„Unternehmen bestehen, um Dienste zu erbringen“

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Am 17. und 18. November kamen im Vatikan 605 Unternehmer und Entscheidungsträger aus 49 Ländern zu einem Kongress der Internationalen Vereinigung christlicher Unternehmer (UNIAPAC) zusammen. Zu ihnen sprach am 17. November Papst Franziskus, dessen Rede wir hier dokumentieren.

Geschäftstätigkeiten ziehen beständig unendliche Risiken nach sich. In den Gleichnissen vom Schatz im Acker (vgl. Mt 13:44) und von den kostbaren Perlen (vgl. Mt 13:45) vergleicht Jesus die Leistungen des Himmelreichs mit dem unternehmerischen Risiko. Heute möchte ich mit Ihnen drei Risiken reflektieren: das Risiko der richtigen Verwendung von Geld, das Risiko der Aufrichtigkeit und das Risiko der Brüderlichkeit.

Zunächst zum Risiko der Verwendung von Geld. Beim Diskutieren über Geschäftliches müssen wir uns umgehend einem der schwierigsten Probleme der moralischen Auffassung widmen: dem Geld. Häufig habe ich erwähnt, dass „Geld Teufelsdreck ist“, und damit wiederholt, was die anderen Päpste einst gesagt haben. Papst Leo XIII., der die soziale Glaubenslehre der Kirche ins Leben gerufen hat, merkte einst an, dass die Geschichte des 19. Jahrhunderts gespaltene Nationen aufweise, die sich „in zwei Klassen unterteilen, die durch eine breite Kluft von einander getrennt sind“ (Apostolisches Schreiben Rerum Novarum, Nr. 47). Vierzig Jahre später sah Papst Pius XI. das Wachstum eines „internationalen Imperialismus“ der Finanzwelt vorher (Enzyklisches Schreiben Quadragesimo Anno, Nr. 109). Weitere vierzig Jahre später warnte Papst Paul VI. unter Bezugnahme auf Rerum Novarum davor, dass eine übermäßige Konzentration von Reichtum und Macht „zu neuen und missbräuchlichen Formen der wirtschaftlichen Dominanz auf sozialer, kultureller und gar politischer Ebene“ führen könnte (Apostolisches Schreiben Octogesima Adveniens, Nr. 44).

„Wenn wir behaupten, dass Geld neutral ist, unterliegen wir seiner Macht“

Im Gleichnis vom unehrlichen Verwalter mahnt uns Jesus dazu, Verantwortung für unsere Freunde mit unehrlich erworbenem Reichtum zu übernehmen, um in die Stätten der Ewigkeit aufgenommen zu werden (vgl. Lk 16:9-15). Alle Kirchenväter haben diese Worte so ausgelegt, dass Reichtum gut ist, wenn er zugunsten unserer Nächsten eingesetzt wird, ansonsten ist er ungerechtfertigt (vgl. Catena Aurea: Evangelium nach Lukas, 16:8-13). Daher muss Geld einem Zweck dienen, und darf nicht beherrschend sein. Dies ist ein Hauptgrundsatz: Geld muss einem Zweck dienen, und darf nicht beherrschend sein. Geld ist nur ein technisches Instrument der Vermittlung, des Vergleichs von Werten und Rechten, der Erfüllung von Pflichten und der Ersparnis. Wie jedes andere technische Instrument auch, weist Geld keinen neutralen Wert auf, sondern erhält Wert aufgrund der Ziele und Umstände, für die und in denen es eingesetzt wird. Wenn wir behaupten, dass Geld neutral ist, unterliegen wir seiner Macht. Unternehmen müssen nicht bestehen, um Geld zu verdienen, obgleich das Geld zum Bemessen ihrer Funktionsweise dient. Unternehmen bestehen, um Dienste zu erbringen.

Der Heilige Vater bei siener Rede vor den Unternehmern der UNIAPAC in der Sala Regia im Vatikan (Bild: Stephan Werhahn)
Der Heilige Vater bei seiner Rede vor den Unternehmern der UNIAPAC in der Sala Regia im Vatikan (Bild: Stephan Werhahn)

