
Subventionspolitik: falsche Mittel, falscher Ort, falsche Zeit
In diesen Tagen wird in Berlin über sehr viel Geld verhandelt. Dabei geht es nicht nur um die wegen Putins Angriffslust geschaffenen neuen Schuldenregeln. Auch im allgemeinen Haushalt wird seit Jahren immer mehr Geld für Subventionen ausgegeben.
Von Professor Dr. h.c. mult Roland Koch
Schon 2018 hat Wirtschaftsminister Peter Altmeier dem milliardenschweren Begriff Industriepolitik zu neuer Konjunktur verholfen. Spätestens mit dem „Inflation Reduction Act of 2020“ von Trumps Vorgänger Joe Biden und der damit verbundenen Neuausrichtung der US-amerikanischen Wirtschaftspolitik ist die staatsgestützte Industriepolitik ein globales Phänomen. Aktuell scheint diese Strategie gegenüber der Ordnungspolitik der Sozialen Marktwirtschaft den Rang abgelaufen zu haben. Zumindest in den westlichen Demokratien der vergangenen Jahrzehnte war Industriepolitik in Vergessenheit geraten. Das lag nicht so sehr am grundsatztreuen Geist der Wirtschaftspolitik. Vielmehr hatten sowohl die Welthandelsorganisation auf der internationalen Ebene als auch die EU in Europa zahlreiche institutionelle Riegel eingebaut, welche die Subventionen als Kern der Industriepolitik systematisch erschwerten.
Industriepolitik wird schnell zum Irrweg
Anhänger der wieder in Mode gekommenen Industriepolitik sehen sich grundsätzlich imstande, „den Fortschritt“ im Singular, also in jedem einzelnen Projekt, zu erkennen. Genau darin liegt das Problem. Weil sie sich das zutrauen, wollen sie ihn auch forcieren und beschleunigen – mit Subventionen für diejenigen, die als Treiber des Fortschritts ausgemacht worden sind. Dabei sollte nicht übersehen werden, dass dies oft eine bewusste Bevorzugung einer bestimmten Technologie, eines bestimmten Sektors oder Unternehmens bedeutet – und damit auch eine Diskriminierung anderer Technologien und Akteure. Weil die Bundesregierung beispielsweise erkannt zu haben meinte, dass Chips von Intel ein entscheidender Teil des Fortschritts in der deutschen Industrie sein würden, wurden zehn Milliarden Euro für das Werk in Magdeburg bewilligt. Unser Think-Tank in Berlin, das Ludwig-Erhard-Forum für Wirtschaft und Gesellschaft hat sich in diesen so entscheidenden Tagen diese Entwicklung sehr genau angeschaut. In einem Gutachten für die „Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft“ haben die Autoren Stefan Kolev, Maximilian Luz Reinhardt und Sebastian Kahlbau sich den Umfang unserer Abhängigkeit von dem „neuen Treibstoff“ der Wirtschaft sehr genau angesehen und ich nutze diese Studie für meinen Kommentar.
