkubetriebenen „Besen“ von den Ästen gestrichen

Für viele Bauern der Region ist es also ein kleines Zusatzgeschäft, und auch wir machen unser Olivenöl ohnehin für die Freude an der Beschäftigung mit der Natur und für die Qualität unseres eigenen Öls. Wir sind – ein kleiner Luxus, fürwahr – zufrieden, wenn die Erntekosten wieder „rein kommen“ und haben keine Gewinnerwartungen.

Vielmehr freuen wir uns, wenn auch der eine oder andere geneigte Leser Teil unserer treuen Fans werden und dieses tolle „Naturgeschenk“ genauso genießen möchte, wie wir. Dann sind die rund 300 Flaschen, die wir in der Saison 2020/2021 gemacht haben, in den besten Händen.

Alle, die Fans werden und unser Olivenöl kosten wollen:
Bitte eine Email an ciao@vicohouse.com senden
www.vicohouse.it

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