Daher ist es von Dringlichkeit, die soziale Bedeutung von Finanz- und Bankenaktivitäten anhand der bestmöglichen Einsicht und Vorstellungskraft der Geschäftsführer wiederherzustellen. Dies bedeutet, dass man das Risiko eingeht, das Leben komplizierter zu gestalten und gewisse finanzielle Gewinne aufgeben zu müssen. Kredite müssen für Haushalte, für kleine und mittelständische Unternehmen, für Bauern, für Bildung, insbesondere auf der Grundschulebene, für das allgemeine Gesundheitswesen, für die Aufbesserung und Eingliederung der ärmsten Stadtgebiete zugänglich sein. Eine marktorientierte Finanzlogik gestaltet Kredite für jene besser zugänglich und günstiger, die bereits über Ressourcen verfügen, und teurer sowie schwerer zugänglich für jene,die weniger haben, so dass die ärmsten Bevölkerungssegmente rücksichtslosen Wucherern überlassen werden. Gleichermaßen wird die Finanzierung der ärmsten Länder auf internationaler Ebene schlicht und einfach zu einer von Wucherern durchsetzten Tätigkeit gemacht. Dies ist eine der größten Herausforderungen für Unternehmen und Ökonomen im Allgemeinen, die dazu aufgerufen werden, für stabile und hinreichende Kreditflüsse zu sorgen, die niemanden ausgrenzen und unter fairen sowie umsetzbaren Bedingungen getilgt werden können.

„Korruption ist das schlimmste soziale Übel“

Beim Eingestehen, dass es möglich ist, Geschäftsmechanismen zu schaffen, die für alle zugänglich sind und zum Nutzen aller arbeiten, müssen wir auch zugeben, dass eine großzügige und überschwängliche Unentgeltlichkeit stets erforderlich sein wird. Ebenso ist es notwendig, dass der Staat eingreift, um bestimmte gemeinsamen Güter zu schützen und die Abdeckung der menschlichen Grundbedürfnisse zu gewährleisten. Mein Amtsvorgänger, der Heilige Johannes Paul II., sagte einst, dass das Ignorieren dessen zu „einer „Vergötzung“ des Marktes“ führt (Enzyklisches Schreiben Centesimus Annus, Nr. 40).

Ein zweites Risiko muss durch Geschäftsführer getragen werden. Das Risiko der Aufrichtigkeit. Korruption ist das schlimmste soziale Übel. Sie ist die Lüge des Anstrebens von Vorteilen für sich selbst oder die eigene Gruppe mit einzig dem Anscheins des Dienens der Gesellschaft. Sie ist die Zerstörung des sozialen Gefüges unter dem Deckmantel der Erfüllung der Gesetze. Sie ist das Gesetz des durch augenscheinliche soziale Rationalität verschleierten Dschungels. Sie ist der Betrug und die Ausnutzung der Schwächsten oder am wenigsten Aufgeklärten. Sie ist die geschmackloseste Selbstsucht, die sich hinter augenscheinlicher Großzügigkeit verbirgt. Korruption entsteht durch die Anbetung des Geldes und der Einnahmen durch korrupte Personen, die Gefangene derselben Anbetung sind. Korruption ist Betrug an der Demokratieund öffnet Tür und Tor für andere schreckliche Übel, wie Drogen, Prostitution und Menschenhandel, Sklaverei, Organhandel, Waffenhandel und so weiter. Korruption wird zum Jünger des Teufels, dem Vater der Falschheit.

Dennoch ist Korruption nicht nur ein auf das politische Leben beschränktes Laster. Korruption ist in der Politik, in der Geschäftswelt, bei den Kommunikationsmedien, in der Kirche sowie auch bei sozialen Organisationen und bei Volksbewegungen zu finden“ (Ansprache an die Teilnehmerder 3. Internationalen Begegnung der Volksbewegungen, 5. November 2016).

„Jeder aktive oder passive Korruptionsversuch stellt bereits den Beginn eines angehimmelten Mammons dar“

Eine der notwendigen Voraussetzungen für sozialen Fortschritt ist das Nichtbestehen von Korruption. Unternehmer können in Versuchung geraten, Erpressungsversuchen nachzugeben und sich dabei selbst mit dem Gedanken des Rettens ihres Unternehmens und ihrer Mitarbeitergemeinschaft rechtfertigen oder indem sie denken, dass dies die Möglichkeit für das Wachstum des Unternehmens ist und dass sie sich eines Tages selbst von diesem Übel befreien können. Ebenso ist es möglich, dass Unternehmen der Versuchung des Gedankens unterliegen, dass dies ja alle tun und dass kleine Korruptionshandlungen zum Erzielen geringer Vorteile nicht so gravierend sind. Jeder aktive oder passive Korruptionsversuch stellt bereits den Beginn eines angehimmelten Mammons dar.