Der Subventionsbericht der Bundesregierung spricht für das Jahr 2023 von einem Gesamtbetrag an so zu bezeichnenden staatlichen Leistungen von 64,9 Milliarden Euro. Ein Vergleich mit den Analysen des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel zeigt, dass die Schätzungen der Bundesregierung sehr zurückhaltend sind. Im Vergleich mit dem begrenzten Subventionsbegriff der Bundesregierung weist das renommierte Institut für Weltwirtschaft in Kiel mit seinem erweiterten Subventionsbegriff die Subvention für 2023 in Höhe von 106 Milliarden Euro aus. Wenn man die Hilfen nach dem russischen Angriffskrieg aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfond
Mehr Spielräume durch weniger Subventionen
Wie könnte das „richtige“ Gewicht staatlicher Unterstützung bemessen sein? Schon die Frage ist gefährlich. Ludwig Erhard hätte darauf ziemlich sicher geantwortet „Lasst es einfach!“. Aber selbst wenn man sich streckt und den heute international bestehenden Subventionswettbewerb, gerade auch mit China und Asien, als Faktor anerkennt, wird diese staatliche Wirtschaftssteuerung mit jeder Milliarde und jedem Zehntelprozent der wirtschaftlichen Gesamtleistung umso gefährlicher. Der von den oben genannten Studienautoren bevorzugte Maßstab zur Beurteilung dieser Frage ist das Verhältnis des Subventionsvolumens zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Nachdem dieses Verhältnis von 2011 bis 2019 auf einem in etwa gleichbleibenden Niveau von 0,8 Prozent verharrte, hat es sich bis 2024 auf etwa 1,6 Prozent verdoppelt. Selbst nach der engen Definition des Subventionsberichtes der Bundesregierung sind also die Subventionen deutlich gestiegen. Trotz dieses Anstiegs wächst unsere Wirtschaft am langsamsten in Europa! Wäre es denn wirklich zu anspruchsvoll, der Sozialen Marktwirtschaft wieder mehr Raum zu geben und zurückzukehren zu den 0,8 Prozent vom BIP wie im Jahr 2019? Das würde allein in diesem Jahr einen fiskalischen Spielraum von 34 Milliarden Euro ermöglichen. Man könnte einwenden, dass dies in einer Koalition unter Beteiligung der Sozialdemokraten unmöglich sei. Aber es zeigt, welche gigantischen Spielräume eine ordnungspolitisch prinzipienfeste Wirtschaftspolitik schaffen würde.
Wachstum braucht Eigenverantwortung
Natürlich gibt es immer wieder das Argument, Deutschlands Unternehmen seien ohne die Staatszuschüsse nicht wettbewerbsfähig. Deshalb lohnt es sich, sich die Details der Untersuchung des Ludwig-Erhard-Forums anzusehen. Ob der Chip-Hersteller INTEL, die MEYER WERFT oder die Gaspreisbremse, alles scheint politisch attraktiv und die Politik erhofft sich viel Zustimmung. Schaut man mit der Brille der Volkswirtschaft und der Ordnungsökonomik auf diese Einzelfälle, die viele Milliarden verschlingen, wird allerdings deutlich, dass eine Wachstumsperspektive eher vorgegaukelt als tatsächlich erreicht wird. Der Staat ist eben genau dann in der falschen Haltung, eine einzelne Lösung zu prämieren, ohne auf viele Lösungen zu bauen. Mehr Lösungen entstehen durch weniger Detailsteuerung, klare Rahmenbedingungen und einen Staat, der sich auf seine Kernaufgaben besinnt. Genau darin liegt die Lösung.
Am Schluss sollte die Orientierung bei Ludwig Erhard bleiben. Er sagte in einer Bundestagsrede am 24. Februar 1966: „Wer immer wieder nach dem Staat ruft, wenn irgendwo eine wirtschaftliche Schwierigkeit auftaucht, der verkennt die Eigenverantwortung der Wirtschaft und die Notwendigkeit der Anpassung an sich wandelnde Verhältnisse.“
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Professor Dr. h.c. mult. Roland Koch ist seit November 2020 Vorsitzender der Ludwig-Erhard-Stiftung. Koch war bis von 1999 bis 2010 Hessischer Ministerpräsident. Altbundeskanzler Ludwig Erhard gründete 1967 die Ludwig-Erhard-Stiftung und gab ihr die Aufgabe, für freiheitliche Grundsätze in Wirtschaft und Politik einzutreten und die Soziale Marktwirtschaft wachzuhalten und zu stärken. Die Stiftung ist von Parteien und Verbänden unabhängig und als gemeinnützig anerkannt. Sie tritt politischem Opportunismus und Konformismus mit einem klaren Leitbild entgegen: Freiheit und Verantwortung als Fundament einer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung für den mündigen Bürger. Infos
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