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Projektentwicklung in Zeiten des Hochzinses
In dem veränderten Umfeld des Immobilienmarkts sieht sich die Branche mit der Zinswende und gestiegenen Baukosten konfrontiert. Was bedeutet das für Immobilienprojekte? Ein Gespräch mit Adalbert von Uckermann, Geschäftsführer des Hamburger Family Office Jahr Gruppe.
Herr von Uckermann, wie wirkt sich die sich einer atemberaubenden Schnelligkeit veränderte Zinslage auf Immobilienprojekte aus?
Adalbert von Uckermann: Man spürt deutlich: Viele Projekte werden auf Eis gelegt, sofern es keine verpflichtenden Verträge gibt. Zumindest in den großen Metropolen wird es daher 2025 oder 2026 eine Lücke an fertiggestellten Neubauprojekten geben, zumal die Nachfrage hoch bleibt. Wir haben es folglich mit einer diffusen Gemengelage zu tun mit mehreren gegenläufigen Tendenzen, die aktuell aufeinandertreffen. Zu erwarten ist, dass die Mietpreise steigen werden, während die Kaufpreise mitunter eher stagnieren oder zurückgehen.
Warum?
Gerade bei Büroimmobilien entspricht ein Großteil nicht mehr den heutigen Anforderungen der energetischen und sonstigen Regularien, aber auch den Qualitätsansprüchen, die ein moderner Arbeitgeber bieten muss. Der Bestand ist vielfach einfach überaltert. Wenn die wachsende Nachfrage nach zeitgemäßen Büroimmobilien mit dem eben beschriebenen schleppenden Neubau zusammentrifft, dann lässt das steigende Mieten erwarten.
„In einer Perspektive von Jahrzehnten ist die heutige Zinsentwicklung eine Delle, nicht mehr“
Projektentwickler stehen vor strengeren Bedingungen klassischer Fremdkapitalgeber. Wie können Sie in der unsicheren Marktlage die Kapitallücken bei Immobilienprojekten schließen?
Zum einen sind wir als Jahr Gruppe eigenkapitalstark. Wir selbst haben daher wenig Probleme, für unsere Projekte gegebenenfalls zusätzliches Kapital in Form von Darlehen zu erhalten, auch wenn die Zinslasten natürlich auch für uns gestiegen sind. Zum anderen investieren wir langfristig und rechnen eher in Schritten von 50 Jahren und mehr als in Fünf-Jahres-Schritten. Und in einer Perspektive von Jahrzehnten ist die heutige Zinsentwicklung eine Delle, nicht mehr.
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Für eigenkapitalstarke Investoren wie Sie können sich also andererseits interessante Chancen ergeben?
Kurze Antwort: Ja.
Auch die gestiegenen Baukosten stellen viele Immobilienprojekte in ein neues Licht. Wie lässt sich eine Investitionssumme unter diesen Bedingungen halten, die vor zwei Jahren kalkuliert wurde?
Wohl dem, der frühzeitig Fixverträge abschließen konnte. Ansonsten muss man mit der Situation zurechtkommen, und eventuell auf steigende Mieteinnahmen hoffen. Aber wir sind ehedem der Überzeugung, dass man mit einem ausreichenden Puffer kalkulieren sollte. Wird man dann positiv überrascht, umso besser. Aber wer auf den allerletzten Euro rechnet und jetzt aufgrund von gestiegenen Zinsen oder Baukosten aus der Bahn geworfen wird, wird jetzt mit den Gefahren einer solchen Herangehensweise konfrontiert.
Die Jahr Gruppe entwickelt zur Zeit in Berlin ein sehr großes Mixed-Use-Objekt am Eingang zur City West an der Kreuzung Kurfürstenstraße / An der Urania / Schillstraße. Wird es wie geplant kommen?
Ja. In der näheren Umgebung sind mehrere Projekte geplant, und wir sind stolz, als First Mover den Auftakt an dieser exponierten Lage der Hauptstadt zu machen. Das Grundstück befindet sich bereits seit 1967 in unserem Besitz und soll es auch die nächsten sechzig Jahre bleiben. Das zeigt unseren langfristigen Ansatz, der sich durch kurzfristige Marktveränderungen nicht beeinflussen lässt.
Stellen Sie sich auf ein anhaltend hohes Zinsniveau ein?
Das kann wohl keiner vorhersehen. Gewiss ist, dass die Staatshaushalte einen sehr hohen Kapitalmarktzins nicht werden tragen können. Deswegen wird vermutlich ab einer gewissen Höhe der Deckel draufgesetzt werden. Auf der anderen Seite wird bei einem Zins von 4 Prozent die Welt nicht untergehen. Historisch betrachtet war ja die Nullzinsphase die Ausnahme.
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Adalbert Freiherr von Uckermann ist seit 2020 Geschäftsführer der Jahr Holding, dem Single Family Office der gleichnamigen Hamburger Unternehmerfamilie. Zuvor war er Geschäftsführer des Multi Family Office HQ Trust. Von Uckermann studierte Volkswirtschaftslehre an der Ludwig-Maximilians-Universität München.
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