Rabat – Der unterschätzte Zwilling von Marrakesch

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Wenn Marrakesch der Mythos ist, Casablanca der Film und Fès das Gedächtnis – dann ist Rabat das leise Herz Marokkos. Eine Stadt, die nicht schreit, sondern flüstert. In deren Straßen gepflegte Ordnung statt Chaos herrscht, und in deren Gärten der Duft von Jasmin mit dem Atlantikwind spielt / Rubrik Stilvoll reisen

Rabat, die Hauptstadt Marokkos, lebt im Schatten ihrer berühmteren Schwestern. Dabei findet man hier etwas, das anderswo längst rar geworden ist: Raum. Ruhe. Und die reiche und vielschichtige alte Kultur, die von Berber-, arabischen, islamischen und europäischen Einflüssen geprägt ist. Keine Händler, die einem Kelims und Tajines aufdrängen. Keine Instagram-Massen vor jeder Kachelwand. Stattdessen: Boulevards aus der Kolonialzeit, moderne Museen, eine medinaartige Altstadt, die noch dem Alltag dient – und ein Königspalast, der tatsächlich noch bewohnt ist.

Gelegen an der Mündung des Bou-Regreg-Flusses in den Atlantik, wirkt Rabat fast wie ein marokkanisches Idyll in Zeitlupe. Nicht die größte Stadt des Landes – tatsächlich rangiert sie nur auf Platz sieben nach Einwohnerzahl – und weit weniger bekannt als touristische Hotspots wie Marrakesch oder Fès. Doch gerade das macht ihren Reiz aus: Wer dem Trubel entfliehen möchte, findet hier Raum zum Durchatmen.

Die Residenz des Marokkanischen Königs

Gegründet im 12. Jahrhundert von den Almohaden, wurde Rabat später zur Zuflucht für Piraten. Ab 1812 diente sie den Franzosen als Verwaltungszentrum und wurde schließlich 1955 zur Hauptstadt eines unabhängigen Marokkos erklärt. Heute beherbergt Rabat einige der bedeutendsten Museen und architektonischen Kostbarkeiten des Landes – viele davon einzigartig und außerhalb der Stadtgrenzen kaum bekannt.

Kolonialarchitektur, Königsflair und ein Hauch Mittelmeer

Die Stadt entfaltet ihren Charme nicht auf einen Schlag, sondern in Schichten. Man beginnt den Tag mit einem Spaziergang entlang der Avenue Mohammed V, vorbei am Art-Déco-Gebäude des Hauptbahnhofs, dem eleganten Justizpalast, dem Parlamentsgebäude. Wer mit offenen Augen unterwegs ist, entdeckt Fassaden im neomaurischen Stil, verspielte Balkone, alte Schriftzüge französischer Confiserien.

In der Altstadt, der Medina, geht es gemächlicher zu als in Marrakesch. Hier kaufen Frauen ihre Gewürze für den Tajine-Topf, Männer sitzen in Cafés bei einem nous-nous, dem halb Milch, halb Kaffee servierten Espresso. Inmitten der Gassen taucht die Moschee El Atiqa auf, unprätentiös und doch ehrwürdig, gleich neben einer Koranschule aus dem 14. Jahrhundert.

Musée Mohammed VI d’Art Moderne et Contemporain

Am Nachmittag wechselt man die Uferseite. Ein kurzer Spaziergang über die Brücke – und schon steht man in Salé, Rabats Zwillingsstadt, wo sich das alltägliche Leben noch ursprünglicher zeigt. Kinder spielen Fußball in den Ruinen alter Mauern, Händler verkaufen Fisch direkt vom Boot. Wer möchte, besucht die beeindruckende Große Moschee oder das prachtvoll restaurierte Mausoleum des Sidi Ben Ashir.

Kunst und Geschichte, leise erzählt

Rabat versteht es, Vergangenheit und Gegenwart zu verweben. Besonders eindrücklich zeigt das das Musée Mohammed VI d’Art Moderne et Contemporain, eines der schönsten Museen Nordafrikas. Hier hängt zeitgenössische marokkanische Malerei neben Werken europäischer Moderne. Der luftige Bau, umgeben von Orangenbäumen, ist ein kulturelles Manifest: Marokko ist Teil des globalen Diskurses – und bringt doch seine ganz eigene Stimme ein.

Die Befestigung von Chellah aus dem Jahr 1339 ( Bild: RRPH )

Wenige Autominuten entfernt liegt der vielleicht spirituellste Ort der Stadt: Chellah – eine ehemalige römische Nekropole, später islamische Begräbnisstätte. Heute ein verwunschener Park mit halb verfallenen Mauern, stillen Gärten, klappernden Störchen auf Minaretten. Wer zur richtigen Tageszeit kommt, steht dort fast allein. Und versteht, wie sich Jahrhunderte überlagern, statt sich zu verdrängen.

Kulinarik für Kenner – zwischen Medina und Moderne

Ein Klassiker: Restaurant Dinarjat

Auch am Gaumen zeigt sich Rabat reflektierter als seine Schwestern. Statt großer Gesten lieber feine Nuancen.

Wer das klassische Marokko sucht, kehrt ins “Dinarjat” ein – ein verstecktes Riad mit gedimmtem Licht, Laternen, kunstvollen Gipsornamenten. Die Tajines werden langsam gegart, das Brot frisch gebacken. Besonders schön: das Huhn mit Salzzitrone und grünen Oliven – ein Gericht, das an alte Familienfeste erinnert.

Muskaan – Sushi, Samt und DJ-Sets

Im Mai 2024 eröffnet, hat sich das Muskaan rasch als neuer Treffpunkt der jungen Rabat-Elite etabliert. Gelegen im Viertel Hay Riad, wo Glasfassaden, Anwaltskanzleien und Start-ups das Stadtbild prägen, bringt das Restaurant frischen Wind in die eher konservative Kulinarikszene der Hauptstadt.