Das dritte Risiko ist jenes der Brüderlichkeit. Wir haben uns daran erinnert, dass der Heilige Johannes Paul II. uns gelehrt hat, dass „Noch vor der Logik des Austausches gleicher Werte… gibt es etwas, das dem Menschen als Menschen zusteht, das heißt auf Grund seiner einmaligen Würde“ (Enzyklisches Schreiben Centesimus Annus, Nr. 34). Papst Benedikt XVI. bestand ebenso auf der Bedeutung der Unentgeltlichkeit als unvermeidlichen Bestandteil des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Er sagte: „Die Liebe in der Wahrheit stellt den Menschen vor die staunenswerte Erfahrung des Geschenks…, das seine transzendente Dimension ausdrückt und umsetzt…, dass eine wirtschaftliche, gesellschaftliche und politische Entwicklung … dem Prinzip der Unentgeltlichkeit als Ausdruck der Brüderlichkeit Raum geben muss“ (Enzyklisches Schreiben Caritas in Veritate, Nr. 34).

„Faire Verhältnisse zwischen Geschäftsführern und Arbeitnehmern müssen durch alle Parteien respektiert und eingefordert werden“

Geschäftstätigkeiten müssen stets einen Bestandteil der Unentgeltlichkeit umfassen. Faire Verhältnisse zwischen Geschäftsführern und Arbeitnehmern müssen durch alle Parteien respektiert und eingefordert werden; doch gleichzeitig ist ein Unternehmen eine Arbeitsgemeinschaft, in der jeder brüderliche Achtung und Wertschätzung von seinen Vorgesetzten, Mitarbeitern und Untergebenen verdient. Der Respekt für andere als Bruder oder Schwester musssich auch auf die Gemeinschaft vor Ort ausweiten, in der das Unternehmen physisch angesiedelt ist, und ingewisser Hinsicht müssen alle Rechts- und Wirtschaftsverhältnisse des Unternehmens gemäßigt und in ein Klima des Respekts und der Brüderlichkeit eingebunden sein.

Es mangelt nicht an Beispielen für Maßnahmender Solidarität zugunsten von Bedürftigsten, die durch Menschen in Unternehmen, Kliniken, Universitäten oder anderen Arbeits- und Studiengemeinschaften durchgeführt werden. Dies sollte eine allgemeine Handlungsweise, also das Ergebnis tiefgreifender Überzeugungen in jedem Einzelnen sein, damit verhindert werden kann, dass es sich nur um eine gelegentliche Tätigkeit handeln, damit das eigene Gewissen erleichtert werden kann oder – noch schlimmer – eine Möglichkeit gefunden werden kann, um Vorteile in Sachen Publicity zu erlangen.

„Zeigen Sie Ihr Talent als Unternehmer“

Hinsichtlich der Brüderlichkeit kann ich mit Ihnen nur die Migrations- und Flüchtlingsproblematik teilen, die uns das Herz schwer macht. Heutzutage sind Migration und die Flüchtlingsströme einer Vielzahl Menschen auf der Suche nach Schutz zu einem dramatischen humanitären Problem geworden. Der Heilige Stuhl und die Kirchen vor Ort unternehmen außerordentliche Anstrengungen zum wirksamen Bewältigen der Ursachen dieser Situation, bemühen sich um die Befriedung von Kriegsregionen und -länder und fördern der Willkommenskultur. Doch wir bekommen nicht immer alles, was wir uns wünschen. Ich bitte auch Sie um Unterstützung. Bemühen Sie sich einerseits darum, Regierungen davon zu überzeugen, auf jegliche kriegerischen Handlungen zu verzichten. Wie es so häufig im geschäftlichen Umfeld lautet: ein „schlechter“ Vertrag ist immer besser alsein „guter“ Kampf. Arbeiten Sie andererseits miteinander zusammen, um Ausgangspunkte würdiger, stabiler und reichlich Arbeit sowohl am Herkunfts- als auch am Ankunftsort zu schaffen, und zwar sowohl für die Bevölkerung vor Ort als auch für Zuwanderer. Einwanderung muss weiterhin ein wichtiger Faktor bei der Entwicklung sein.

Die meisten unter uns gehören Familien von Auswanderern an. Unsere Großeltern oder Eltern kamen aus Italien, Spanien, Portugal, aus dem Libanon oder aus anderen Ländern nach Süd- oder Nordamerika, fast immer unter Bedingungen extremer Armut. Sie waren in der Lage, ihre Familie zu ernähren und sich sogar bis zu Unternehmern weiterzuentwickeln, da sie in Gesellschaften ankamen, die sie mit offenen Armen aufnahmen, welche bisweilen so arm wie sie selbst waren, allerdings dazu bereit waren, die wenigen Güter zu teilen, die ihnen zur Verfügung standen. Erhalten Sie diesen Geist christlichen Ursprungs, geben Sie ihn weiter und zeigen Sie auch hier Ihr Talent als Unternehmer.

 

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