
Nur mit privatem Kapital wirken die 500 Milliarden Sondervermögen
Der Bundestag hat das Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für den Ausbau der Infrastruktur beschlossen. Ich bleibe skeptisch, ob dies der einzige Weg ist, um die Investitionen in öffentliche Infrastruktur zu erhöhen, aber es ist beschlossen.
Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch
500 Milliarden Euro, das klingt nach einer gigantischen Zahl, viele sehen das als Befreiungsschlag.
Die Wahrheit ist, auch diese Summe allein wird die Probleme nicht lösen. Schlimmer noch: Wenn wir sie einfach nur staatlich verausgaben, verlieren wir die nach wie vor wichtigste Chance, privates Kapital zu mobilisieren. Nur so kann man die Mittel vervielfachen und somit die Größe erreichen, um die erwarteten Lösungen zu bieten. Und nur so kann man die Projekte schneller und effizienter machen.
Die öffentlichen Milliarden können vervielfacht werden
Die Idee ist simpel: Der Staat tritt mit dem Geld als Anschieber auf, private Investoren vervielfachen – hebeln – die Wirkung. Das ist keine neue Idee. So funktioniert seit Jahren die Europäische Investitionsbank, die aus einem eingesetzten Euro mit Garantie zehn Euro Investitionen mobilisiert. Auch der sogenannte „Juncker-Plan“ der EU nach der Finanzkrise hat gezeigt, wie mit relativ kleinen öffentlichen Beträgen ein Vielfaches an privaten Investitionen ausgelöst werden kann.
Deutschland muss jetzt genau das Gleiche tun. Es müssen die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, um privates Kapital zu aktivieren. Das bedeutet, es müssen Fondsstrukturen geschaffen werden, bei denen das Sondervermögen als Ankerinvestor dient. Hier könnte die staatliche Entwicklungsbank KfW hilfreich sein, um solche Projekte zu initiieren. PPP-Modelle müssen wieder auf die Tagesordnung und dort ansetzen, wo Nutzer über Gebühren die Investition dauerhaft bezahlen. Das gilt für die Energienetze, die Datennetze, die Bahntrassen und – durch die LKW-Maut in einem gewissen Umfang – auch für die Fernstraßen. Garantien und regulierte Renditen können privates Kapital anziehen. Damit können aus einer Million Euro schnell drei Millionen werden.
Mit der Autobahn GmbH hat der Bund bereits eine übergeordnete staatliche Infrastrukturgesellschaft geschaffen, welche die Finanzierung sowie den Bau und Betrieb der Bundesfernstraßen verantwortet. Prinzipiell könnte die Autobahn GmbH, vorbehaltlich des verbindlichen Übertragens zumindest eines Teils der LKW-Maut vom Bundeshaushalt auf die Gesellschaft, ein interessantes Anlageobjekt für offene Infrastruktur-Sondervermögen darstellen. Sofern der Gesetzgeber den Weg für privates Kapital für Investitionen in Straßen freimachen möchte, wäre ein Modell ähnlich dem der österreichischen ASFINAG denkbar, indem sich die weiterhin staatliche Autobahn GmbH selbstständig und unabhängig vom Bundeshaushalt finanziert.
Nicht überall können die gleichen Mechanismen wirken. Aber gerade auf der kommunalen Ebene können Schulen, Feuerwehrhäuser oder Polizeistationen durch private Finanzierung und Errichtung schneller und preiswerter gebaut werden. In den letzten Jahren haben wir gesehen, dass jedes Jahr Zeitverzug mindestens zehn Prozent Kostensteigerung mit sich gebracht hat. Die Gemeinde bestellt, finanziert über 20 bis 30 Jahre und hat so schnell und gut einen Projektstau aufgelöst. Wiederum gilt, wenn bei den 100 Milliarden Euro für Länder und Gemeinden durch Beschleunigung ein Projekt auch nur zwei Jahre schneller fertig wird, spart man viele Milliarden für andere Projekte.
Was private Investoren besser können
Private Beteiligung bringt drei Vorteile. Zum ersten ist es Kostendisziplin. Wer Rendite erwirtschaften muss, achtet auf Bauzeiten und Budgets. Der Staat dagegen ist leider oft träge und kostenblind und hat die Bürden komplizierter öffentlicher Ausschreibungen im Kreuz – keineswegs nur beim Berliner Flughafen. Zum zweiten suchen Versicherungen und Pensionsfonds nach langfristigen, stabilen Anlagen. Infrastruktur ist wie geschaffen für die langfristige Sicherung unserer Altersversorgung. Und zum dritten wird das Risiko geteilt: Sind private Investoren beteiligt, trägt nicht allein der Steuerzahler die Last von Kostensteigerungen oder Fehlplanungen. Allerdings werden auch kundige öffentliche Auftraggeber benötigt.
Bei der operativen Ausgestaltung dieser Modelle ist daher immer zu beachten, dass die Wahrung des Gemeinwohls stets Priorität haben muss. Ausreichende Governance- und Kontrollmechanismen, um eine faire anteilige Risikoteilung zwischen privaten Investoren und der öffentlichen Hand sowie eine effektive staatliche Kontrolle zu gewährleisten, sind unerlässlich.
Privates Geld ist da – aber die aktuellen Gesetze sind nicht gut genug
Sind wir gerade dabei, diese Vorteile zu nutzen? Leider ist das in den aktuellen Planungen und Gesetzentwürfen noch kaum zu sehen. Hier brauchen wir dringend Korrekturen und Ergänzungen. In den bisherigen Entwürfen zum „Bundesinfrastruktur-Sondervermögensgesetz“ findet sich kaum ein Konzept zur Einbindung privaten Kapitals. Vielmehr setzt die Bundesregierung auf staatliche Steuerung. Anreize für Fonds, Garantien oder regulierte Renditen fehlen.
Die notwendigen gesetzlichen Regelungen erfordern spezielle schnelle Genehmigungsverfahren, die Ermächtigung spezieller Finanzierungsvehikel und Änderungen im Kapitalmarktrecht. Zwar gab es in der Kapitalmarktgesetzgebung in den letzten Jahren schon einige Verbesserungen, aber Regulierungen wie Solvency II oder das Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz erschweren es institutionellen Investoren, also Versicherungen und Pensionsfonds, in sogenannte illiquide Infrastrukturprojekte zu gehen, obwohl es hier um besonders sichere Anlagen geht. Diese nur in Europa vorhandene übervorsichtige Gesetzgebung bremst unsere Volkswirtschaft schon länger – Zeit, das zu ändern!
Auch wenn jetzt so große Erwartungen in das neue Sondervermögen gesteckt werden: Es ist sicher ein starkes Signal, aber kein Befreiungsschlag. Wenn wir nicht klug hebeln, bleibt es ein riesiges schuldenfinanziertes staatliches Ausgabenprogramm mit all den bekannten Grenzen und Schwächen. Mit privatem Kapital könnte es dagegen ein Modernisierungsschub werden, der Deutschland endlich in die Lage versetzt, bei Energie, Verkehr und Digitalisierung aufzuholen.
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Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos
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