Das Interieur: eine gewagte, aber gelungene Mischung aus Art-Déco-Anklängen, Terrakotta-Wänden, smaragdgrünen Samtpolstern und überdimensionierten Zimmerpflanzen, die fast skulptural wirken. Dazu eine Prise Humor, ein bisschen Exzentrik – und ein klarer Blick auf das Jetzt.

Das Muskaan Restaurant in Rabat

Die Küche? Kosmopolitisch. Zwar gibt es Klassiker wie die zitronige Hähnchen-Tajine oder Couscous Royal, doch die meisten Gäste greifen zu den internationalen Kreationen: Thunfisch-Tatar, Burrata mit gerösteten Feigen, Gyoza mit Lachsfüllung oder Sushi-Variationen, die auch optisch überzeugen. Bestellt wird gerne zum Teilen – ein Teller nach dem anderen, begleitet von einem Glas Weißwein aus Meknès oder einem Signature-Cocktail mit Ingwer und Limette.

Gegessen wird nicht still, sondern im Rhythmus der Beats: junge DJs legen auf, ohne dass der Abend gleich zur Party wird. Eher ein Lounge-Gefühl – urban, elegant und voller Energie. Wer Rabats neue Generation verstehen will, der sollte hier einmal einen Abend verbringen.

Und wer einfach nur in Ruhe einen Tee trinken möchte, der findet kaum einen schöneren Ort als das Café Maure am Rande der Kasbah des Oudaïas – mit Blick auf den Atlantik, begleitet von Mandelgebäck und maurischer Gelassenheit.

Das Ritz-Carlton Rabat – Eine Oase im Eukalyptuswald

Erst am Ende dieser Reise betritt man die Welt des Ritz-Carlton Rabat Dar Es Salam – und hat das Gefühl, plötzlich in einem Königsgarten zu stehen. Das Resort liegt etwas außerhalb des Zentrums, eingebettet in einen alten Eukalyptus- und Zedernwald, durch den einst nur die königliche Familie flanierte, war es doch bis zum Bau des Ritz-Carlton Resorts Teil des königlichen Palastes.

Das neue Ritz Carlton Hotel in Rabat

Am Ende einer langen Auffahrt stehen Fünf Pavillons, lose verstreut wie Paläste einer geheimen Residenz. Das neue Ritz Carlton verbindet klassische marokkanische Baukunst mit modernem Understatement. Ornamentale Fassaden, geschnitzte Holztüren und korinthische Bögen stehen im Kontrast zu klaren Linien, zurückhaltender Farbgebung und einer Architektur, die Raum für die Natur lässt. Innen dominieren Stein, Zedernholz, handgefertigte Textilien – und eine große Ruhe, die sich wie ein unsichtbarer Baldachin über das gesamte Ensemble legt.

Eines der kleinsten Zimmer im Ritz Carlton Rabat

Die kleinste Zimmerkategorie ist bereits eine Suite. Fast jede davon verfügt über eine eigene Terrasse oder einen Balkon, der sich zu üppigen Gärten öffnet, in denen Pfauen stolzieren, Bougainvillea über Natursteinranken klettert und das Wasser leise in traditionellen Zellij-Becken plätschert. Man hört die Vögel, aber kaum einen Menschen.

Der Pool liegt beinahe versteckt – eine von hohen Bäumen gerahmte Wasserfläche, in der sich das Licht des späten Nachmittags bricht. Statt Musik spielt hier der Wind in den Zweigen, und selbst Kinderstimmen scheinen gedämpft durch die Weite zu dringen. Wer sich bewegt, tut es langsam – so wie die Golfspieler, die auf dem benachbarten Royal Golf Dar Es Salam abschlagen, einem der renommiertesten Plätze Afrikas.

Marokkanische Küche mit internationalem Flair

Die Lobby im Ritz Carlton Rabat

Ein Highlight im Ritz-Carlton ist das Restaurant Rihla, dessen Name „Reise“ bedeutet – und genau das verspricht auch die Küche: eine kulinarische Odyssee entlang der Seidenstraße. In edlem Art-Déco-Ambiente treffen asiatische Aromen auf marokkanische Gewürze, serviert in Form von Dim Sum, Currys, Couscous-Variationen oder gewürzten Tajines mit fernöstlichem Twist. Die Atmosphäre ist mondän, die Gerichte überraschend subtil – ein Ort für Entdecker mit feinem Gaumen.

Der Service: unaufdringlich aufmerksam, mit höflicher marokkanischer Zurückhaltung. Der Concierge arrangiert auf Wunsch private Führungen durch die königlichen Gärten, Ausflüge nach Salé oder sogar einen Nachmittag in einem traditionellen Töpferatelier.

Tipps für Rabat & das Ritz-Carlton

Beste Reisezeit:

März bis Mai und September bis November – angenehm mild, viel Sonne, kaum Touristenmassen.

Zimmerempfehlung:

Garden View Suite mit privater Terrasse – morgens duften die Eukalyptusbäume, abends singen die Vögel.

Nicht verpassen:

– Spaziergang durch die Kasbah des Oudaïas mit Atlantikblick
– Besuch des Musée Mohammed VI für moderne marokkanische Kunst
– Tee im Café Maure, dazu Mandelgebäck und Meeresrauschen

Restaurant-Tipp in der Stadt:

Dinarjat – klassisch marokkanisch, stimmungsvoll und authentisch.

Ausflug:

Mit dem Boot nach Salé übersetzen und das restaurierte Mausoleum von Sidi Ben Ashir besuchen – ein Stück lebendige Geschichte.

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